Mich entsetzte die erschreckende Einförmigkeit dieser Gedanken und sagte ihm das. Er jedoch glaubte nur, sich falsch ausgedrückt und wollte mich erneut belehren. Ich unterbrach ihn aber und bat - übrigens ohne im Geringsten auf meine Vorkenntnisse auf diesem Gebiet zu verweisen - für einen Moment um Gehör. Das muss ihm schwer gefallen sein, denn gerade darauf verstand er sich nicht. Ich erklärte ihm also in aller Ruhe, dass ich es unangemessen fände, bestimmte Leute nur deshalb zu protegieren, weil sie irgendein Stück Papier in der Tasche trügen, dessen Wert sich allein nach seinem Namen bemisst. Immerhin bekämen sie damit vorab einen Bonus, der einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. Darum sei eine derartige Klassifizierung nach solcherlei Wertigkeiten nicht nur inhuman, sondern schlichtweg töricht. Das führe zu einer Zweiteilung der Kommilitonen, in solche, die um der Karriere, und solche, die um den Studiums willen studieren. Die Folge wären unerträgliche (um dieses Wort jetzt selbst einmal zu benutzen) ’Kakophonien’, zumal der erhoffte Effekt der Beseitigung von Vetternwirtschaft und Korruption nicht verschwinden, sondern nur auf die Ebene der Vorauswahl verlagert würde. Diese letzten Gedanken brachte ich mit besonderem Genuss heraus und hoffte auf sein Verständnis.
Doch weit gefehlt, denn er schob sogleich in auffallender Liebenswürdigkeit einige schöne Redensarten über meine, wie sich er sich ausdrückte ’emotional bedingte Empörung’ ein, verteidigte dann aber mit beinahe doppelter Vehemenz seinen lächerlichen Thesen.
„Sehen Sie, Verehrtester, menschliche Schwächen sind nun mal eine Tatsache“, fuhr er mit einem abscheulichen Lächeln fort, „und um diese abzubauen, ist eine entsprechende Selektion unabdingbar, Leute also, bei denen dieses Fehlerrisiko minimiert ist. Doch wie, so frage ich, soll man das erreichen, ohne Gefühl des Besonderen? Allein dieses Wissen vermittelt den nötigen Erfolgsdruck, nicht nur gut, sondern ständig besser zu werden. Oder um es anders zu sagen: Wer sich vornimmt, ein Leben lang offen und ehrlich zu handeln, egal wie er von anderen beurteilt wird; wer sich auf seinen Wegen nicht beirren lässt und sich seines Enthusiasmus und seiner Ambitionen nicht schämt, muss vor allem an sich glauben. Dafür aber ist ein gesundes Selbstvertrauen vonnöten, was nur entstehen kann, so lange kein Gefühl der Gleichheit und Allgemeinheit hemmt. Eine Elite wird nur dadurch elitär, wenn sie um ihre Stellung weiß, und wie konnte man ihr diese besser vermitteln, als gerade durch einen solchen Bonus?“
Muss man das kommentieren? Wie soll man einem Menschen widersprechen, der keinen Widerspruch duldet, wie einen Gedanken entwickeln, der von vorn herein abgelehnt wird? Dabei glaubte ich mich deutlich ausgedrückt und hatte dem nichts hinzu zufügen. Also beließ ich es dabei und machte ihn lediglich darauf aufmerksam, dass mich das Gefühl der Gleichheit und Allgemeinheit durchaus nicht hemme, im Gegenteil, dass dieses Bewusstsein nicht nur Quelle der Inspiration und des Erfolgs, sondern auch meines Stolzes sei und ich jeden bedauere, der daraus nicht schöpfen könne. Genau das sei es, was solchen Eliten fehle - es würde sie menschlicher machen, eine Eigenschaft, die sie zweifellos nötig hätten. Ob er das verstand, bezweifelte ich, denn er entblödete sich nicht, darüber noch zu lachen, auch wenn er am Ende tatsächlich nachzudenken schien. Sollte er nur, vielleicht wären dann künftig solche ’Kakophonien’ zu vermeiden. Ich konnte es nur hoffen.
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