Silas Marner. George Eliot. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746756196
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hinauf zu gehen zu Mr. Osgood »im Obstgarten« und sie fanden wieder ganze Schinken und Rippenstücke und frische Schweinepasteten, die eben vom Feuer kamen, – kurz alles, was ein wählerischer Appetit verlangen konnte, vielleicht feiner zubereitet, wenn auch nicht reichlicher als beim Squire. Die Frau des Squires war nämlich lange tot und das rote Haus entbehrte die Hausfrau und Mutter, diese Quelle rechter Liebe und Furcht in Wohnstube und Küche, und daraus erklärte sich nicht nur, daß es bei den Festlichkeiten mehr üppig als fein herging, sondern auch daß der stolze Squire sich so oft herabließ, in dem Gastzimmer der Schenke zum Regenbogen den Vorsitz zu führen, statt in seinem eigenen dunkel getäfelten Eßzimmer am Tisch zu sitzen, und vielleicht auch entschuldigte es die Tatsache, daß seine Söhne nicht besonders anschlugen. Die Leute in Raveloe waren nicht grade strenge in ihren moralischen Anforderungen, aber es galt doch für eine Schwäche des Squire, daß er alle seine Söhne zu Hause müßig gehen ließ, und obschon man jungen Herren, deren Väter es haben konnten, gern manches nachsah, schüttelten die Leute doch den Kopf über den zweiten Sohn Dunstan, oder, wie er gewöhnlich hieß, Dunsey, dessen Vorliebe für gewisse Tauschgeschäfte und Wetten leicht zu einem schlimmeren Ende führen könnte, als daß er sich bloß die Hörner ablief. Übrigens, sagten die Nachbarn, komme nicht viel drauf an, was aus Dunsey würde, diesem hämischen, boshaften Burschen, dem sein Trank umso besser schmecke, wenn andere Leute mit trockenem Munde dabei säßen, – wenn er nur nicht grade Schande brächte über eine Familie wie die seinige, die ein Grabmal in der Kirche habe und Silberzeug älter als König Georg. Aber jammerschade wäre es, wenn der älteste Sohn und Hoferbe Gottfried, ein hübscher, gutmütiger junger Mann mit einem offenen Gesicht, auch auf die Sprünge seines Bruders käme, wie es in der letzten Zeit leider den Anschein gewonnen habe. Wenn er so fortführe, so solle er sich nur auf Fräulein Nancy Lammeter keine Hoffnung machen; denn man wisse ja, daß sie seit Pfingsten vorm Jahr sehr zurückhaltend gegen ihn sei, wo es so viel Gerede gemacht habe, daß er viele Tage gar nicht nach Haus gekommen. Es müsse was mit ihm los sein – das sei ganz klar; er sähe nicht halb so frisch und heiter aus wie sonst. Früher habe jeder gesagt, welch ein hübsches Paar er und Nancy abgeben würden, und wenn sie mal das Regiment führte im roten Hause, das wäre eine Änderung zum bessern, denn die Lammeters ließen kein Körnchen Salz verkommen und doch sei bei ihnen alles reichlich und vom Besten. Solch eine Schwiegertochter wäre eine rechte Ersparnis für den alten Squire, wenn sie ihm auch keinen Pfennig ins Haus brächte, denn leider sei anzunehmen, daß er trotz seines großen Einkommens mehr Löcher in der Tasche habe, als das, wo er die Hand hineinstecke. Aber, wenn Musjö Gottfried sich nicht ganz umtue, dann möge er sich nur jeden Gedanken an Fräulein Nancy vergehen lassen.

      Dieser einst so hoffnungsvolle Gottfried war’s, der in jenem fünfzehnten Jahr von Marners Aufenthalt in Raveloe eines Nachmittags spät im November in dem dunkel getäfelten Wohnzimmer stand, die Hände in den Seitentaschen seines Rocks und mit dem Rücken gegen das Feuer. Das matte Licht des Tages fiel trübe auf die mit Gewehren, Reitpeitschen und Fuchsschwänzen geschmückten Wände, auf Röcke und Hüte, die auf den Stühlen herumlagen, auf große Humpen, aus denen ein Geruch von abgestandenem Bier aufstieg, und auf ein halb verglommenes Feuer, neben dem in den Ecken des Kamins eine Menge Tabakspfeifen standen – alles Zeichen eines häuslichen Lebens, welches jedes veredelnden Reizes entbehrte. Der Ausdruck düsteren Ärgers in Gottfrieds Gesicht paßte nur zu gut dazu. Er schien jemanden zu erwarten und zu horchen, ob er käme, und gleich drauf ließ sich auch draußen in dem großen leeren Flur ein schwerer Tritt und ein Pfeifen hören.

      Die Tür öffnete sich, und ein untersetzter, derber, junger Mann trat herein mit dem geröteten Gesicht und der keck gehobenen Haltung, welche den Anfang der Betrunkenheit bezeichnen. Es war Dunsey, und bei seinem Anblick verlor sich der düstere Ausdruck zum Teil von Gottfrieds Gesicht, um dem belebteren Ausdruck des Hasses Platz zu machen. Der hübsche braune Wachtelhund, der vor dem Kamin lag, zog sich unter einen Stuhl in der Ecke zurück.

      »Nun, Musjö Gottfried, was willst Du von mir?« sagte Dunsey spöttisch, »Du bist der älteste, und so mußte ich wohl kommen, als Du nach mir schicktest.«

      »Was ich will, ist dies – aber schüttle Dich erst, daß Du nüchtern wirst und es begreifst, hörst Du?« – sagte Gottfried wild; er hatte selbst mehr getrunken, als ihm gut war, um seine trüben Gedanken los zu werden und etwas in Ärger zu kommen.

      »Ich will Dir sagen, ich muß unserm Alten das Pachtgeld von Fowler ausbezahlen oder ihm sagen, daß ich es Dir gegeben habe; denn er droht mit Pfändung und es kommt doch bald ’raus, ich mag’s ihm sagen oder nicht. Noch so eben, als er wegging, hat er gesagt, er wollte zum Advokaten schicken und Fowler pfänden lassen, wenn er nicht diese Woche käme und seinen rückständigen Pachtzins bezahlte. Dem Alten ist das Geld etwas knapp und er ist in verdammt schlechter Laune, und Du weißt was er Dir angedroht hat, wenn er Dich je wieder darauf ertappte, daß Du was von seinem Gelde verbracht hast. Also sieh Dich vor und schaff das Geld, und hübsch schnell, verstehst Du?«

      »Oho!« sagte Dunsey höhnisch, indem er an seinen Bruder herantrat und ihm ins Gesicht sah. »Wie wär’s, mein Junge, Du selbst schafftest das Geld und spartest mir die Mühe, he? Da Du so gütig warst, es mir zu übergeben, so wirst Du mir auch die Gefälligkeit nicht abschlagen, es für mich zurückzuzahlen; hast’s ja aus reiner brüderlicher Liebe getan, weißt Du!«

      Gottfried biß sich auf die Lippen und ballte die Faust. »Komm mir nicht mit dem Blick zu nah, oder ich schlage Dich zu Boden.«

      »Ih, das wirst Du hübsch bleiben lassen«, sagte Dunsey, trat aber doch einen Schritt zurück. »Du weißt doch, was ich für ein gutmütiger Bruder bin. Ich könnte Dich ja von Haus und Hof bringen; könnte dem Alten erzählen, daß sein hübscher Junge das nette junge Ding, die Molly Farren geheiratet hat und sehr unglücklich ist, weil er’s bei dem versoffenen Weibe nicht aushalten kann, und dann träte ich an Deine Stelle, so leicht und behaglich, wie was sein kann. Aber siehst Du, das tu’ ich nicht, dazu bin ich viel zu gutmütig. Du tust mir dafür auch jeden Gefallen, und jetzt schaffst Du die hundert Pfund, – ich weiß, Du tust’s!«

      »Wie kann ich das Geld schaffen?« antwortete Gottfried bebend; »ich hab’ keinen Schilling in der Tasche. Und daß Du an meinen Platz kömmst, das ist eine Lüge; Du würdest auch weggejagt, darauf verlaß Dich. Denn wenn Du anfängst zu erzählen, dann fang ich auch an. Bob ist Vaters Liebling, das weißt Du recht gut. Der Alte wäre froh, wenn er Dich los wäre.«

      »Einerlei«, sagte Dunsey, neigte den Kopf zur Seite und sah zum Fenster heraus. »Es wär’ zu nett, wenn ich in Deiner Gesellschaft abzöge – Du bist so’n netter Bruder, und wir haben uns immer so gern mit einander gezankt; ich wüßte nicht, was ich ohne Dich anfangen sollte. Aber Dir ist’s gewiß lieber, wenn wir beide zusammen im Hause bleiben; darin kenn’ ich Dich schon. Das bißchen Geld wirst Du schon schaffen, und so adieu, Herr Bruder, es tut mir leid Dich zu verlassen.«

      Damit wollte Dunsey fortgehen, aber Gottfried stürzte hinter ihm her, packte ihn am Arm und rief fluchend:

      »Ich sage Dir, ich hab’ kein Geld und kann keins schaffen.«

      »Borg beim alten Kimble.«

      »Ich sag’ Dir, er leiht mir nichts mehr, und ich mag ihn nicht bitten.«

      »Na, denn verkauf Feuerbrand.«

      »Ei, das ist leicht gesagt; ich muß das Geld sofort haben.«

      »Ih, Du brauchst’n ja morgen bloß auf die Jagd mitzunehmen, da sind Leute genug, die ihn kaufen; Bryce und Keating kommen gewiß hin.«

      »Das wär ’ne schöne Geschichte, da käm ich abends um acht nach Haus und wär’ schmutzig bis über die Ohren; ich will Frau Osgoods Geburtstag mit feiern und tanzen.«

      »Oho«, sagte Dunsey, indem er den Kopf auf die Seite legte und einen möglichst zierlichen Ton annahm. »Die reizende Nancy kommt da auch hin, und dann werden wir mit ihr tanzen, ihr versprechen, immer hübsch artig zu sein, und wieder zu Gnaden angenommen werden und …«

      »Halt Dein Maul mit Fräulein Nancy, Du Narr«, sagte Gottfried purpurrot im Gesicht, »oder ich erwürge Dich.«

      »Was willst Du nur?« sagte Dunsey, noch