Helen: Das klingt aber doch recht kompliziert!
Marie: Weißt du, Physiker sind in mancher Hinsicht faule Leute. Stures Auswendiglernen behagt ihnen gar nicht. So meint unser großer Alchemist wohl auch, dass man sich viele Dinge viel besser merken kann, wenn man die Zusammenhänge erst einmal erkannt hat. Wie bei einem Glasperlenspiel mit tiefer verborgenen Spielregeln, die für einen einfachen Zuschauer nicht sichtbar sind, für den eingeweihten Spieler aber den ganzen Reiz des Spiels ausmachen, so sind die Regeln in der Natur auch große Leuchttürme, die immer wieder eine genaue Orientierung ermöglichen.
So sagte mir unser Alchemist einmal, dass die Zeit der großen Entdeckungsfahrten auf der Erde wohl vorbei sei. Die weißen Flecken auf dem Globus sind heute nur bekannte Eisflächen und keine "terra incognita", keine unbekannten Landstriche mehr. Mit Satellitenbildern kannst du dir bei Google jeden Platz auf der Erde ansehen! Aber dennoch gibt es andere Welten zu entdecken! Die Welt der hohen Drücke ist so ein Bereich! Ich glaube, mit den verschiedenen Bildern, die unser Alchemist gerade so zusammenstellt, möchte er uns auf eine Reise durch die Welt der hohen Drücke vorbereiten.
Helen: So einen Entwurf für ein Plakat, das ähnlich aussieht wie ein Periodensystem der chemischen Elemente, habe ich schon mal auf dem Bett neben seinem Arbeitstisch gesehen. Irgendwann wird uns der Herr Professor ja wohl mit einem langen Vortrag noch erklären wollen, was er alles in diesen Entwurf hinein gezaubert hat. Aber ich weiß schon, dass die weißen Stellen hier wie in früheren Landkarten unerforschte Bereiche bei den einzelnen Elementen in den Hochdrucklandschaften markieren, um uns schon vorab zu zeigen, dass es hier für junge Forscher noch sehr viel zu entdecken gibt! Zunächst können wir wohl nur die bunten Muster hier bewundern. Bei unserer Reise durch die Welt der hohen Drücke wird dieses Plakat dann aber immer wieder wie eine Weltkarte zur Orientierung dienen.
Marie: Ist dir schon einmal aufgefallen, dass hohe Drücke an vielen Stellen in der Natur auftreten und dort für viele Merkwürdigkeiten sorgen? Hier auf der Erde am Meeresboden und dann besonders im tiefen Inneren der Erde wirken ja enorme Drücke. Gerade heute stand in der Zeitung, dass am Meeresboden in 2 km Tiefe heiße Quellen Wasser mit einer Temperatur von 400 Grad ausspucken, ohne dass dieses Wasser dabei sprudelnden Dampf entwickelt oder blubbernd kocht! Der hohe Druck sorgt dort dafür, dass es ganz einfach flüssig bleibt und viele Mineralstoffe mit sich führt.
Noch viel gewaltiger sind aber die Drücke im Inneren der Erde, im Zentrum der großen Planeten und erst recht im Inneren der Sterne! Es ist schon schwer, sich vorzustellen, was diese Drücke dort bewirken! Doch nicht nur im Weltall, auch bei vielen technischen Entwicklungen wie Dampfmaschinen, Benzin- und Dieselmotoren, bei Raketen und Sprengstoffen und auch an vielen Stellen in der chemischen Industrie, bei der Herstellung von Düngemitteln, von Kunststoffen oder von koffeinfreiem Kaffee, überall wird mit hohem Druck gearbeitet. Neuerdings werden sogar Lebensmittel mit hohem Druck besser haltbar gemacht!
Weist du, dass unser alter Alchemist die Welt der hohen Drücke oft als moderne Alchemie bezeichnet? Damit ich das verstehe und weil in unserem Geschichtsunterricht viel mehr über Kriege als über die Entwicklung der Naturwissenschaften berichtet wird, hat mir unser Herr Professor mal einige Bücher über Alchemisten und die frühe Entwicklung der Naturwissenschaften im Mittelalter hingelegt, damit ich die Sprache der Alchemisten und damit auch die Begriffe einer modernen Alchemie besser verstehen kann.
Anmerkung des Alchimisten: Viele Begriffe und Personen, die Marie und Helen im Folgenden erwähnen, werden oft nicht genau erklärt. Nützliche Hinweise zu diesen Begriffen und Personen findet ihr aber sehr leicht bei www.Wikipedia.de. Im Text sind solche Wikipedia-Stichworte blau markiert und mit der Wiki-Adresse hinterlegt. Für gründliche Leser liefern diese Wikipedia-Stichworte sicher sehr viele zusätzliche Informationen, aber in vielen Fällen wird es besser sein, erst einmal weiter zu lesen und später dann erst nachzuschlagen.
Helen: Aber Marie, warum nennst du ihn den "großen Alchemisten"?
Marie: Ja, Helen, man sagt doch, dass die Alchemisten vor allem künstlich Gold erschaffen wollten. Das sieht er wohl etwas anders, aber auch bei ihm gab es so etwas wie den Stein der Weisen. Das war doch früher ein wundersames, meist gar nicht klar beschriebenes Hilfsmittel, um dieses Werk des Goldmachens zu vollenden. Die einzelnen Alchemisten hatten dabei recht unterschiedliche Vorstellungen, und da die meisten Berichte über die Alchemisten ja von Schreiberlingen stammen, die wenig vom Tagewerk der wahren Alchemisten wussten, werden hier immer wieder fantastische Vorstellungen wie bei Harry Potter blumig ausgemalt. Hast du dir schon mal den komischen Eisenklotz auf dem Schreibtisch unseres Alchemisten genauer angesehen? Er meint, das wäre für ihn so etwas wie sein Stein der Weisen.
Helen: Wie kommt er denn darauf? Weißt du, was er damit meint? Und was der Stein der Weisen für die frühen Alchemisten denn so war?
Marie: Nun ja, er hat mir einmal gesagt, dass dieser Eisenklotz hier in Wirklichkeit eine ganz besondere Hochdruck-Apparatur ist. Er nennt diesen Klotz auch manchmal Diamantstempel-Hochdruckzelle und meint, dass uns dieser Stein der Weisen auf unserer weiteren Reise durch die Welt der hohen Drücke wie eine Richtschnur oder wie ein Kompass begleiten wird! Wie ein Mikroskop einen Blick in den Mikrokosmos ermöglicht, so eröffnet diese Hochdruckzelle ein Fenster in die Welt der hohen Drücke. Ich glaube, der große Alchemist wird uns das noch genauer zeigen. Auf jeden Fall hat dieser unscheinbare Klotz wie ein moderner Stein der Weisen es unserm Alchemisten erst ermöglicht, ganz merkwürdige neue Stoffe zu erzeugen! Das war wohl seine "Moderne Alchemie".
Wenn wir mit ihm in seine Welt der hohen Drücke reisen, werden wir wohl "heißes Eis" kennen lernen. Eine Station wird uns zum schwarz-rot-goldenem Schwefel führen. Gelber, oranger, violetter und schwarzer Luft werden wir begegnen.
An einer Zwischenstation werden wir uns einige Baupläne von Kristallen näher ansehen, damit wir dann mit der Sprache der Kristallographen die weiteren Landkarten auf unserer Reise besser lesen können.
Die vielen einzelnen Stationen unserer Reise muss ich dir hier noch nicht alle verraten. Nur soviel kann ich jetzt schon sagen: Nach dieser Reise wird "Die bunte Welt der Elemente" unseres großen Alchemisten sicher auch für dich eine ganz besondere Bedeutung gewinnen. Sie wird dich an viele Stationen der Reise erinnern, sie wird dir zeigen, wo heute noch große weiße Flecken in der Hochdrucklandschaft auf neue junge Forscher warten. Ja, vielleicht wird dich diese Reise auch dazu anregen, deine eigene "Welt der Elemente" auszudrucken und auf eine Küchenrolle aufzukleben. Dann hast du deinen eigenen Globus für einen Teil der Welt der hohen Drücke!
Helen: Marie, du hast doch sicher auch schon gesehen, dass unser Alchemist diese Farbmuster so aufgearbeitet hat, dass sie zwei Kaffeetassen zieren. Vielleicht wird man diese Kaffeetassen demnächst auch mal wo kaufen können. Aktuelle Informationen dazu wird er dann sicher auf seiner Webseite angeben: www.mog-group.de/Elemente
Die Blüte der Alchemie
Marie: