Nicht erst zu Beginn des Russlandfeldes hatte sich herausgestellt, dass die Wehrmacht über deutlich zu wenige bewegliche Panzerabwehrwaffen verfügte, und vor allem die Standard-3,7-Zentimeter Pak – von den Landsern sarkastisch als „Panzeranklopfgerät“ bezeichnet – absolut unbrauchbar geworden war. Aus den Erfahrungen der Kämpfe geboren waren schon nach dem Ende des Frankreichfeldzuges Panzerabwehrkanonen auf erbeutete Fahrgestelle französischer Panzer oder Schlepper aufgesetzt worden. Diese als „Marder“ bezeichneten Selbstfahrlafetten wurden als Folge des T 34-Schocks noch im Jahr 1941 hastig weiterentwickelt und die Geschütze diesmal auf
Panzer II-Fahrgestelle verlastet. Zum Einsatz kamen massenhaft erbeutete russische 7,62-Zentimeter Divisionskanonen und später dann auch 7,5-Zentimeter PaK 40. Diese durchschlagkräftigen Waffen halfen den Deutschen über diese Durststrecke hinweg, aber die Fahrzeuge selbst waren wegen ihres hohen Aufzuges und der nur rudimentär vorhandenen Panzerung trotzdem nur ein Notbehelf und im Gefecht äußerst gefährdet. Dennoch sollten diese knapp 350 Panzerjäger im Verbund mit den moderneren Kampfpanzern die Hauptlast der Panzerabwehr tragen.
Nachdem die deutschen Panzer die kleinere Gruppe russischer Fahrzeuge zerstört hatte ordneten sich die Kampfmaschinen wieder in die deutsche Angriffsformation ein und rollten weiter nach Osten. Fred Beyer war immer noch von dem relativ leichten Durchdringen der russischen Verteidigungsstellungen überrascht. Als Hauptgegner trat der bewährte T 34 auf, aber die Russen verfolgten eine ganz andere Philosophie in Bezug auf die technische Ausstattung der Truppe. Während die Deutschen jetzt endlich wieder fortschrittliche und überlegene Panzer in das Gefecht einführen konnten, setzten die Sowjets vordergründig auf Quantität und waren bei der Kampfwertsteigerung der vorhandenen Modelle nicht weitergekommen. Die 7,6-Zentimeter-Kampfwagenkanone des T 34 war jetzt nicht mehr in der Lage, die zusätzlich vorgepanzerten Stellen der schon länger eingeführten deutschen Kampfwagen und die der neuen ohnehin nicht mehr auf günstige Gefechtsentfernungen zu durchschlagen. Demgegenüber war es nunmehr auch dem Panzer IV möglich, den T 34 auf 1.000 Meter Entfernung zu vernichten. Genau wie die Deutschen hatten die Russen alle verfügbaren Panzerfahrzeuge für die Schlacht zusammengezogen, dazu zählten auch etliche T 70. Diese
9 Tonnen schweren Fahrzeuge und mit einer 45-Millimeter Kanone ausgerüsteten leichten Panzer konnte dem deutschen Panzer III unter bestimmten Bedingungen noch erfolgreich entgegentreten, obwohl die zweiköpfige Besatzung des russischen Tanks von ihren Aufgaben her gesehen vollkommen überfordert war. Aufgrund der schwachen Panzerung von gerade einmal 15 Millimetern an den Wannenseiten und 35 Millimetern an den Turmwänden waren vereinzelt auftauchende T 70 von der Stahlwalze der deutschen Panzerformation buchstäblich im Vorbeigehen auf große Entfernungen vernichtet worden.
Hätte ein unabhängiger Beobachter eine Analyse der Schlagkraft der beiden Panzertruppen aufgestellt, wäre er recht schnell zu einer einfachen Bewertung gekommen: die Russen waren quantitativ haushoch überlegen, aber ihr T 34 als Standardpanzer hatte seinen Schrecken wegen einer fehlenden Weiterentwicklung insbesondere in Hinblick auf die Bewaffnung zu einem großen Teil verloren. Die zahlenmäßig unterlegenen Deutschen konnten zwar nur einen vergleichsweise kleinen Anteil sehr moderner Panzer einsetzen, aber das schon länger eingesetzte Material war in vielen Fällen einer zeitgemäßen Kampfwertsteigerung unterzogen worden und für die Gefechte gut geeignet. Jetzt würde es darauf ankommen, wer die bessere Strategie hatte, und in welchem Verhältnis die Verluste ausfallen würden.
Deutschen und Russen waren nicht an erster Stelle auf größere Geländegewinne aus, sondern ihr übereinstimmendes Ziel bestand darin, den Gegner in diesem Großkampf personell und materiell so entscheidend zu schwächen, dass er nicht mehr genügend Kraft haben würde, mit diesen Verlusten weiterhin aktiv offensiv zu werden.
Martin Haberkorn, 7. Juli 1943, bei Hamburg
Ein LKW der Wehrmacht hatte die immer noch vollkommen verstörten Überlebenden des Bombenangriffes zu einer Notaufnahmestelle gebracht. Der im Erdgeschoss eines Hauses liegende große Raum – Haberkorn vermutete nach dessen Ausmaß , dass es ein ehemaliges Tanzlokal mit Ausschank gewesen sein könnte – war leergeräumt und mit Armeebetten vollgestellt worden. Es war warm, und in der Aufnahmestelle hatte sich ein Dunst aus Schweiß, Kotgestank, Uringeruch und modrigen Kleidungsausdünstungen gebildet. Haberkorn war durch sein Leben an Bord eines U-Bootes in dieser Hinsicht einiges gewohnt, aber dieser übelriechende Brodem verursachte ihm Übelkeit. Einige der Leute hatten ihre Ausscheidungsorgane unter dem schrecklich nervenzermürbenden Luftangriff wohl nicht mehr unter Kontrolle halten können und dünsteten jetzt – für sie sicher sehr beschämend – einen sie zusätzlich noch erniedrigenden Gestank aus. Haberkorn hatte selbst erlebt wie belastend es war, unter dem Krachen der Wasserbomben den Schließmuskel panisch zusammenzukneifen, um sich nicht in die Hosen zu machen. Neben der Todesangst kam auch noch die Befürchtung dazu, sich einzuscheißen und dann mit stinkenden Sachen auf seinem Posten ausharren zu müssen. In so einem Fall hätte er ja nicht in aller Ruhe auf die Toilette gehen, sich säubern und gemütlich die Klamotten wechseln können. Der langsam nachlassende Schock wandelte sich jetzt bei ihm in zunehmende Wut. Diese feigen