Ludwig baut sich eigene Traumschlösser, mit einer Hundinghütte, einer Venusgrotte und einer Gurnemanz-Klause in Linderhof nahe Ettal, mit einem „Tristan“-Schlafzimmer und vielen anderen sagenhaften Gemächern in Neuschwanstein.
Richard Wagner wird sein Theater endlich bekommen, und zwar in Bayreuth. Weit genug entfernt von München, aber immer noch in Ludwigs Königreich. Erneut hilft ihm der König. 1876 begegnen sich die beiden beim „Ring“ in Oberfranken. Hörig ist der König seinem Meister nicht mehr, vielleicht war er’s überhaupt nur in Fragen der Sehnsucht. 1881 überlegt Wagner, seinen „Parsifal“ mit dem Orchester des Königs aufzuführen, aber ohne dessen Dirigenten – den Juden Hermann Levi. Ludwig ist verärgert über den Judenfeind Wagner, macht seinen Einfluss geltend, stimmt (oder zwingt) Wagner um und schreibt ihm schließlich, nach Levis Bestätigung: „Dass Sie, geliebter Freund, keinen Unterschied zwischen Christen und Juden bei der Aufführung ihres großen heiligen Werkes machen, ist sehr gut. Nichts ist widerlicher, unerquicklicher als solche Streitigkeiten. Die Menschen sind ja im Grunde genommen doch alle Brüder, trotz der konfessionellen Unterschiede.“
1883, im Februar, stirbt Richard Wagner. Und Ludwig klagt: „Entsetzlich, fürchterlich!“ Etwas mehr als drei Jahre später wird der entmündigte König seine letzten Schritte tun, hinein in den Würmsee. Und kein Dampfboot „Tristan“ wird kommen, ihn zu retten.
Nachsatz: München wurde durch die Uraufführungen von „Tristan und Isolde“ (1865), „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868), „Das Rheingold“ (1869) und „Die Walküre“ (1870) zur Wagnerstadt und für einige Zeit zur Musikhauptstadt Europas. 1888 folgten die „Feen“.
An ihren Händen sollt ihr sie erkennen
„Unstreitig kann es den Tonsetzern nicht gleichgültig sein, in welcher Weise vorgetragen ihre Arbeiten dem Publikum zu Gehör kommen“, stellt Richard Wagner in seiner Schrift über das Dirigieren fest. Und fordert für seine Werke, dass sie eben ganz anders dirigiert würden als Mozart, Beethoven oder Schumann. Andernfalls werde sein Werk verstümmelt. Und die Musik ertöne nur noch, „den Schmerzensschrei des Gemarterten zu übertäuben“.
Den hier abgebildeten Dirigenten ist gemeinsam, dass sie Wagner nicht nur anders dirigieren, sondern vermutlich irgendwie sogar richtig. Jeder auf seine Art. Wer ist hier wer? An ihren Händen sollt ihr sie erkennen...
Von Michael Weiser
Das Äußerste geben minus fünf Prozent – vielleicht ist das die richtige Formel. So äußerte sich Christian Thielemann einmal über das Dirigieren von Wagners Musik. Damit meinte er die Lautstärke. Ein Dirigent muss aber natürlich noch mehr; den Ausdruck vorgeben, das Tempo, hier die Farbe eines Klanges hervorholen, da eine Gruppe von Instrumenten dämpfen. Besonders schwierig ist das in der Orchester-Schlucht von Bayreuth, wo das Orchester von den Sängern „allenfalls ein Piepsen oder fernes Rufen“ vernimmt (auch das schrieb Thielemann), wo der Dirigent zwar fast alle und alles sieht, sich aber auf nichts so wenig verlassen kann „wie auf seine Ohren“. Insgesamt scheint es also ganz einfach: das Beste geben plus fünf Prozent. Und dann noch so zaubern, dass aus Noten wirklich Musik wird. Wer das schafft, entwickelt eine eigene Handschrift. Und braucht viel Kondition. „Am nächsten Morgen tun einfach alle Muskeln weh“, sagte Kirill Petrenko über das Dirigieren von Wagner-Opern. Und Andris Nelsons: „Bei Wagner fühlt man sich wie ein Marathonläufer. Entweder du stirbst nach den ersten 20 Kilometern, oder du überwindest den toten Punkt und hast das Gefühl, ewig weiterrennen zu können.“ Der Dirigenten-Job: Knochenarbeit mit Fingerspitzengefühl. Wir zeigen einige der Großen. Und Sie können testen, ob Sie deren Handschrift erkennen.
„Man fühlt sich wie ein Marathonläufer.“
Andris Nelsons
„Morgens tun alle
Muskeln weh.“
Auflösung:
Kirill Petrenko
Daniel Barenboim
[no image in epub file]
Marek Janowski
Herbert von Karajan
Pierre Boulez
Fotos: Claudia Esch-Kenkel_dpa/Archiv _red/Jean-francois Leclerq_red/akg-images/Rolf Haid_dpa
Alain Altinoglu
Giuseppe Sinopoli
Fotos: Marco Borggreve_red/Bayreuther Festspiele/Ronald Wittek
Der Gral lockt an der Friedrichstraße
Berückend, bezaubernd: So wirken die Gralsglocken des „Parsifal“. An der Friedrichstraße in Bayreuth, bei der Klaviermanufaktur Steingraeber, kann man sich schon mal auf die Neuinszenierung der Festspielsaison 2016 einstimmen.
Von Michael Weiser
Richard Wagner hat offenbar tatsächlich Kirmes im Kopf gehabt, als er den „Parsifal“ schuf. Allerdings als hehren Gegenentwurf zu dörflichen Festumtrieben. „Wenn unsere heutigen Kirchweihfeste hauptsächlich durch die hierbei abgehaltenen, nach ihnen sich benennenden, sogenannten ,Kirmes-Schmäuse' beliebt und anziehend geblieben sind, so glaubte ich das mystisch bedeutsame Liebesmahl meiner Gralsritter dem heutigen Opernpublikum nicht anders vorführen zu dürfen, als wenn ich das Bühnenfestspielhaus diesmal zur Darstellung eines solchen erhabenen Vorganges besonders geweiht mir dachte.“ Das schrieb Wagner kurz nach der Uraufführung seines