Mord und Totschlag in Chicago. Edgar Wallace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752947687
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zugleich seine Kampfansage und sein Alibi.

      Immer wenn Red getrunken hatte, verwickelte er sich in Schwierigkeiten. Diesmal versuchte er, durch einen Mittelsmann in Verbindung mit Tom Feeney zu kommen, der den Alkoholschmuggel im südlichen Bezirk kontrollierte. Aber es gelang ihm nur, mit O'Donnell zu sprechen, der Toms Personalchef und Schwager war.

      In Wirklichkeit war O'Donnell der leitende Kopf der Bande, und das war nach Perellis Ansicht der schwächste Punkt der Tom Feeney-Gesellschaft. O'Donnell war klein, hager und leicht erregbar. Zu schnell mit der Pistole bei der Hand, wie die einen sagten, und unverschämt frech mit seinem Mundwerk, wie andere wissen wollten.

      Er hörte sich Reds Vorschläge sehr kühl und gelassen an.

      »Red, Sie haben eigentlich für uns ebensowenig Wert wie für sonst jemand«, erklärte er schließlich sachlich. »Sie nehmen Koks, und Sie saufen. Bei unserem Geschäft kann man solche Leute nicht brauchen. Für Perelli habe ich durchaus nicht viel übrig – aber Schwierigkeiten will ich keine mit ihm haben. Wenn Sie allerdings in seinem Bezirk verkaufen wollen, stellen wir Ihnen genügend Alkohol zur Verfügung.«

      Am nächsten Tag ereignete sich nichts Besonderes, außer daß Red Gallway nach anderer Richtung hin Anschluß suchte. In der frühen Dämmerung des Winternachmittags stand er im Polizeipräsidium und bat um eine Unterredung mit Kommissar Kelly. Er wollte sich über einen Polizeibeamten beschweren, erklärte er möglichst laut. Das Polizeipräsidium lag in Perellis Bezirk, und Spitzel berichteten ihm alles Wissenswerte.

      Niemand außer Red wäre in dieser Lage zum Polizeipräsidium gegangen. Schließlich hätte er ja auch die Möglichkeit gehabt, anzurufen und einen Treffpunkt für eine geheime Zusammenkunft zu vereinbaren. Aber wenn Red Gallway Kokain genommen hatte, überlegte er nie lange. Eine Viertelstunde später saß er schon dem Chef der Kriminalpolizei gegenüber.

      Er wollte seine Geschichte möglichst schlau erzählen und vor allem keine Namen nennen. Offen gab er nur zu, daß er in Lebensgefahr schwebe, und nachdem sich Kommissar Kelly einige Zeit mit ihm unterhalten hatte, war er auch davon überzeugt.

      Red erzählte Kelly nichts, was Kelly nicht schon wußte; bittere Erfahrungen hatten den Beamten im übrigen gelehrt, daß es völlig sinnlos gewesen wäre, Red beim Wort zu nehmen und ihn als Zeugen in einem Prozeß auftreten zu lassen.

      Kelly wußte ganz genau, wie und warum Mike Leeson ums Leben gekommen war. Er kannte die Namen der Leute, die den Abtransport der Leiche durchgeführt hatten, genauso wie die Nummer ihres Wagens.

      Red hätte wahrscheinlich noch einige Stunden geredet, aber Kelly hatte viel zu tun, und an einseitigen Unterhaltungen, bei denen er nichts Neues erfuhr, lag ihm nicht viel.

      »Wollen Sie bei uns bleiben?« fragte er.

      Red sah ihn entrüstet an.

      »Soll das heißen, daß Sie mich in Schutzhaft nehmen wollen? Ich bin groß genug, um auf mich selber aufzupassen. Nein, ich werde mich um den ganzen Laden hier nicht mehr kümmern. Chicago kann mir gestohlen werden – ich habe in andern Städten genug Freunde, die mir weiterhelfen.«

      Als Red wieder auf die Straße trat, wurde er von drei Leuten beobachtet. Aber nur zwei davon waren Polizeibeamte.

      »Verliert den Kerl bloß nicht aus den Augen«, hatte der Chef kurz vorher zu ihnen gesagt.

      An der nächsten Straßenecke begrüßten zwei Männer freudig Gallway und nahmen ihn in die Mitte.

      »Was fällt Ihnen denn ein?« fragte Red, als sie ihm liebenswürdig auf die Schulter schlugen und sich bei ihm einhängten.

      »Wenn Sie den Mund aufmachen, knallt's«, erwiderte der eine in herzlichstem Ton und preßte ihm die Mündung einer Pistole in die Seite.

      »Sind Sie verrückt, Sie ...!«

      Die Beamten, die Red beschatten sollten, waren noch Neulinge. Sie sahen nur, daß zwei gute Freunde Red begrüßten und mit ihm in ein Auto einstiegen. Es fiel ihnen nichts Besseres ein, als schnell ein Taxi zu nehmen, aber noch bevor sie einen Wagen gefunden hatten, war das andere Auto schon abgefahren und außer Sicht.

      Red überschaute die Lage nicht sofort. Er war sich nur darüber klar, daß der Mann, der direkt hinter ihm saß, einen harten, kühlen Gegenstand gegen sein Genick drückte. Dabei unterhielt sich dieser Mensch intensiv mit dem Chauffeur über ein Baseball-Match. Die beiden stritten miteinander, ob Südkalifornien oder Columbia gewinnen würde. Der Chauffeur war für Columbia.

      »Dafür bin ich auch«, versuchte sich Red ängstlich einzuschalten.

      »Halten Sie bloß die Klappe«, entgegnete der Chauffeur. »Ich kann mich nur wundern, daß Sie nicht heiser sind – Sie haben doch wirklich lange genug mit dem Polypen gequatscht! Möchte wissen, wen Sie alles verpfiffen haben.«

      »Ich – verpfeifen?« protestierte Red ärgerlich.

      Die Pistolenmündung preßte sich unbarmherzig gegen sein Genick.

      »Schnauze!«

      Sie ließen jetzt die Stadt hinter sich und kamen durch eine verlassene Gegend, in der nur einzelne Baracken standen. Schließlich hielt der Wagen bei einem kleinen Gehölz, das direkt neben der holperigen Straße lag.

      »Raus mit Ihnen!« befahl der Mann hinter Red. Gallway gehorchte. Das Kokain wirkte jetzt nicht mehr, und er zitterte am ganzen Körper.

      »Was wollen Sie denn eigentlich von mir?« stieß er mühsam hervor. »Ich habe der Polizei bestimmt nichts verraten! Fahren Sie mich sofort zu Tony. Er wird Ihnen sagen ...«

      Die beiden nahmen ihn wieder zwischen sich und schleppten ihn in das Gehölz.

      »Wollen Sie mich etwa kaltblütig abknallen?« keuchte Red. »Hören Sie doch ...«

      Die Sicherung einer Pistole klickte. Gleichzeitig mit dem Schuss fiel Red auf die Knie und schwankte. Er hörte weder den ersten noch den zweiten Knall. Der Mann hinter ihm ließ die Pistole in die Tasche gleiten und steckte sich eine Zigarette an. Seine Hand zitterte nicht im geringsten.

      »Los, fahren wir zurück«, sagte er zu seinem Begleiter. Schon als sie am Stadtrand waren, stritten sie sich wieder herum, ob Kalifornien oder Columbia gewinnen würde.

      Der Fahrer sah das Polizeiauto als erster. Sowie er das Heulen der Sirene hörte, gab er Gas, daß ihr eigener Wagen einen Satz nach vorn machte.

      »Nimm das Maschinengewehr – unter dem Sitz!«

      Der Mann neben ihm kroch nach hinten, um seinem Freund zu helfen. Zusammen stießen sie die Mündung durch das hintere Fenster.

      »Die beiden Polypen müssen Kelly verständigt und die Beschreibung unseres Wagens durchgegeben haben«, knurrte der Mann, der Red erschossen hatte, und klemmte sich hinter das Maschinengewehr.

      Der Polizeiwagen kam näher.

      »Los! Gib's ihnen!«

      Rat-a-tat-a-tat-a-tat!

      Die Windschutzscheibe des anderen Wagens wurde zertrümmert. Er geriet leicht ins Schlingern, fing sich dann aber wieder und folgte ihnen in immer kürzerem Abstand. Die Polizeibeamten erwiderten jetzt das Feuer.

      Der Mann am Maschinengewehr stieß einen unartikulierten Laut aus und glitt zu Boden. Der andere packte die Waffe und drückte auf den Abzug. Gleich darauf gab es einen scharfen Knall, das Polizeiauto rutschte quer über die Fahrbahn und kam an einem Laternenmast zum Stehen. Ein Reifen war getroffen worden.

      »Sie sitzen fest!« rief der zweite Mann dem Chauffeur zu. »Ab jetzt, Joe!«

      Mit einem Blick streifte er die zusammengekrümmte Gestalt am Boden. »Kopfschuss«, knurrte er und kletterte auf seinen Sitz neben dem Fahrer zurück.

      Einige Zeit darauf waren sie schon wieder bei ihrem Baseballspiel, während der Tote hinter ihnen von einer Seite zur andern rollte.

      1 In den Vereinigten Staaten war es von 1917-1933 verboten, Alkohol herzustellen oder zu verkaufen.