Meine Schritte hallten von den Wänden wider, als ich an den großen Pferden vorbei zum Stellplatz meines kleinen Pferdchens schlich. Es stand noch immer angebunden an seinem Platz, was mich erst verwundert, dann verärgert und schließlich hilflos zurückließ. Da stand ich, in meinem Kleid, fertig für den Ausritt, und meinem Glück stand die Unzuverlässigkeit dieses ungezogenen Burschen Francois im Wege.
Verärgert stieß ich mit dem Fuß auf, ich erinnere mich noch genau, wie ich mich im Kreis drehte und hoffte, irgendein anderer Bediensteter würde in diesem riesigen Pferdestall auftauchen und mir das Pferd heranführen, während ich mir zugleich ausmalte, wie sich Francois unter den Stockhieben des Haushofmeisters wand, seine Haut über und über mit roten Striemen bedeckt.
Im hinteren Teil des Stalles schließlich fand ich ihn. Ich hörte Stimmen, Flüstern, Kichern, Rascheln. Francois lag rücklings im Stroh. Er schlief tief und fest, so erschien es mir, vollständig bekleidet. Offensichtlich hatte er sich nach dem Füttern der Pferde noch einmal hingelegt, um ein Nickerchen zu machen. Zwischen seinen Beinen kniete Josephine, die Gänsemagd, und schüttelte ihn mit der rechten Hand in der Mitte seines Körpers. Ihr tiefes Dekolleté gab einen obszön offenen Blick auf den wogenden Busen frei. Hohes Stroh und ihre linke Schulter verdeckte den Blick auf ihre Hand, die vergeblich an dem schlafenden Burschen rüttelte.
Francois stöhnte im Schlaf, schmatzte, und Josephine beugte sich noch etwas tiefer über ihn, schien in seine Körpermitte beißen zu wollen wie Pferd, das an einer Karotte knabberte.
Francois murmelte wieder etwas, und ich hatte das Gefühl, er würde jetzt aufwachen, doch Josephines Rütteln wurde nur noch verzweifelter und schneller, und wieder senkte sie den Kopf, um ihn zu beißen, damit der Junge endlich aufwachte.
Schließlich gelang es ihr auch.
Francois drückte seine Hüften hoch, Josephine öffnete den Mund, als wollte sie ihn ein letztes Mal beißen, und das schien Francois, jetzt hellwach, nicht zu gefallen, denn ich sah, wie sich seine Hände um den Hinterkopf der Gänsemagd legten, ihn festhielten, während er sich noch letztes Mal unter ihrem Biss aufbäumte und laut keuchte.
Sie musste wirklich sehr fest zugebissen haben, dachte ich und wollte hinzueilen, um sie davon abzuhalten, ihm weiter weh zu tun, als durch das geöffnete Tor ein furchtbarer Lärm in den Stall dröhnte. Menschen grölten, lachten, schrien.
Josephine hob den Kopf. In ihren Mundwinkeln glänzte es feucht und sie wischte sich etwas vom Kinn, das hoffentlich nur Speichel gewesen war und kein Blut, doch ich war sicher, dass es Speichel gewesen war, denn der Tropfen war trüb gewesen und nicht rot.
Auch Francois hob den Kopf, erschrocken und wir alle starrten zum Stalltor.
Ich weiß nicht, wie die Menschen das große, schwere Gitte zum Hof überwunden hatten, aber die Tatsache, dass auf einmal Bauern mit Schlegeln, Sensen und Mistgabeln dort standen, erschreckte mich mehr als alles Andere, das ich zuvor gesehen hatte und verdrängte jede weitere Frage nach dem Wie. Nur das Warum beschäftigte mich.
Warum? Warum sprangen Francois und Josephine mit einem entsetzten Aufschrei aus dem Stroh? Warum hielt er sich die Hände vor den Schritt, als er zur Tür eilte? Ich folgte den beiden in den mit fremden, hasserfüllten, lauten und stinkenden Menschen gefüllten Hof und rief nach Maman, voller Furcht, ihr könnte etwas zugestoßen sein, und so nahm ich Francois' kurzen Blick kaum wahr, der mir etwas sagen sollte, etwas Bedeutungsschweres, das mein Schweigen erforderte.
Im Gewimmel der marodierenden Proleten schließlich fand ich Maman und Papa sowie meine Brüder und ich vergaß bald dieses seltsame Ereignis im Stall, denn dieser Tag war der letzte, den ich auf Avray-le-Puc verbrachte. Noch immer habe ich das Wehklagen von Maman in den Ohren, die jammerte, sie sei doch immer so gut zu ihren Pächtern, den Bauern und dem Gesinde gewesen. Wir mussten in unser Stadtpalais in Paris umziehen, während unser Schloss vom Pöbel geplündert wurde. Immerhin, so hatte uns mein Vater getröstet, waren wir mit dem Leben davongekommen und hatten nicht, wie so viele andere Adlige, den Kopf unter der Guillotine verloren.
Erst viel später verstand ich die wahre Bedeutung dieses Tages im Juli 1789. Die politische Bedeutung und die der Ereignisse im Stroh.
Die Männer führten mich durch den Urwald, und ich wusste, dass ihr Dorf nicht sehr weit sein konnte, da die Frau, von der ich annahm, sie habe die Männer über meine Anwesenheit informiert, in der kurzen Zeit nicht sehr weit hatte laufen können.
In der Tat erreichten wir nach nur wenigen Schritten eine große Lichtung. Vor uns stand ein Dutzend Häuser aus einfachem Holz, deren Dächer mit Palmblättern gedeckt waren. Sie standen teilweise so eng, dass sich die Dächer berührten.
Ich hörte Wasser rauschen, und tatsächlich erkannte ich eine weitere kleine, von einem niedrigen Wasserfall gespeiste Lagune, in der eine Handvoll nackter Menschen badete. Hinter dem Dorf ragte der Urwald auf und die Landschaft wurde hügeliger.
Kaum sahen mich die Dorfbewohner, unterbrachen sie jegliche Arbeit und rannten herbei, um mich zu begrüßen, mich zu berühren, sich vor mir auf den Boden zu werfen und mir die Füße zu küssen. Was mir sofort auffiel, war die völlige Abwesenheit von Kindern. Die jüngsten Menschen, die ich sah, hatten längst ausgeprägte Gemächte und schwellende Brüste, die sie, wie alle im Dorf, ungeniert und entblößt zur Schau trugen.
Meine Ankunft schien sich schnell herumzusprechen, denn immer mehr Menschen begrüßten mich, bejubelten meine Ankunft. Sie klatschten in die Hände, umarmten sich gegenseitig und lachten so glücklich, als sei ich der erste Europäer, den sie zu Gesicht bekamen, nein, als hätten sie darauf gewartet, mich zu sehen.
Durch das Dorf wehte ein kühlender Wind, der den Schweiß auf der Haut trocknete, aber mir war dennoch sehr heiß. Wie gerne hätte ich mein Kleid gelüftet, doch der Anstand hielt mich davon ab. Als Europäerin hatte ich eine Vorbildfunktion zu erfüllen, nicht zuletzt, um mich von den Wilden abzuheben.
Die vier Männer führten mich vor eines der Häuser. Wie so oft auf diesen Inseln war auch dieses Gebäude auf Stelzen gebaut. Statt Fenstern ließen lange Schlitze in den Seiten Licht und Luft in das Innere. Giebel und Dachfirst ragten weit empor. Eine kleine Treppe führte hinauf zu einem Eingang ohne Tür, neben dem ein seltsames Zeichen angebracht war, das aus einem Kreis und einem Strich bestand.
Der Kreis umschloss den Strich, so wie ein Ring einen Finger umfasste.
Einer der Männer rief etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie hatte Ähnlichkeit mit einem Dialekt, von Charles etwas kryptisch auch Palimpo genannt, und der auf vielen Inseln in Varianten immer wieder auftauchte. Ich verstand hier jedoch kein Wort.
Im Eingang des Hauses erschien ein großgewachsener, kräftiger Mann, der nichts am Leib trug und dessen Schädel glatt rasiert war. Er war eine seltsam alterslose und zugleich faszinierende Erscheinung, konnte vielleicht dreißig Lenze zählen oder weniger, vielleicht aber auch mehr.
Sein Körper ließ keinen Aufschluss auf sein Alter zu. Er war muskulös, glatt und von dieser faszinierend dunklen, bronzenen Tönung. Zwischen seinen Schenkeln, ich musste den Blick abwenden, so sehr ließ mich der Anblick erröten, beschämte mich diese direkte, primitive Sexualität, baumelte sein dicker, langer Penis.
Auch seine Begeisterung stand in nichts der seiner, und dessen war ich mir recht sicher, Untertanen nach, auch wenn sie etwas majestätischer ausfiel. Seine Augen wurden groß, er hob die Hände über den Kopf und neigte sich vor.
Sofort taten es ihm die anderen Dorfbewohner nach, und ich sah mich vergöttert, als sei ich eine fleischgewordene Gottheit.
Anschließend kam er die Treppe herunter. Ich wich beeindruckt einen Schritt nach hinten. Seine Begeisterung war in eine stumme Bewunderung umgeschlagen.
Der glatzköpfige Mann musterte mich mit seinen stahlblauen Augen, lächelte dabei und sagte etwas in seinem Dialekt. Seine Stimme war tief und meine Faszination