Umschlaggestaltung: © Copyright by Taiya Mikisch
Zugl.: Köln, Hochschule für Musik und Tanz, Diss., 2017
Verlag:
Taiya Mikisch
Am Kuttenbusch 31
50321 Brühl
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Danksagung
Mein herzlicher Dank geht an meine Familie und Freunde, die mich bei allen Schritten dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben.
Ein besonderer Dank an Yvonne Hardt, die den Arbeitsprozess stets konstruktiv mit vorangetrieben hat und mir fachlich ein großes Vorbild war.
Danke auch an alle Personen, die mir bei den Projekten, über die ich in dieser Arbeit spreche, großzügig die Türen geöffnet haben und die Forschung ermöglicht haben!
Danke an das Doktorandenkolloquium des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz für den kollegialen Austausch, sowie an Michael Rappe für die Begutachtung und Unterstützung.
Nicht zuletzt ein großes Dankeschön an Katarina Kleinschmidt für den fachlichen und freundschaftlichen Austausch.
1 Einleitung
Globalisierung ist ein zentraler Topos unserer Zeit. „Zweifellos kann man dieser Tage keiner Rede eines Politikers zuhören, keine Zeitung öffnen
... ohne dass dort dieser Begriff fällt. Globalisierung scheint allgegenwärtig zu sein.“{1} Der Begriff Globalisierung evoziert dabei viele verschiedene Assoziationen, oft geht es um Fragen nach Homogenisierung und Heterogenisierung,{2} immer spielen aber Ideen zu einer zunehmenden globalen Vernetztheit, zu Kontakt und zu verstärkten Bewegungen einflussreicher Faktoren und Zusammenhänge über Grenzen hinweg eine Rolle. {3}Tanz in Deutschland bewegt sich fast schon prototypisch in solchen globalen Zusammenhängen: „Tänzer leben beweglich. Das gehört zu ihrem Beruf. Und sie leben mobil. Wanderschaft ist wie bei kaum einer anderen Gruppe von Bühnenkünstlern Teil ihrer alltäglichen Seinsweise.“{4} Der Tanzkritiker und -wissenschaftler Franz Anton Cramer verweist hier auf zentrale Begriffe, die oft im Zusammenhang mit dem Begriff der Globalisierung angeführt werden: Bewegung und Mobilität. In verschiedenen Kunstrichtungen und eben auch im Tanz bringt diese allgegenwärtige „globalisierte“ Alltagswelt ein verstärktes Aufgreifen von Figuren wie beispielsweise Kontakt, Austausch oder Adaption mit sich. Zahlreiche Tanzschaffende und Tanz-relevante Institutionen in Deutschland schreiben sich zum Beispiel auf die Fahnen, sich mit „translokalen“{5}, „internationalen“{6}, „aus aller Welt“{7} kommenden, „transkulturellen“{8} oder auch „migrationsthematischen“{9} Themen, Settings und KünstlerInnen zu beschäftigen. Dieser Schwerpunkt erfährt bei vielen Fördereinrichtungen eine bevorzugte Gewichtung, wenn es um Projektfinanzierungen geht.{10}
Argumentativer Ausgangspunkt meiner Arbeit ist, dass es durch die starke Mobilität von TänzerInnen und die thematische Schwerpunktsetzung wie beispielsweise Migration und Interkulturalität in den letzten Dekaden einerseits zu einer gesteigerten Sichtbarkeit von Personen, Phänomenen, Techniken und Ästhetiken, die sich außerhalb einer europäisch ausgerichteten Tanzszene verorten lassen können, kam. Andererseits sind solche Themenstellungen und Grenzüberschreitungen immer auch gekennzeichnet von Hierarchien und Stereotypen.
In dieser Arbeit beschäftige ich mich aus postkolonialer Perspektive mit den Implikationen solcher Schwerpunkte in der aktuellen Tanzszene in Deutschland. Dafür habe ich ethnographische Forschungssequenzen in sechs Projekten in Deutschland durchgeführt. Praktiken, die ich im Kontext dieser Projekte bestimmen konnte, setze ich in Bezug zu gewachsenen, kolonial konnotierten Praktiken und Diskursen und untersuche sie auf Momente von Widerständigkeit hin.
Ethnographische Forschungssequenzen
Eine feuerrote Burka neben einer japanischen Teezeremonie. Zwei ivorische Performer, die zwei deutschen Schauspielern das Tanzen beibringen. Khon Tanz, Chipaos, museale Anordnungen von Barbiepuppen, Lampions aus China und echtem Menschenhaar. Junge ChinesInnen, die über China sprechen und Soli zeigen. Choreographische Verfahren, die komplexe Reflexionsebenen von Stereotypen und Eurozentrismen aufweisen, ein sehgeschultes Publikum, dass die Codes der Political Correctness beherrscht. Graphische Nebeneinanderstellungen verschiedener Metropolen auf Programmheften, multilokale Zuordnungen von Künstlerinnen und Künstlern. ZuschauerInnen, die Verbindungen zwischen „schwarzer Haut“ und „Ursprünglichkeit“ herstellen. Politische Strukturen und Stereotype, die nationale Grenzen, kulturelle Identitäten unüberbrückbar erscheinen lassen. Alles Momente aus Projekten, die sich mit Nationen, Kulturen, Identitäten beschäftigen, die „fremd“ konnotiert sind.
Ich habe in insgesamt sechs Projekten{11} ethnographische Forschungssequenzen durchgeführt.{12}
(1.) Im Rahmen des Tanzstückes BurkaBondage von Helena Waldmann,{13} uraufgeführt im Haus der Berliner Festspiele 2009. Waldmann ist eine Berliner Theaterregisseurin und Choreographin. Seit einigen Jahren setzt sie sich in ihren Arbeiten mit Reiseerfahrungen auseinander. In Deutschland besonders bekannt ist ihr 2005 uraufgeführtes Stück Letters from Tentland, in dem sie den iranischen Tschador thematisiert und damit zu einer zentralen Figur für die Beschäftigung mit sogenannten interkulturellen Themen in Deutschland wurde. In BurkaBondage setzt Waldmann Erfahrungen, die sie in Afghanistan und Japan machte, zueinander in Bezug. Sie bezieht sich hier auf die kulturellen Institutionen Burka, die afghanische, vieldiskutierte Ganzkörperbedeckung, und Bondage, eine japanische Fesselpraxis. Als Coach lud sie zur Erarbeitung des Stückes Monireh Hashemi, eine afghanische Regisseurin und Schauspielerin ein. Die Proben fanden im Sommer 2009 über drei Monate hinweg in Berlin Kreuzberg statt. Ich war als Regieassistentin beteiligt und entsprechend täglich im Produktionsprozess anwesend.
(2.) Im Rahmen des 2010 entstandenen Stückes Eleganz ist kein Verbrechen der Regisseurin Monika Gintersdorfer und des bildenden Künstlers Knut Klaßen, die zusammen das Kollektiv Gintersdorfer/Klaßen bilden. Beide bereisen seit vielen Jahren regelmäßig die Elfenbeinküste und arbeiten mit deutschen und ivorischen PerformerInnen zusammen. Eleganz ist kein Verbrechen wurde 2010 am Schauspiel Bochum uraufgeführt. In dieser Inszenierung befassen sich Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen mit den Mechanismen des Showbusiness in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste. Zwei deutsche und zwei ivorische Performer verhandeln auf der Bühne Kontaktmomente zwischen Deutschland und der Elfenbeinküste, indem sie ironisch mit Übersetzungsprozessen und Missverständnissen spielen. Hier war ich als Hospitantin anwesend und habe den größten Teil der Probenprozesse mitverfolgt.
(3.) Im Rahmen der Wiederaufnahme des ursprünglich in Köln und Beijing durchgeführten Projektes ChinaHairConnection des Choreographie- und Performanceduos Angie Hiesl und Roland Kaiser 2010 in Darmstadt. Hiesl und Kaiser beschäftigen sich in dieser Arbeit mit Eindrücken, die sie bei ihren Aufenthalten in China sammelten – mit besonderem Fokus auf ihrer langjährigen, künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Haar. Die Wiederaufnahme von Teilen der Originalinszenierung fand unter dem Titel Parts of – ChinaHairConnection bei der Tagung Neue Musik in Bewegung: Musik und Tanztheater heute des Institut für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt statt. Hierfür arbeiteten Hiesl und Kaiser mit einem Musiker, der bereits beim Hauptprojekt beteiligt war und einer Tänzerin, die sie neu für die Wiederaufnahme casteten. Beim Casting und bei den Proben in Köln und in Darmstadt war ich als Assistentin anwesend.
(4.) Im Rahmen der Endproben des Tanzstückes Look at me I’m Chinese von Jutta Hell und Dieter Baumann, die zusammen die Tanzcompagnie Rubato bilden. Look at me I’m Chinese wurde 2010 im Radialsystem in Berlin beim Festival Tanz im August uraufgeführt. Die ChoreographInnen Jutta Hell und Dieter Baumann setzen in diesem Stück ihre bereits seit 15 Jahren bestehende Arbeit in China fort. Sie beschäftigen sich mit der jungen Generation Chinas und erarbeiteten