Kapitel 5
Franz hatte die Konflikte der Familie Rolands hautnah miterlebt. Er litt selbst unter dem Konflikt, niemals wollte er, dass die Schweigertochter Reißaus genommen hatte. Selbstredend hatte den eigenen Anteil daran im Gedächtnis:
Ja, ich kann mir vorstellen, warum sie gegangen ist. Ich spüre immer noch meine sexuellen Triebe. Eine andere Frau sehe ich weit und breit keine. Ich kann auch kaum nachvollziehen, warum sie sich so ziert. Weiber mochten Zärtlichkeiten. Und jetzt? Sie lehnte ab. Dabei ist die garantiert scharf wie ein Messer. Einmal hatte ich sie beinahe soweit … dann kam Roland heim und sie zog ganz schnell ihre Klamotten wieder an. Das wäre ein nettes Schäferstündchen geworden. Musste der Kerl ausgerechnet in dem Augenblick, wo ich geil war und sie ausgezogen hatte, nach Hause kommen, vorzeitig und unangekündigt. Da hat er mir gründlich den Spaß verdorben. Renate hungert nach Aufmerksamkeit und Nähe. Das steht fest. Sie bekommt viel zu wenig von Roland. Der kann froh sein, dass sie noch bei ihm geblieben ist. Schäbig, warum sie ausgerechnet mich als Grund vorschiebt? Was habe ich ihr getan? Zärtlichkeiten gegeben, nach denen sie gelechzt hatte wie der Nomade nach Wasser. Jetzt bin ich pflegebedürftig und todkrank. Niemand muss sich verpflichtet fühlen, einen Arzt anzurufen, wenn es mir schlecht geht. Ich würde immer helfen. Leben ist etwas Schönes. Ich kämpfe um das größte Geschenk, das ein Mensch empfangen kann. Warum hat Renate ein Problem mit dem Geschenk? Oder hasst sie nur mich? Kann ich kaum vorstellen, als ich sie zärtlich verwöhnt hatte, war sie gelassen und genoss meine Streicheleinheiten. Ja, auch zwischen den Beinen. Frauen wurden als geschlechtliche Wesen erschaffen. Warum leugnet sie ihre Sexualität? Sie leidet unter ihrer Ehe. Sie warf mir vor, dass ich meinen eigenen Sohn hintergangen hätte. Ich? Und sie? Wenn, dann wir beide, dann soll Roland mit das vorwerfen und mich um eine Entschuldigung auffordern. Sie teilte diese Aktion.
»Roland. Ich habe nie gewollt, dass Renate abhaut, nie, hörst du? », sagte er Roland, der erschöpft von der Arbeit heimkehrte. Sagen ist übertrieben. Er presste jeglichen Laut, den er verbalisierte, aus dem verkrebsten Kehlkopf und hatte eine Maschine an der Gurgel, die den Sprechlaut verstärkte.
»Franz. Du kannst gut reden. Du liegst hier im Bett, dämmerst vor dich hin und wartest, bis deine Lichter ausgegangen sind. Ich habe noch ein paar Jahre vor mir. »
»Junge. Ich kann mich nur entschuldigen. Renate herzaubern schaffe ich nicht, ich vermisse Renate wie du auch. » Das Statement, das Roland wie eine billige Entschuldigung vorkam, machte ihn rasend.
»Du bist ein jämmerlicher alter Sack. Tu nicht so scheinheilig. Ich weiß, welchen Anteil du an der Scheiße hier trägst. » Diese ausfallenden Beleidigungen trafen den Alten ins Herz. Solche Worte hatte er nicht verdient. Das Leben spielte sich auf einer Kampfbahn ab. So verstand er es. Wer verloren hatte, beschimpfte andere.
»Hör mal, Junge. Du bist ein grottiger Versager. Sonst würdest du den Verlust Renates akzeptieren. »
»Ich ein Versager? Weil ich hart arbeite und du dich in der Zeit an meiner Frau vergriffen hast. »
Jetzt schwieg Franz. Roland hatte seine Eskapaden doch mitbekommen, das war ihm sehr peinlich. Er ertappte sich dabei, wie er Roland gründlich unterschätzte.
Franz legte sich auf die von Roland abgewandte Bettseite. Sich entschuldigen?
»Der soll ruhig wissen, dass er Renate einiges schuldig geblieben ist. Er sieht das anders, was soll`s? »
»Alter, hör zu«, begann Roland abfällig, »Vielleicht ist es besser, wenn du in ein Heim gehst. »
»Du vergisst den Vertrag. Kannst schon mal den Umzugswagen bestellen und den Kids klarmachen, dass sie ab nächsten Monat woanders wohnen. »
»Willst du mich erpressen? Wegen eines Fetzens Papier? »
»Erpressen nennst du, was ich Vertragstreue bezeichne. Du wusstest, worauf du dich eingelassen hattest. Also, verkauf das Haus und dann kannst du mich in ein Heim stecken. »
Roland schäumte vor Wut. Die Wut wechselte mit einer Trauer. Wegen des Wegzugs Renates, aber auch dem Leiden der Kids. Sie hielten die Spannungen nicht mehr aus. Er wusste nicht mehr ein und aus, er hatte noch keinen Plan. Den sollte die Zeit aufschreiben. Alles andere wäre unnötige Zeitverschwendung.
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