Vom Kriegsende bis nach der Wende - So war es damals. Gottfried Lehmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gottfried Lehmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847649007
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andere Männer im Ort als gefallen gemeldet wurden, ging diese Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Gemeinde. Erst heute kann man richtig einschätzen, was es für eine schreckliche Zeit für die Familien war, als die Männer in den Krieg an die Front geschickt worden. Als kleiner Junge habe ich nichts von der Angst der Eltern gespürt, ich hatte die Chance in meinem Elternhaus sorgenfrei ohne Angst aufzuwachsen, mein älterer Bruder wird das leider anders erlebt haben.

      Endlich wieder bei seiner Familie - Vater hat als Soldat Fronturlaub

       Bomben auf Adelsberg

      Bevor über Adelsberg Bomben abgeworfen wurden, flogen in sehr großer Höhe viele Fliegergeschwader der Amerikaner oder Engländer. Es gab eigenartigerweise vorher keinen warnenden Fliegeralarm. In großer Höhe sah man die Flieger als silberne Punkte mit weißen Kondensstreifen. Auch hörte man ein ganz tiefes Brummen am Himmel und die Leute schauten eigenartigerweise damals noch unbesorgt und ohne Angst zu. Man glaubte scheinbar nicht an eine Bombardierung, in Adelsberg gab es nur Landwirtschaft und keine Industrie.

      Von so einem Fliegergeschwader kam eines Tages etwas vom Himmel geflogen.

      Die Leute schrieen, da springt ein Pilot ab. Es stellte sich aber heraus, dass ein Aluminiumstreifen Paket nicht aufgegangen war. Diese Alustreifen sahen wie Silberfäden für den Weihnachtsbaum aus, schwebten normalerweise langsam vom Himmel und wurden zur Störung der deutschen Funkortung eingesetzt.

      Zu Hause hatten wir schon in größeren Abständen Fliegeralarm und da mussten wir zum eigenen Schutz in den Keller. Mutter erzählte mir, dass es nachts ein Problem war, mich wach zu bekommen, um mit mir schnell in den Keller zu flüchten. Ich war ja mit 6 Jahren schon viel zu schwer, um in den Keller getragen zu werden. Auch soll einmal gefragt haben, was passiert denn, wenn man eine Bombe genau auf den Kopf bekommt.

      Das Wort Tod, oder gefallen an der Front, war damals kein seltener Begriff, im Wortschatz der Erwachsenen. Später konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit Fliegeralarm sein. Akustisch warnte man mit Sirenenalarm die Bevölkerung vor anfliegenden Bomberverbänden. Bei einem bekannten auf und abschwellenden Ton, musste man sofort zum eigenen Schutz in den Keller zu rennen. Bei dem späteren Entwarnungston der Sirene, konnte der Keller verlassen werden und die Gefahr war dann vorbei. Die Bewohner die keinen Keller hatten suchten andere Keller oder Luftschutzräume auf. Die waren äußerlich gekennzeichnet mit der Abkürzung LSR, mit weißer Farbe und großen Buchstaben war die Abkürzung an Häuserwände gemahlt.

      Auch bei uns waren nach dem Fliegeralarm alle Hausbewohner jedes Mal verängstigt. Sie hatten bei der Flucht in den Keller, ihre wertvollsten Habseligkeiten in einen oder zwei Koffern mitgenommen und entsprechende praktische Kleidung an. Jeder musste bei dem Einsatz von Brand- oder Sprengbomben damit rechnen, nie wieder in seine Wohnung zu kommen.

      Ingespannter Atmosphäre saß man untätig da und versuchte nach den Erschütterungen und Geräuschen zu urteilen, was Passiert draußen in der Nachbarschaft.

      Die Menschen waren eigentlich sehr diszipliniert aber hatten auch Angst und wir Kinder hatten uns schon an vieles gewöhnt. Wir waren mit anderen Hausbewohnern, nach dem Sirenenalarm und der möglichen Gefahr natürlich vorher in den Keller geflüchtet. Dort brannten nur wenige Glühbirnen und für den Fall das der Strom ausfiel, gab es auch noch brennende Hindenburglichter. Sie sahen wie große Teelichter aus, waren mit Talg getränkte Pappe und sehr stabil. Der Docht war sehr dick und wurde von einem Blech gehalten.

      Mit Wachsresten konnte man sie immer wieder auffüllen. Bekannt waren sie schon im 1. Weltkrieg und hatten dort den Namen des Generals und späteren Reichspräsiden Hindenburg erhalten.

      Am 14.02.1945 war ein Bombenangriff auf den Chemnitzer Rangierbahnhof Hilbersdorf geplant, dass hat man in englischen Archiven gelesen. Die Flieger hatten scheinbar ihr vorgesehenes Angriffsziel in Chemnitz verfehlt und luden ihre Bomben auf das ländliche Dorf Adelsberg ab. Abends etwa 20 Uhr wurde unser Haus, ein großes Haus für viele Familien, durch Fliegerbomben getroffen. Alles brannte, auch die im Umkreis anderen drei zusammen stehenden Gebäuden. Über den Luftschutzwart erfuhren wir im Keller das Gebäude brennt. Das Haus wurde mit Phosphorkanistern und Brandbomben bombardiert. Um dort nicht zu ersticken oder verschüttet zu werden, mussten wir bei brennendem Gebäude aus dem Keller raus flüchten. Alle hatten ein feuchtes Tuch vor Nase und Mund, um den Luftstaub abzuwehren. Als Schutz vor dem flüssigen Phosphor, der am Gebäude wie Regenwasser herunter lief, bekamen wir eine Decke über den Kopf, die man bei Bedarf brennend abwerfen konnte.

      Ich war damals 6 Jahre und 3 Monate alt.

      Wir liefen, meine Mutter, mein älterer Bruder und ich, auf einem Feldweg in den nahen Wald. Auf den nassen Wiesen rechts und links zischten die Brandbomben. Es war zeitweise gespenstisch taghell, weil die Flieger zur besseren Sicht an kleinen Fallschirmen hängend, Magnesium Fackeln abwarfen, sie sahen wie brennende Christbäume aus.

      Unsere Mutter war im 9. Monat hochschwanger und hatte nur zwei kleine Koffer mitnehmen können. Wir sahen von weitem die vielen Häuser brennen und aus unserem Schlafzimmerfenster kamen auch die Flammen heraus.

      Eigentlich hatte ich keine Angst, unsere Mutter sehr gefasst und tapfer eigentlich selbst hilflos, vermittelte mir mit ihrer Anwesenheit ein Gefühl der Sicherheit. Ob es meinen fünf Jahre älteren Bruder auch so ging, möchte ich bezweifeln. In dieser Nacht schlief ich in einem fremden Bett, mit rot weiß kariertem Bettzeug, kann ich mich erinnern.

      Eine fremde Familie hatte uns in unserer Notlage aufgenommen.

      In der gleichen Nacht gab es nochmals Fliegeralarm und Bomben auf Adelsberg, einzelne Familien mussten dann zum zweiten Mal aus einem brennenden Haus flüchten oder mussten sterben. Am nächsten Tag sahen wir den schwelenden und rauchenden Schuttberg unseres ehemaligen Wohnhauses. Es war wenig übrig geblieben, scheinbar war es ein Fachwerkhaus und vieles aus brennbarem Holz. Jugendliche haben noch kleine unbedeutete Flammen mit einer Kübelspritze gelöscht, wenige Minuten später brannten sie wieder selbständig an. Das ist so bei Phosphor, sagte man damals.

      Außer den zwei kleinen Koffern voll Habseligkeiten und unserer Kleidung am Körper, konnten wir nichts vor dem Feuer retten.

      Die abgebrannten ehemaligen Wohngebäude.

      Die Kellerräume waren keine sicheren Räume vor einschlagenden Bomben. Wirklich schützen konnten sie ihre Insassen nicht und bei schweren Bombentreffern verwandelten sie sich schnell in Todesfallen. Die Sicherheit im Hauskeller war trügerisch und die Insassen wussten das meistens auch. Nur ein brennendes Haus war weniger gefährlich, weil es langsam und verzögert zusammenfällt. Viele hatten weniger Glück, bei Sprengbomben Treffer da viel in Sekundenschnelle das ganze Haus zusammen und alle, auch die im Keller saßen, konnten verschüttet werden oder erstickten. In dem kleinen Dorf Adelsberg starben insgesamt über 50 Personen durch die Fliegerbomben. Zwei Tage nach der Bombennacht fuhren wir zu Mutters Schwester nach Klaffenbach, einem jetzigen Chemnitzer Ortsteil und wohnten dort bis 1949.

      Ausschnitt eines Briefes meiner Tante vom 20.02.45 zu

      ihren Mann, meinen Onkel an die Kriegsfront:

      Erna hat 8 Stunden unter den Trümmern gesteckt und

      die Hand ihres toten Hansel gehalten.

      Weiterer Ausschnitt eines Briefes meiner Tante zu ihren Mann an die Kriegsfront:

      am Mittwoch war ich zur Beerdigung 23 Tote. 20 bekamen ein Massengrab 3 Schmidts

      für sich. Mir tut die arme Erna furchtbar leid. Vom Hans keine Nachricht und Hansi tot.

      Wenn man durch den Ort geht, es reißt einen