Auch bei Twitter kehrt nie die stille Dunkelheit der realen Nacht ein. Ob Nobelpreisträger, Sternchen, Topmanager oder Regierungsmitglieder, ganz egal, sie alle teilen ihr Leben mit zigtausend anderen. Sie schwärmen, sie dichten, sie fragen. Die Mitteilungswut ist fantastisch. „Die Sonne scheint, mir geht es gut! Und wo bist du?" „Ich stehe im Stau und schwitze wie 'ne Sau." „Soll ich den Job machen - oder nicht?" „Wie mache ich Spaghetti-Bolo(gnese) ohne Fertigtüte?" „Elendes Fett. Habe es dieses Jahr wieder nicht geschafft, in Bikiniform zu kommen."
Heute will ich mir an vielen Orten und bei vielen Gelegenheiten die Ohren zuhalten.
Im Internet ja sowieso, aber auch in der realen Welt, im Zug und am Flughafen. Aufgrund der beschränkten Möglichkeiten, wegzuhören oder -zulaufen, schwappt die Nonsens-Welle über einen hinüber. Es bleibt nur noch Fremdschämen bei so viel Mitteilungsbedürfnis: Der eine erzählt, dass seine neuen Schuhe zu Schweißfüßen führen, die andere lästert über ihre Chefin, der Dritte schwärmt von der jüngsten Sause auf Firmenkosten, die Vierte gibt Abspeck-Tipps und erklärt Spesen-Tricks. Da denken nicht nur Vielreisende: Ein Königreich für Ohrstöpsel.
In den Feuilletons wird wegen Internet und Piratenpartei in geübter Tradition über den „Tod des Autors" diskutiert. Meines Erachtens geht es eher um den Verlust des Inhalts. Das Kasperle'sche Geplapper ist allüberall. Und der Nonsens wird nicht geflüstert, sondern mit dem Internet wie mit einem Megafon in die Welt geschrien.
Erschienen am 01.06.2012 im Handelsblatt
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