Ich frage Manfred, ob es nicht doch einen Weg gibt, diese Kolonie zu besuchen. Kann ich nicht mit einem Lieferanten fahren? Oder irgendwie als Besucher dorthin gelangen?
Mein Freund hat sich bereits eine neue Pfeife gestopft. Nun nimmt er ein Streichholz. Manfred kann vermutlich beim Stopfen, Anzünden und Rauchen seiner Pfeife am besten denken. Ihm scheint nun tatsächlich etwas einzufallen. Er kratzt sich am Kinn.
»Vielleicht gibt es doch eine Chance.«
Jetzt bin ich gespannt.
»Am dritten Adventwochenende geben sie im Eichengrund ein Rockkonzert.«
»Und da könnte ich hin?«
»Vielleicht. Wir könnten versuchen, dich dort einzuschleusen. Das Konzert ist nicht öffentlich, wie wir es verstehen. Aber es ist für völkische Siedler und Sympathisanten in ganz Norddeutschland. Da kennen sich zwar viele, aber nicht alle untereinander. Mit solchen angeblich modernen Veranstaltungen soll Unterschiedliches erreicht werden. Die Siedler wollen zeigen, dass ›Erneuerte Heimat‹ eine ganz normale Jugendarbeit macht. Sie wollen ihren jüngeren Mitgliedern gelegentlich etwas bieten, damit die bei der Stange bleiben. Und natürlich sind solche Konzerte auch eine gute Möglichkeit, ihre Hassbotschaften sowie aktuelle Verschwörungstheorien zu verbreiten. Aber vor allem: Die Siedler wollen angeworbene junge Leute Stück für Stück integrieren und an sich binden.«
»Aber wenn ich da hingehe? Falle ich da nicht auf? Ich bin Mitte Fünfzig!«
Manfred schaut mich grinsend an. »Stimmt, du fällst auf. Du siehst auch einfach nicht völkisch genug aus!«
Mein Gesichtsausdruck amüsiert ihn jedenfalls. Ich ahne Schlimmes.
»Aber das kriegen wir hin. Einen flotten Faconschnitt, etwas Gel, andere Klamotten ...«.
Oh je.
»Was wichtiger ist: Du brauchst eine völkische Identität.«
»Und wie soll das gehen? Einen Ariernachweis wird mir der Landkreis ja wohl kaum ausstellen.«
Manfred lacht. »Nicht nötig. Ich stelle dir einen deutschen Sohn zur Seite. Du begleitest ihn als besorgter Vater. Du bist AfD-Mitglied und warst mal in der NPD. Das müsste als Identität reichen.«
Welch ein verrückter Plan!
*
Als ich zurückfahre ist es zwar erst halb acht, aber stockdunkel. Den Wald rechts und links sehe ich nicht mehr. Ob schwarz oder grün spielt in der Dunkelheit keine Rolle. Wenn ich etwas nicht sehe, macht es mir auch keine Angst.
Irgendwo dort hinten liegt der Eichenhof. Wie mag es dort aussehen? Was mag dort gerade geschehen? Ich habe fast keine Vorstellungen davon.
Ich erinnere mich an gestern Abend und nehme meinen Fuß vom Gas. Wenn schon im Stadtwald der Kreisstadt Wölfe auftauchen, wie viel wahrscheinlicher dann hier in der Wildnis? Und wenn es keine Wölfe sind, dann Rehe, Wildschweine, Dachse, Füchse, Hasen oder schwarze Katzen – egal, ich gönne allen, dass sie weiterleben! Mir selbst am allermeisten.
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