Andran und Sanara. Sven Gradert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sven Gradert
Издательство: Bookwire
Серия: Band 1&2
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750220812
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„Wie hat er es hinbekommen, zum König ernannt zu werden? Eine Monarchie widerspricht allem, wofür Kushtur steht. Wieso hat der Rat der Magier nichts dagegen unternommen. Gibt es den Rat überhaupt noch?“

      „Oh doch,“ brachte Gil seufzend hervor: „Den gibt es noch. Jedoch nur zum Schein. Seid ihr euch damals öffentlich gegen Harun aufgelehnt und ihm die Stirn geboten habt, scheint er panische Angst davor zu haben, dass es fähige Nachahmer geben könnte. Die Mitglieder des jetzigen Rates sind ein einziger Witz. Keiner von ihnen könnte es mit einem Novizen im zweiten Jahr aufnehmen, der eure Ausbildung genießen würde.“

      Vitras zog fragend die Augenbrauen zusammen: „Was ist mit Meister Gerlain?“

      „Tot!“ Erwiderte Guillaume trocken: „Man fand ihn eines Morgens mit gebrochenem Genick in der großen Bibliothek. Genauso wie Meister Brehm und seine Schülerin Mai, von der man annahm, dass sie es eines Tages zur Kriegszauberin bringen würde.“

      „Alle mit gebrochenem Genick in der Bibliothek?“ Hakte Vitras ungläubig nach.

      „Nein, nein. Entschuldigt. Meister Brehm und Mai sind ertrunken als sie den Haktur überqueren wollten.

      „Du willst mir allen Ernstes weismachen, dass ein Magier, der die rote Robe trägt und eine Meisterschülerin, die das Potential zur Kriegszauberin hat..., dass die einfach so im Haktur ertrinken?“

      Gil zuckte hilflos mit den Schultern: „Es geht noch weiter... sämtliche Mitglieder des Rates sind unter kuriosen Umständen verstorben. Harun hat sie nach und nach durch Magier ersetzt, die ihn niemals gefährlich werden könnten. Außerdem wisst ihr so gut wie ich, dass Harun die Fähigkeit der Demagogie zu einer reinen Kunstform erhoben und perfektioniert hat. Es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Marionetten im Rat ihn unter dem Beifall der gesamten Bevölkerung zum König ernannt haben.“

      „Wie haben denn die umliegenden Königreiche und Fürstentümer darauf reagiert?“ Fragte Vitras neugierig: „Wie hat sich beispielsweise Fürst Beldere verhalten, als er von der Ernennung Haruns zum König erfuhr?“

      „Kurz nach den Krönungsfeierlichkeiten sind Fürst Beldere und sein Bruder bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Die Fürstin und ihr ältester Sohn wurden wenig später vergiftet. Daraufhin erschien Harun im Fürstentum, verkündete sein tiefstes Bedauern und sorgte dafür, dass der dreijährige Benedikt als neuer Fürst inthronisiert wurde. Als nächstes stellte er Benedikt großzügig einen seiner Magier als Berater und Vaterersatz zur Seite.“

      Vitras verdrehte voller Abscheu die Augen: „Damit hat er das größte der anliegenden Fürstentümer in seine Gewalt gebracht.“ Die Abscheu die Vitras gegen Harun hegte wuchs immer mehr, obwohl er lange Zeit glaubte, dass dies gar nicht mehr möglich wäre. Er ging zur kleinen Anrichte und schenkte sich und Gil einen Becher Wein ein:

      „Dann denke ich mal,“ fuhr er spöttisch fort: „Das meine Abwesenheit Harun nicht länger zufrieden stellt und ich nun meiner fröhlichen Hinrichtung in Kushtur entgegenblicken darf. Wollen wir darauf trinken?“

      Gil nahm dankbar den Becher entgegen, den Vitras ihm reichte. Er nahm einen kräftigen Schluck bevor er auf die Vermutung des Kriegszauberers einging.

      „Ihr irrt euch Meister Vitras!“

      Wieder diese förmliche Anrede, schoss es Vitras kurz durch den Kopf.

      „Harun benötigt eure Hilfe!“

      „Soll das einer deiner komischen Scherze sein Gil?“

      Anstatt zu antworten schüttelte Guillaume lediglich leicht seinen Kopf.

      „Harun kann nicht ernsthaft glauben, dass ich jemals gewillt wäre, ihm in irgendeiner Art und Weise zu helfen. Das muss dir doch auch klar sein! Ich würde nicht einmal ein einziges Wort mit ihm wechseln!“

      „Das solltet ihr aber Meister Vitras!“ Guillaumes Gesichtszüge bekamen urplötzlich eine ungewöhnliche Härte:

      „Es geht um die Prophezeiung der Zwei die Eins sein müssen!“

      Vitras wurde leichenblass. Tantras hatte ihn vorgewarnt. Aber was wusste Harun?

      „Die Zwillinge sind geboren!“ Stellte Guillaume nüchtern fest.

      „Sie müssen Göttliches und Königliches Blut in sich vereinen.“ Versuchte Vitras seinen Freund zu belehren.

      „Oh, das tun sie,“ führte Gil weiter aus: „Ihr Vater ist niemand geringerer als Godvere Garien. Der Herrscher des Darkanischen Reiches. Die Mutter eine Halbgöttin namens Morna. Angeblich ist sie die Tochter von Mirna, der Göttin der Gerechtigkeit. Von Mornas Vater ist nichts bekannt, außer dass er ein Sterblicher ist.“

      Vitras entspannte sich ein wenig. Harun wusste somit noch nicht, dass er der Vater Mornas war. Ansonsten wäre das Todesurteil für seine Enkelkinder längst gefällt. Es war stets sein größter Albtraum, dass Harun von seiner Tochter erfahren könnte. Nun gab es zwei weitere Leben, um die er sich über alle Maßen Sorgen machte.

      Guillaume bemerkte sofort, den plötzlich aufgewühlten Zustand seines Freundes. Er wusste von Vitras Abenteuern im Hohen Norden und kannte auch so einige seiner Geheimnisse. Von dem Aufeinandertreffen des Kriegszauberers mit Mirna, wusste niemand außer den Göttern.

      „Ich begreife nicht,“ fuhr Vitras fort: „Was Harun bezüglich dieser Prophezeiung von mir erwartet. Abgesehen davon... seit dem Vorfall mit Zara ist die Feindschaft offen zwischen uns ausgebrochen. Er hat geschworen, mich zu vernichten.“

       Der Kriegszauberer dachte an die stolze, kämpferische Frau mit den roten raspelkurzen Haaren zurück. Sie war eine der ersten Kriegerinnen, die als Offizierin in der Palastgarde gedient hatte. Die Schwierigkeiten begannen, als sie zur Leibgarde Harun Ar Sabahs versetzt wurde. Zara besaß ein ausgeprägtes Ehrgefühl sowie einen starken Sinn für Gerechtigkeit. Diese Eigenschaften sorgten dafür, dass sie Harun abgrundtief verabscheute. Eines Tages verlangte Harun von ihr einen Bauern zu töten, der sich erdreistet hatte dem Rat seine Not vorzutragen, für die der Bauer Harun verantwortlich machte. Zara weigerte sich und brachte sogar den Mut auf, Harun zu drohen. Zu dieser Zeit war der Rat noch nicht mit seinen unfähigen Speichelleckern besetzt und der Kriegszauberer musste sich durchaus vor ihm verantworten. Harun bekam einen Tobsuchtsanfall, versah Zara mit falschen Anschuldigungen und ließ sie verhaften. Daraufhin wurde sie ihres Ranges als Offizierin enthoben, unehrenhaft aus der Garde entlassen und wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Am Tage der Hinrichtung, stellte sich Vitras, Harun Ar Sabah in aller Öffentlichkeit entgegen. Er befreite Zara auf dem Hinrichtungsplatz und tötete dabei sechzehn Soldaten von Haruns persönlicher Garde. Vitras und Harun gingen mit ihren geballten magischen Kräften aufeinander los. Vitras gewann schnell die Oberhand und war kurz davor, seinen Kontrahenten zu töten. Doch dem magischen Rat gelang es in letzter Sekunde, den Kampf zwischen den beiden Kriegszauberern zu beenden. Insgeheim, stand der gesamte Rat hinter Vitras und konnte seine Handlungen nachvollziehen. Aber die öffentliche Ordnung musste aufrechterhalten werden und Vitras hatte an nur einem einzigen Tag gegen nahezu sämtliche Regeln verstoßen, die der Rat sich selbst auferlegt hatte. Um Vitras Leben zu retten, blieb den Mitgliedern des Rates nichts anderes übrig, als ihn in die Verbannung zu schicken.

      „Was ist eigentlich aus Zara geworden?“ Brachte Guillaume neugierig hervor. Vitras zuckte leicht mit den Schultern:

      „Das einzige was ich weiß, ist das sie nach Norden gegangen ist. Immerhin musste sie fliehen. In Kushtur war sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihr Schwert in den Dienst irgendeines Fürsten gestellt hat. Ein normales Leben mit Mann, Kindern, Haus und Hof kann ich mir bei ihr wahrlich nicht vorstellen.“ Bei diesem Gedanken musste der Kriegszauberer unwillkürlich schmunzeln. Er drehte den inzwischen leeren Becher in der Hand und wandte sich der kleinen Anrichte zu, um ihn darauf abzustellen. Dabei blickte er wieder aus dem Fenster und beobachtete die Soldaten, die dabei waren eine Mahlzeit aus Brot, Dörrfleisch und Käse zu sich zu nehmen. Nicht wenige von ihnen waren beständig am Fluchen, da ihre gesamte Ausrüstung durch das Unwetter klitschnass geworden war. Nachdenklich wandte sich Vitras wieder seinem Freund zu: