Ah ja, Vampire und ihre Fähigkeiten.
„Fühl dich wie zuhause, Sam. Wenn du etwas brauchst, musst du nur rufen.“ Ein schlanker Mann Ende Vierzig, mit dichtem schwarzen Haar erschien so leise, dass ich zusammenzuckte. Er begrüßte Roman ehrfürchtig. Mit einer tiefen Verbeugung, die beinah aussah, als würde er seine Knie küssen. Roman gab dem Angestellten diverse Anweisungen, die allesamt mein Wohlbefinden betrafen. „Verzichte bitte auf ein Bad oder eine Dusche. Wenigstens heute, sonst werde ich dir dabei Gesellschaft leisten müssen. Oder Edgar.“ Oh… er würde nackt… mit mir… unter der Dusche stehen? Oder in der Wanne sitzen? Njamm! Also Roman… nicht Edgar. Nun, wenn er das anbot, hieß das, er hatte keine weiblichen Angestellten.
Oder es lag in seiner Absicht, mich zu verunsichern.
Zugegeben: Dieses Haus kannte ich bisher nur von außen. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich in dem anderen je eine Frau bemerkt hatte. Hm … gesehen hatte ich keine. Das hieß jedoch nicht, dass er keine in seinem Schlafgemach versteckte.
Noch immer hielt Roman mich fest an sich gedrückt. Wahrscheinlich wusste er, dass ich sonst zusammenklappen und den Boden aus nächster Nähe betrachten würde. „Willst du dich lieber setzen?“ Ich nickte; froh, dass Roman mich langsam auf die Couch sinken ließ.
Nur eine Minute später läutete es.
Edgar vermeldete kurz darauf Besuch. Solchen, dem ich auf gar keinen Fall unter die Augen treten wollte. Jegliche Farbe verließ mein Gesicht. Mein Herz begann abrupt eine Rallye gewinnen zu wollen – war bestimmt ungesund. Eigentlich wollte ich Alan die Meinung geigen. Ihm in den Arsch treten.
Doch im Moment war ich dafür kaum in der Verfassung.
Gleich recht nicht für seine verbalen Attacken, die definitiv kämen.
„Ich kann ihn wegschicken, wenn du willst.“ Warum sollte er das tun? Alan war sein Freund, oder nicht?
Irgendwie.
Immer noch.
Glaubte ich.
Mein Stirnrunzeln begleitete ein zaghaftes Kopfschütteln. Alan und ich waren lang genug getrennt. Doch nach wie vor bereitete es mir kein Vergnügen ihn zu sehen. Selbst wenn mein Herz in Romans Nähe oft genug ein wenig schneller schlug – es schlug nicht so schnell wie in Alans.
„Nein, musst du nicht. Wenn du mich nur in ein anderes Zimmer bringen …“ Ich musste nicht aussprechen, was ich fühlte. Erneut zog mich Roman in seine Arme und zappte uns in eins der fürstlichen Gästezimmer. „Ich schicke Edgar gleich zu dir. Sag ihm, was du essen möchtest und rufe nach ihm, wenn du etwas anderes brauchst. Einfach das Telefon dort nehmen und die eins drücken.“ Ich nickte und wollte mich bedanken, aber da war er schon verschwunden.
Edgar kam tatsächlich fast im selben Moment, doch ich hatte keinen Appetit. Er versicherte mir, ich bräuchte nur zu rufen und er käme sofort zu mir geeilt. Dankbar, dass er mich allein ließ, fiel ich zurück aufs Bett und starrte Gedanken verloren an die Decke.
Ich machte mir nichts vor. Alan war unten bei Roman, und ich konnte davon ausgehen, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte, wenn er mich sah. Ich hingegen hätte einen Kloß im Hals gehabt und wäre todsicher in Tränen ausgebrochen. Zumindest fühlte ich mich so. Wieso hatte ich mich auch in ihn verlieben müssen? Verdammt, hätte Roman sich nicht eingemischt…
Super, ich heulte.
Das war doch zum Kotzen!
Als mir gegen zehn die Augen zugefallen waren, war Alan immer noch da gewesen. Ich hatte ihn lachen gehört – obwohl ich mich im ersten Stockwerk befand. Wütend hatte ich mich in die Kissen gedrückt, so dass es herrlich still wurde und bis eben durchgeschlafen.
Die Sonne schien hell und zauberte mir ein kleines, wehmütiges Lächeln aufs Gesicht. Langsam stand ich auf, vorsichtig testend, ob meine Beine mich wieder trugen. Jepp, alles wieder beim Alten. Sehr schön.
Ohne Eile lief ich ins Bad, machte mich frisch und zog mir neue Sachen an. Edgar hatte mir gestern Abend welche gebracht. Woher die waren, wollte ich gar nicht wissen. Hauptsache sie passten.
Beschwingt verließ ich das Zimmer und hüpfte froh gelaunt die Treppen hinunter. Ich war topfit, nichts schmerzte. Was auch immer mich ausgeknockt hatte, es ging mir wieder wunderprimaprächtig. „Guten Morgen. Möchten Sie frühstücken?“ Edgar. Den hatte ich ganz vergessen. „Ja, das wäre nett.“ Er verbeugte sich leicht vor mir und wies mich an, im Salon Platz zu nehmen. „Ist dort noch jemand?“ Edgar verneinte. „Darf ich dann in der Küche essen?“ Hui, seine Augen wurden riesig. Er nickte wohlwollend, wobei ein kleines Lächeln um seinen Mund bis zu den Fältchen um seine Augen huschte. „Wenn Sie das möchten? Folgen Sie mir.“ Und ob ich das wollte. In dem riesigen Salon käme ich mir mutterundvaterseelenallein völlig verloren vor.
Frischer Kaffeeduft kitzelte meine Nase, als ich Edgar in die Küche folgte und er mir einen Platz an dem kleinen, gemütlichen Tisch bot. „Haben Sie schon gefrühstückt?“, fragte ich, als er mir eine Tasse einschenkte. „Nein, ich esse später.“ Hm. Dabei wäre es viel netter, wenn er sich zu mir an den Tisch setzen würde. „Leisten Sie mir doch Gesellschaft. Allein zu essen ist nur halb so amüsant. Es sei denn, ich halte sie damit von ihrer Arbeit ab.“ Obwohl er ein Mann war, erinnerte mich sein warmes Lächeln an das meiner Oma. „Sehr gern.“
Er deckte den Tisch für zwei und nahm mir gegenüber Platz. Während wir gemeinsam frühstückten, plauderten wir. Eine recht angenehme Unterhaltung. Etwas, was ich in letzter Zeit immer mit Roman in Verbindung brachte. Erst durch ihn selbst, dann durch sein Einmischen mit meiner Mutter und jetzt sogar mit seinem Angestellten. Ich erfuhr, dass Edgar seit etwa einem Jahr für Roman arbeitete und ich in dieser Zeit die erste Frau war, die dieser je in sein Haus geholt hatte.
Zumindest über Nacht.
Roman gab gern Partys, was mir nicht neu war, aber keiner seiner weiblichen Gäste übernachtete. Ähm, hatte ich einen Sonderstatus? Ach ja, wie hatte er gesagt? Er sah in mir eine kleine Schwester.
Das erklärte einiges.
„Na sieh mal einer an. Dich hätte ich hier nicht erwartet. Edgar, lassen Sie uns kurz allein?“
Oh nein, um Gottes, Jesus, Marias und Himmels Willen, bitte, gehen Sie nicht!
Doch Edgar erhob sich, nickte mir aufmunternd zu und verließ die Küche. Meine gute Laune ertränkte sich im Kaffee. „Lässt du dich jetzt von Roman vögeln?“
Was war sein gottverdammtes Problem?
Ich überlegte, was ich antworten sollte, während ich kaute und das Brötchen hinunter schluckte. „Guten Morgen, Alan.“ Ich musste seine Unterstellungen nicht beantworten. Sollte er doch denken, was er wollte. Warum war er eigentlich schon wieder hier? Wohnte er jetzt bei Roman oder hatte er übernachtet? Schätzungsweise Letzteres. Wenigstens musste ich ihn nicht ansehen. Ich dachte nämlich nicht im Traum daran, mich zu ihm umzudrehen, sondern widmete mich weiter meinem Frühstück. Hoffentlich fiel ihm nicht auf, dass meine Hände zitterten. Meine Beherrschung hing an einem sehr dünnen Fädchen. Die Genugtuung, diese in seiner Gegenwart zu verlieren, würde ich ihm nicht bieten.
Soviel dazu, ihm kräftig in den Hintern zu treten. Immerhin hatte ich mir das nach seinem blöden Alphabiss fest vorgenommen.
„Willst du meine Frage nicht beantworten?“ Nonchalant zuckte ich mit den Schultern. „Nein.“ Er schnaubte hämisch. Denk doch, was du willst! „Hätte ich geahnt, dass du auf gröberen Sex stehst, hätte ich dir den auch geboten. Vielleicht wäre ich dann sogar in dir gekommen. Es ist mir nach wie vor schleierhaft, wie du es