Seine dortige Begrüßung wurde begleitet von einem anklagenden Stirnrunzeln. „Du siehst schrecklich aus. Was ist passiert?“ Ich seufzte. „Bin gegen eine parkende Kuh gerannt.“ Vine lachte leise. „Wohl eher ein parkender Wer, hm? Schon gut, ich behalte es für mich.“ Wusste er es oder war es geraten?
Dankbar nickend nahm ich seinen mir angebotenen Arm an und schlenkerte mit ihm durch den Park. Dabei stellte ich meine Fragen. „Du willst wirklich für ihn arbeiten? Obwohl er dich dermaßen zugerichtet hat?“ Mein unglückliches Schnauben sagte alles. Trotzdem sprach ich es aus. „Von ‚wollen‘ kann keine Rede sein. Er lässt mir keine andere Wahl.“ Vine versuchte nicht, mir zu erklären, dass es immer eine andere Möglichkeit gäbe. Das mochte durchaus auf rein menschliche Beziehungen zutreffen, aber nicht, wenn sich verschiedene Spezies über den Weg liefen. Er versprach sich umzuhören. Ich beglich die Kosten, die ich für seine Dienste zu zahlen hatte und verabschiedete mich von ihm.
Wow! Wir hatten fast eine Stunde geredet.
Das wurde mir erst bewusst, als ich die Rathausuhr läuten hörte. Aber heimgehen wollte ich noch nicht. Das angenehme Wetter inspirierte mich zu einem gemütlichen Schlendern durch die Stadt, wobei ich die Blicke der Passanten ausblendete. Besonders die der Andersweltler. An einer Apotheke blieb ich stehen, zögerte kurz, ging dann aber doch hinein, um mir ein stärkeres Schmerzmittel zu kaufen. Das Pochen in meinem Gesicht war unangenehm. Ebenso das in der Schulter. Weswegen sollte ich mir die notwendigen Dinge versagen? Ich war kein Held. Und ich stand absolut, überhaupt, definitiv und so was von gar nicht auf Schmerzen! Vielleicht wären die kleinen Dinger sogar dermaßen gut, dass auch mein Herz endlich aufhörte den sterbenden Schwan zu mimen. Ich brauchte Alan nicht. Ich verstand nicht, warum ich immer noch an gebrochenem Herzen litt, obwohl Alan sich wie ein arroganter Widerling aufführte.
Wie schön wäre es, wenn dieses Gefühl einfach verschwinden könnte.
So wie damals bei mir und Humphrey. Oder bei Roman und seinem Rachedurst wegen des Todes seiner Geliebten. Doch leider funktionierte diese Magie nur zwischen Briam und Saphi – hatte mir Roman erst kürzlich erklärt. Nicht zwischen movere und Wer. Echt doof!
Das Taxi hielt vor meinem Haus.
Direkt neben einem schnittigen Sportwagen, der mir sehr bekannt vorkam. Alan konnte ich nirgends entdecken.
Schnell bezahlte ich, wie üblich bei automatisierten Taxis mit meiner Kreditkarte, stieg aus und lief mit klopfendem Herzen zur Haustür.
Wartete Alan unten vorm Fahrstuhl oder oben?
Tja, unten war er nicht. Und als ich oben aus dem Lift stieg, konnte ich ihn auch nirgends entdecken.
Vielleicht zählte er aus lauter Langeweile die Trepp…
Was ist das denn? Okaaaay, also das war ganz sicher nicht auf Alans Mist gewachsen. Abgesehen vom normalen Türschloss gab es eine magische Falle, die ich nicht nur deutlich spüren, sondern sogar sehen konnte. Direkt an der Tür! Außerdem an der Klingel sowie am Türknopf. Sollte mich das aufhalten oder bewegungsunfähig machen? Ich klingelte nicht an meiner eigenen Wohnungstür. Aus reiner Neugierde sah ich mir die Klingel ein wenig genauer an. Also… das war wirklich eine fiese, kleine Gemeinheit. Sobald ich diese anfasste, würde sich die Magie erweitern und auf mich zugreifen – warum auch immer ich an meiner eigenen Wohnungstür klingeln sollte. Ich lebte allein. Wer sollte mir öffnen? Mein Hausgeist?
Na gut. Alan vielleicht.
Aber wie hätte der in meine Wohnung kommen sollen? Vielleicht vertrat er sich draußen irgendwo die Beine. Hm, nur irgendwer musste sich hier dran zu schaffen gemacht haben. Tja, weder so noch so wurde ein Schuh draus. Hätte ich es nicht rechtzeitig bemerkt, hätte ich sie wohl einfach absorbiert. Was erwartete mich da drinnen? Falls überhaupt jemand drin war.
Wozu sollte Alan derartige Maßnahmen ergreifen?
Das ergab überhaupt keinen Sinn.
Wenn ich weiter im Treppenhaus stehen blieb, würde ich auch nicht schlauer werden. Ich absorbierte die Magie und entriegelte die Schlösser. So wie die Falle außer Gefecht war, offenbarte sich mir mein ganz normaler Eingangsbereich. Ich zog meine Schuhe aus, schloss sehr behutsam die Tür und schlich auf Socken hinein. Im Flur war es still, aber aus der Wohnstube hörte ich wütendes Knurren. Nicht sehr laut, aber gut vernehmbar. Alan?
Sein Auto stand schließlich nicht vor meinem Haus, um gesehen zu werden. Höchst konzentriert, auf weitere Magie achtend, glitt ich über den Flur zum Wohnzimmer, in dem mich das mich erwartende Szenario fast zum Lachen brachte.
Fast!
Dafür war es zu grotesk.
Bis jetzt hatten mich die Ladys, die um einen stinksauren Alan herum standen, noch nicht bemerkt. Hätte ich raten müssen, hätte ich gesagt, sie seien Menschen. Aber ihre Chakren wiesen einen entscheidenden Mangel auf. Laut denen besaßen sie nämlich keinen Kopf.
Äußerst suspekt.
Alans Energiepunkte waren normal. Für einen Wer. Auch wenn er momentan in meinem Teppich eingerollt war, mit einem wütenden Funkeln in den Augen und durch dunkle, pulsierende Magie geknebelt. Dieselbe, die auch mich an der Tür erwartet hatte. Zudem war er geschminkt. Mit meinem Lippenstift! Sogar die Fußnägel hatten die Ladys ihm bemalt. Purple Passion. Ebenfalls von mir. Hm, der Nagellack mit dem Glitzer hätte bestimmt hübscher ausgesehen. Der blaue Lidschatten passte nicht zu Alan. Der mit meinem Kajal angemalte Schnauzer auch nicht. Und die knallroten Lippen… ähm ... zurück zu den Ladys. Warteten die auf mich? Auf jemand anderen? Oder war denen nur langweilig gewesen, so dass sie sich mal eben auf Alan stürzten und ihn als… äh… Make-up Model benutzten?
In meiner Wohnung?
Höflichkeit war hier unangebracht. Selbst wenn ich dazu erzogen worden war, mich vorzustellen. Ich feuerte ohne Vorwarnung drei gezielte Energieblitze in deren Richtung. Stumm sackten sie in sich zusammen.
Sie atmeten noch.
Ihre Hirnströme – nun, dafür wollte ich keine Garantie geben.
Mit wenig Mitgefühl zerrte ich sie mit einem Arm aus dem Weg, damit genügend Platz für Alan wäre. Als nächstes nahm ich die Magie, die Alan festhielt, in mich auf und wickelte ihn mit einem Glucksen und bebenden Lippen aus dem Teppich. Auch wenn ich ihn zu gern noch ein wenig in seiner Rolle als Polyestersushi schmoren lassen sollte. „Benutz die Hände, ich bin doch kein Fußabtreter!“, fauchte er, was ich lediglich mit einem einseitigen Schulterzucken quittierte. Er sah doch sicher, dass mein linker Arm in einer schicken, dunkelblauen Schlaufe hing. Daraufhin sagte er nichts mehr, obwohl es spürbar in ihm kochte. Alan konnte froh sein, dass ich ihn überhaupt von dem Teppich befreite. Wenigstens lag der nach der Aktion wieder an Ort und Stelle. Wo mein Stubentisch abgeblieben war, war eine ganz andere Frage.
Hastig sprang Alan auf die Beine, fragte nach dem Bad und sprintete los. Aus diesem hörte ich ihn laut stöhnen und fluchen. Sollte ich ihm sagen, dass der Kajal und auch der Lidschatten wasserfest waren?
Nö, das würde er schon selbst herausfinden.
Während Alan im Bad beschäftigt war, ging ich auf die Suche nach meinem Tisch. Doch der blieb verschwunden.
Zurück in der Wohnstube betrachtete ich die drei Gestalten, die mehr tot als lebendig wirkten. Die waren auf keinen Fall freiwillig hier. Blieb die Frage, wer sie geistig kastriert und dann auf Alan gehetzt hatte. Beziehungsweise auf mich.
In meinem Bad fiel irgendetwas knallend zu Boden. „Lass mein Bad ganz!“, brüllte ich in dessen Richtung, verbot es mir jedoch, nachzusehen. Viel konnte freilich nicht kaputt gehen. Aber was wusste ich denn, was ein wütender Wer alles zerschlagen konnte.
Abgesehen von meinen Knochen.
In der Zwischenzeit sah ich mir die drei jungen Frauen genauer an. Sie waren