Der Preis der Wahrheit. Stefanie Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Hauck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738043181
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      Ich bitte zu bedenken, dass “Der Preis der Wahrheit” im Jahre 1997 und 1998 spielt. Die technischen Möglichkeiten aus 2015 waren damals in den “Kinderschuhen”. Mit Handys konnte man seinerzeit nur telefonieren. Das Internet war eher die Ausnahme und fand im privaten Bereich so gut wie keine Anwendung. Ein weiteres Thema ist die gesamtgesellschaftliche Situation. Provokation durch Videos, egal vor politischem, religiösem oder anderem Hintergrund, gab es eigentlich nicht. Als ich diese Geschichte in 2005 in ihrer ersten Fassung geschrieben habe, war es damals auch noch nicht der Fall. Diese Idee ist also nicht vor dem Hintergrund der heutigen Situation entstanden.

      Stefanie Hauck

      Wermelskirchen im Oktober 2015

      Kapitel

       “Sie hörten sich am Telefon ja an, als ginge es um Leben und Tod!”, befand Martha McNamara mit einem Unterton, der zwar Besorgnis aus­drückte, aber gleichzeitig auch einen großen Unmut.

      “Nehmen Sie erst mal Platz, Dr. McNamara”, erwiderte Richter Martin Fairfield gelinde und rückte ihr fürsorglich einen Stuhl zurecht, “ich weiß leider auch nicht, worum es konkret geht. Allerdings erklärte mein Ge­sprächspartner am Telefon, dass es wirklich um Leben und Tod ginge und dass ich Sie so schnell wie möglich hierher bestellen sollte und dabei so wenig Aufsehen wie möglich erregen.”

      Martha war jetzt doch ziemlich entsetzt.

      “Und wer war dieser Anrufer?”

      “Ein Mr. Peter Myers”, entgegnete der Richter, “er meinte, er dürfe unter keinen Umständen mit Ihnen in direkten Kontakt treten, das würde katastrophale Folgen haben. Deshalb hätte er ein heimliches Treffen arran­gieren wollen, und er sei schon froh, dass er mehr zufällig von meiner Person erfahren hätte und wüsste, dass ich absolut vertrauenswürdig wäre. Als ich ihn fragte, worum es überhaupt ginge, erwiderte er, es hätte etwas mit Ihrem Mann zu tun, mehr könnte er nicht sagen.”

      Gerade als Martin geendet hatte, summte die Gegensprechanlage, und die Sekretärin kündigte Peter Myers an. Der Richter ließ ihn sofort herein­rufen.

      “Glauben Sie, dass irgendjemand misstrauisch geworden ist?”, erkun­digte sich Martin besorgt, nachdem er die Tür hinter Peter verschlossen hatte.

      “Ich denke, dass nein”, gab der zurück, “sonst wäre ich nämlich im wahrsten Sinne des Wortes gar nicht bis hierhergekommen.”

      Anschließend begrüßte er Martha.

      “Worum um alles in der Welt geht es?!”, befand die Juristin angstvoll.

      “Ich erkläre es Ihnen sofort”, entgegnete Peter, “allerdings möchte ich kurz Mr. Fairfield bezüglich meiner Person in Kenntnis setzen.”

      Martha nickte.

      “Okay”, fuhr der Präsidentenberater fort, “Richter Dr. Philip Banks hatte Ihnen einen der beiden Schlüssel für das Tresorfach anvertraut, in dem er auf das Geheiß seines Vorgesetzten Dr. Thomas McNamara das geheime Dossier über das Drogenkartell des Miguel Ramírez untergebracht hatte. Dass ich das weiß, soll als Erklärung reichen. Offiziell ist niemandem bekannt, dass ich mit dieser Sache etwas zu tun habe. Und wenn es herauskäme, wären alle Beteiligten in Thomas’ Umgebung in großer Gefahr. Aber jetzt zu dem Grund unseres Treffens. Ich habe nämlich gerade etwas Furchtbares erlebt. Um es kurz zu machen... Caín Pellicer, Miguel Ramírez’ Stellvertreter, hat heute Morgen zusammen mit einem Handlanger Thomas einkassiert und ver­schleppt.”

      Martha und Martin fiel die Kinnlade herunter, und Martha wurde weiß wie die getünchte Wand. Geistesgegenwärtig reichte Martin ihr ein Glas Wasser.

      “Geht’s wieder?!”, meinte er besorgt.

      “Ja”, erwiderte Martha wie durch einen Nebel und meinte dann schließlich, “wie?”

       “Kurz nach Dienstbeginn am Gerichtshof kam Ihr Mann mit zwei Männern an der Seite die Haupttreppe herunter. Die drei gingen direkt zum Ausgang, stiegen in einen Wagen, der vor dem Gebäude geparkt war und fuhren fort. Grund­sätzlich wäre das kein Anlass zur Besorgnis gewesen. Aber ich habe einen von ihnen wiedererkannt, namentlich Caín Pellicer. Dass niemand etwas davon mitbekommen hat, liegt daran, dass erstens die Männer ganz normal gekleidet waren. Zweitens machte diese Gruppe nicht den Eindruck, als wenn dort jemand zwangsweise mitkäme und drittens wussten nur ich und einige wenige Ermittler, wie Caín Pellicer aussieht. Die Kolumbianer vermuten anscheinend, dass es doch noch einen weiteren Grund für Thomas’ Reise nach Venezuela gab. Extrem beunruhigend ist für sie dabei, dass ausgerechnet ein New Yorker Richter in einer sehr hohen Position sich in die Recherche einmischt, was er ja gar nicht darf. Warum also überschreitet der so dreist seine Kompetenzen? Die naheliegendste Antwort ist, dass er besonders gut für diese Aufgabe geeignet war oder dass nur er sie übernehmen konnte. Das ist schon ein ganz schöner Paukenschlag. Deshalb lautet nun die Frage: ‘Wer steckt noch alles dahinter? Wer sind McNamaras Partner und Informanten? Was hatten die vor, und wie ist der Stand ihrer Ermittlungen?’ Und dazu werden sie ihn jetzt ein wenig interviewen.”

      “Oh mein Gott!”, stöhnte Martha.

      “So schlimm das alles ist, bin ich doch sehr froh, dass ich es überhaupt mitbekommen habe”, versuchte Peter, Martha zu trösten, “denn normalerweise sehen Thomas und ich uns so gut wie nie. Wir hatten heute Morgen zufällig einen Termin. Und einen winzigen Vorteil haben wir al­lerdings. Die Tatsache, dass nur Thomas verschleppt wurde, belegt klar, dass Miguel wirklich nicht weiß, wer Thomas’ Verbündete waren. Sonst hätten die Männer mich ja direkt mit gefangen nehmen können. Ich habe natürlich keine Ahnung, was der Drogenbaron plant. Deshalb war es mir wichtig, Sie zu informieren, damit Ramírez Sie nicht in irgendeiner Weise überrumpeln oder austricksen kann. Stellen Sie sich mal vor, er würde Thomas zwingen, Sie anzurufen und unter einem sehr plausiblen Vorwand zu bitten, irgendwelche geheimen Dinge zu beschaffen oder mit Ihnen über vertrauliche Themen zu sprechen. Frei nach dem Motto ‘Schatz, mit mir kannst du ja darüber reden, du weißt schließlich Bescheid.’ Wenn sich Thomas also bei Ihnen meldet, wissen Sie jetzt, dass das nicht freiwillig geschieht.”

      Martha fuhr sich durchs Gesicht und legte den Kopf in den Nacken.

      “Und ich möchte Sie bitten, alle Personen zu informieren, die von der Geschichte mit dem Dossier wissen, damit sich da auch niemand verplappert. Deshalb habe ich mich auch mit Ihnen hier treffen wollen, weil es keine direkte Verbindung zwischen uns dreien gibt.”

      “Und was soll ich sonst noch tun?”, horchte Martha ängstlich nach.

      “Nichts”, seufzte Peter, “wir können nur abwarten, was geschieht.”

      Kapitel

       “Er gehört dir!”

      Es entstand eine Pause, keiner der Männer sagte ein Wort. Die Stille war für den gefesselten Thomas, der zudem noch eine Augenbinde trug, fast unerträglich. Diese Aussage von Caín, “er gehört dir”, brachte ihn beinahe um den Verstand.

      Was für ein entsetzlicher Gedanke! fuhr es ihm durch den Kopf, mein Leben gehört einem anderen Menschen, ja, mein Leben ist in seiner Hand. Und dieser Jemand führt nun wahrhaftig nichts Gutes mit mir im Schilde.

      Aber dann vernahm Thomas Schritte. Dieser Jemand ging einmal um ihn herum, und dann blieb er wohl vor ihm stehen. Plötzlich packte der ihn am Kinn und riss ihm ruckartig die Augenbinde herunter.

      “Buenas dias, Dr. McNamara, wie schön, dass wir uns doch noch treffen können, wo uns die Polizei damals einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.”

      Thomas sagte nichts, sondern schloss nur für einen Moment voller Grauen die Augen, denn sein “Gastgeber” war Miguel Ramírez.

      Auch wenn es total bescheuert ist, bis zum letzten Moment zu hoffen, dass dieser Caín mich nicht zu seinem Boss bringt, dachte Thomas, so ist diese Gewissheit jetzt trotzdem absolut entsetzlich.

      “Wieso