DER KELTISCHE FLUCH. Christoph Hochberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Hochberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847651956
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nur kommen - er würde sie alle zu bestehen wissen!

      Es war zwar noch vollkommen dunkel, doch konnte es bis Tagesanbruch nicht mehr lange dauern. Erste Nebelschleier zogen über den Boden und verdichteten sich. Plötzlich stieß einer der Männer einen Ruf aus, und sofort verstummten die leisen Gespräche unter den Reitern. Zwei Schatten bewegten sich zwischen den Umrissen der Hütten, aus dem Nebel heraus, auf die Wartenden zu. Augenblicke später traten Toromic und Borix in den Schein der Fackeln.

      „Die Reiter sind bereit“, begrüßte Cymoc, der älteste und erfahrenste der Männer, den Häuptling.

      Toromic blieb stehen und ließ seinen Blick prüfend über die Boten gleiten: „Männer, ihr werdet euch auf die Suche nach den Derwydd begeben!“

      Die Boten sahen sich überrascht an. Unterdrückte Flüche waren zu hören.

      Toromic ignorierte die Furcht der Männer.

      „Es spielt keine Rolle, welcher Kaste die Eichenkundigen angehören. Solltet ihr auf einen Cruitire, einen Harfenspieler, stoßen, ist das gut. Diese Druiden beherrschen die Kunst, Menschen mit ihrer Musik zu bezaubern. Sie können einen Mann durch das Spielen ihres Instruments zum Weinen oder zum Lachen bringen, sogar Schlaf und Tod mit der Magie ihrer Melodien bewirken.“

      Die Männer nickten sich zu, davon hatten sie alle gehört.

      „Findet ihr einen Degobaire, so soll es euer Vorteil sein. Sie sind die Kenner berauschender Pflanzen. Vielleicht bedarf es einer solchen Mixtur, meinen Bruder wiederzuerwecken. Einen Liaig halte ich für die beste Wahl. Die Kaste dieser Derwydd vereint die Künste eines Körper- und Seelenheilers mit denen der Magie. Sie können Brüche richten und mit dem Messer schneiden, aber auch die Numina, die großen Kräfte der Geister, anrufen und beschwören.“

      Die Männer nickten eifrig.

      „Findet ihr keine Angehörigen dieser Kasten, so sucht nach den Vates, den Sehern, denen ja auch mein Bruder angehört. Sie könnten uns weissagen, was geschehen wird oder aber Kontakt zu Tarcic aufnehmen.“

      Toromic machte eine gewichtige Pause. Jetzt würde sich zeigen, wie treu ihm seine Männer wirklich ergeben waren.

      „Auch die Caintes könnten helfen ... “

      Erregte Rufe wurden laut. Die Männer schlugen vor ihre Brustplatten und formten Abwehrzeichen gegen böse Geister. Die Kaste der Caintes war gefürchtet. Diese Druiden galten als Meister der Verwünschungen und wurden, obwohl sie auch Segenssprüche und magische Gesänge beherrschten, gemieden.

      Toromic hob beschwichtigend die Hände. „Ihr dürft keine Furcht haben. Nur die Derwydd können uns helfen. Ihr sucht also auch nach den Caintes, wenn ihr keine Derwydd der anderen Kasten ausfindig machen könnt. Sie sind zwar gefährlich, doch bin ich mir sicher, dass sie uns helfen werden, wenn ihr ihnen unsere Lage schildert. Wir müssen alles tun, um meinen Bruder zu erwecken oder wenigstens zu erfahren, was hier vor sich geht. Sagt den übrigen Häuptlingen, dass ich erwäge, einen Rachefeldzug zu unternehmen. Sie sollen die Augen offen halten und wachsam sein. Ich will nicht, dass wir von unseren eigenen Stammesbrüdern irrtümlich angegriffen werden.“

      Die Männer nickten erstaunt.

      Ein Rachefeldzug, das klang nach großen Taten.

      Toromic fuhr fort: „Cymoc und Todonmacus. Ihr reitet nach Melavoc, zu den Brigantern. Richtet König Odoaker und meiner Schwester, Lunicca, Grüße aus und macht sie mit unserem Anliegen vertraut. Amnic, du reitest zu unseren Nachbarn, den Dumnoiern. Ufatar, dein Weg führt dich zu den Vanutern. Cetonac, reite zu den Novantaern, und Tectonix soll zu den Vuniern gehen.“

      Er wandte sich an den einzigen der Männer, der noch nicht in den Stand des Kriegers aufgenommen war: „Banastier, du reitest zu den Votadinern.“ Er grinste. „Sei vorsichtig, sie sind die streitbarsten Krieger, die ich kenne.“

      Die Männer lachten.

      Toromic wandte sich an den verbliebenen Boten: „Onurovic, dein Ziel sind die Bibrakter.“

      Er sah die Männer der Reihe nach noch einmal an, dann hob er die Hand: „Und nun macht euch auf den Weg. Möge Lug euch beschützen!“

      Die Krieger begleiteten ihre Clanbrüder zum Tor. Toromic beobachtete das Abschiednehmen. Er sah den Boten nach, die, umringt von den übrigen Kriegern, einer nach dem anderen ihre Pferde in Richtung Haupttor führten. Unterarme wurden gedrückt, leichte Knüffe und scherzhafte Reden wurden ausgetauscht, und kurze Umarmungen waren geduldet. Wer wusste schon, ob man den Sohn, Freund, Vetter oder Onkel in dieser Welt noch einmal wiedersehen würde. Der Tod war allgegenwärtig im rauen Leben der Clans, der Umgang mit ihm traurige Gewohnheit.

      Toromic folgte den Männern zum Tor und sah den Reitern zu, wie sie aufsaßen und ihre Tiere durch das offen stehende Portal lenkten.

      Im ersten, nun einsetzenden, fahlen Licht der Morgendämmerung wurden die Boten bereits wenige Meter vom Wall entfernt zu grauen Schatten. Als auch der letzte von ihnen in den Frühnebeln, die vom Fluss heraufzogen, verschwunden war, rief Toromic die verbliebenen Männer zur Versammlung am Mittag dieses Tages auf. Er wusste, dass die Krieger es trotz ihrer Müdigkeit kaum noch erwarten konnten, dass endlich etwas geschah.

      Das Tor wurde wieder geschlossen, die Wachen bezogen ihre Posten auf dem Wall, und die Menge verteilte sich.

      Toromic wartete noch eine Weile, und endlich kam Borix mit den beiden letzten Auserwählten. Der erfahrene Krieger Nerugalic und der junge Krieger Onhir führten ihre Pferde heran. Beide Männer waren aus Toromics Gefolge. Sie sollten eine ganz besondere Aufgabe erfüllen. Toromic weihte sie in ihren Auftrag ein und verabschiedete sie wesentlich unauffälliger als ihre Kameraden.

      Als auch sie fort waren, sah Toromic Borix erschöpft an.

      „Und nun, mein Freund, geleite mich zu meinem Heim. Ich will den Morgen zum Schlafen nutzen, denn ich muss bei Kräften sein, wenn ich die Krieger heute in meinen Plan einweihe. Nimm` noch einen Trunk mit mir, und dann lass` uns endlich schlafen gehen.“

      Gerade wollte er sich in Bewegung setzen, als ihm einfiel.

      „Ich sollte noch einmal nach Tarcic sehen ...“

      Borix legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

      „Ich werde später noch einmal nach ihm sehen.“

      Toromic nickte. „So lass` uns gehen“

      Anderswelt

      Helwed saß an Tarcics Lager. In den letzten Stunden war der Bruder des Toromic öfter unruhig geworden und hatte undeutlich vor sich hingesprochen. Helwed versuchte dem Gemurmel etwas zu entnehmen, doch sie verstand kein einziges Wort. Nachdem Toromic gegangen war, hatte sie sich von den Wachen einige ihrer Kräuter bringen lassen und Boudina eine Botschaft geschickt. Anschließend hatte sie versucht, sich in Trance zu versetzten, um mit seinem Geist Kontakt aufzunehmen. Doch sie war noch viel zu erschöpft von den Vorgängen der Zeremonie. Es wollte ihr nicht gelingen. Sie sah auf ihn nieder. Wo mag sich sein Geist nur aufhalten? fragte sie sich zum wiederholten Mal. Sie sah auf sein zuckendes Gesicht hinab, ergriff seine Hand und versuchte ihm auf diese Art ein wenig Trost zu spenden. Vielleicht kann er es ja spüren? dachte sie zweifelnd. Helwed konnte nicht ahnen, wie weit Tarcics Seele entfernt war ...

      ... Tarcic drehte sich im Kreis und versuchte zu erkennen, wo er sich befand. Dunkle Gestalten bewegten sich am Rand seines Gesichtsfeldes. Seltsame Laute drangen an seine Ohren. Wütend fuhr er sich mit der Hand über die Augen, denn irgendetwas schien nicht mit ihnen zu stimmen. Er konnte nichts Deutliches um sich herum erkennen.

      Was geschieht hier? fragte er sich. Er sah auf seine Hand hinab und bemerkte, dass er ein Schwert umklammert hielt.

      Wenigstens bin ich bewaffnet, dachte er erleichtert, so kann ich ehrenvoll sterben, wenn es zum Kampf kommt!

      Da erklang wieder einer dieser unnatürlichen, bedrohlichen Schreie. Tarcic zuckte zusammen