Seit 2012 sorgt das Social Start-Up VerbaVoice dafür, dass Menschen mit Hörbehinderung ebenso von einem Dolmetscher unterstützt werden, wie Besucher aus dem Ausland. Per Live-Untertitel können bei der re:publica alle Besucher auf der Stage 1 mitlesen, was gesprochen wird. Gleichzeitig übersetzt ein Dolmetscher in Gebärdensprache. Wer zu weit hinten sitzt oder schlechte Sicht auf die Leinwand hat, kann Text und Gebärdensprache per App oder im Internet mitverfolgen. „Barrierefreiheit ist eine Frage des Angebots“, sagt Lukas Gnettner von VerbaVoice.
VerbaVoice will Technologien entwickeln, um die sprachliche Barrierefreiheit zu verbessern. Zum Beispiel in der Uni: Der Dozent bekommt ein Mikro, das mit dem Tablet oder Laptop des Studenten gekoppelt wird. Übers Internet laufen die Informationen der beiden Geräte auf einem Server zusammen. „Dort sitzt dann jemand, der das entweder live transkribiert oder durch einen Gebärdensprachendolmetscher übersetzt“, erklärt Gnettner. Die Dolmetscher sitzen teils in Europa, teils in den Bundesländern verteilt und werden über die Plattform in Paaren zusammengeschaltet. Online sprechen sie sich ab, wechseln nach Bedarf und kontrollieren sich gegenseitig. Gebucht und bezahlt wird nur so lange, wie der Dienst gebraucht wird – ohne Wartezeiten und ohne Kosten für Anreise oder Tagespauschalen.
„Wenn du in deiner Muttersprache übersetzt, ist die Leistung erheblich besser“, sagt Gnettner. Das Dolmetscher-Team besteht meistens aus einem gehörlosen Dolmetscher, der den transkribierten Text übersetzt und einem Muttersprachler. Bei englischsprachige Vorträgen schaltet sich also die Dolmetscherin aus London ein, bei deutschsprachigen ein Dolmetscher aus Deutschland.
VerbaVoice will in immer mehr Bereichen einen Zugang für Gehörlose schaffen. In drei deutschen Landtagen werden die Sitzungen übersetzt und per Internet übertragen. Gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund will VerbaVoice auch Fußballspiele kommentieren, beim Pokalfinale und beim Champions-League-Finale soll es per App Untertitel und Übersetzung in Gebärdensprache geben. In Zusammenarbeit mit Sony entwickelt VerbaVoice die „iCap“, eine Brille, die im Herbst 2015 auf den Markt kommen soll: „Das ist das Hörgeschädigten-Äquivalent zu Kopfhörern“, sagt Gnettner, „die Brille ist gekoppelt mit einem Smartphone und einer App, die wir entwickeln. Die Idee ist, dass ein Hörgeschädigter in einen Konferenzraum geht und dort mitbekommt, was ein Redner sagt, in dem ihm die Untertitel direkt vor seine Augen projiziert werden.“
Das Münchner Start-Up VerbaVoice ist dafür da, um „die Köpfe zu öffnen“, sagt Gnettner. „Es sollte nicht immer eine Frage der finanziellen Mittel sein, sondern einfach zur Verfügung gestellt werden. Der Bedarf wird sich dann zeigen, wenn das Angebot da ist.“
Die Ultimative
Jutebeutel-Stylekritik
Text: Philipp Fritz @phil_ipp_fritz
Es gibt Konferenzen, auf denen werden Jutebeutel an nur wenige Besucher ausgegeben, zum Beispiel an akkreditierte Presseleute oder Redner, die sich Backstage zudem noch kostenfrei den Bauch mit Häppchen vollhauen können. In jedem Fall gehört man zu einem exklusiven Klub.
Auf der re:publica verhält es sich anders. Die Konferenz ist in Bezug auf den diesjährigen Jutebeutel ein egalitäres Happening. Jeder, wirklich jeder hat das gleiche uninspirierte Stück Stoff um die Schulter baumeln. Es zeigt das Logo der Konferenz, ein Piktogramm eines Megaphons und vier Unternehmensnamen. Was das Megaphon mit dem Titel "Finding Europe" zu tun hat, darüber gibt der Jutebeutel leider keine Auskunft.
Stattdessen findet man das Konferenzprogramm und weitere Zetteleien. Eine Pappbanane ist auch dabei. Warum? Es hat bestimmt etwas mit dem Megaphon zu tun oder Europa. Gibt es nicht eine Bananenverordnung? Europa ist eine Banane. Den Eindruck zumindest kann man bekommen, wenn man in der Veranstaltung "Die Vermessung der Medienwelt" war. In der nämlich wurde Europa vor dem Internetriesen USA sehr klein gemacht. Ohne Harald Welzer wäre das Leistungsprinzip auch hier total.
Aus einem hässlichen Jutebeutel lässt sich viel herauslesen - wenn man will. Wenn man nicht will, kann man ihn auch einfach an der Garderobe abgeben.
Impressionen
Outfits des Tages
Der erste Tag der re:publica 2015 neigt sich dem Ende zu. Auch visuell war es ein Fest: die Individualität der Besucher kennt keine Grenzen. Das sind unsere Outfits des Tages.
Kim Gordon, Schottland
Marie Luise de la Fontaine, Brasilien
Tobias von Glenck, Deutschland
Impressionen
Ding des Tages
Die wohl langsamste Kaffeemaschine der Welt
Foto: Silvia Perdoni
Und sie tropft und tropft und tropft und tropft. Und wenn sie nicht umkippt, dann ist sie morgen durchgetropft. Vielleicht. An den kleinen Tischen im GIG Makerspace weiß man Kaffee offensichtlich noch zu schätzen. Dort steht der “Caffeinator”, eine selbstgebastelte Slow-Kaffeemaschine. Holzbügel bilden das Gestell, recyclebare Plastikflaschen die Behälter und den Filter. “Eigentlich”, so erklärt der Macher, “braucht man nämlich zum Kaffeemachen nichts außer Kaffee und kaltes Wasser. Das fertige Getränk ist milder, enthält aber mehr Koffein. Es ist gesünder.” Gut Ding will eben Weile haben.
Impressionen
Tipp des Tages
Text: Ines Lutz
The Phone Stacking Game
Julia Kümmel, re:publica 2015
Gute Freunde sitzen zusammen beim Abendessen - doch niemand schaut sich in die Augen. Alle tippen in ihr Mobiltelefon. Marketing-Expertin Julia Kümmel hat folgenden Tipp für alle, die sich mal wieder in der Wirklichkeit begegnen wollen: „Spielt the phone stacking game.” Das geht so: Alle legen ihre Telefone beim Abendessen auf einen Stapel. Wer zuletzt tippt, zahlt die Rechnung. Klingt plausibel.
Lügen
Der Wahrheit eine Gasse
Text: Christian Schlüter @flavorintouch
Alles Lüge. Das Internet steht in keinem guten Ruf, digitale Öffentlichkeiten gelten als Orte des Geschwätzes und des Schwindels, des Unsinns und des Betrugs. Der Journalist und Blogger Friedemann Karig blieb bei seinem Vortrag trotzdem locker. Über Wahrheit und Lüge im digitalen Zeitalter wollte er sprechen und merkte doch erst einmal an, dass uns vor allem die Lüge zu interessieren habe. Und das nicht nicht etwa, weil im Internet besonders gerne und häufig gelogen werde, sondern weil die Lüge ein menschlich-allzu-menschliches Phänomen sei. Alle lügen: Menschen wie du und ich, Regierungen, Geheimdienste, Verschwörungstheoretiker... Vor diesem Hintergrund erweist sich das Internet als besonders taugliches Lügenmedium, weil sich die Lüge hier so wunderbar – oder auch: bedenklich – schnell verbreitet. Und genau das, wusste Karig, komme uns beschränkten