Briefe zwischen Himmel und Erde. Sigrid Schneider J.. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sigrid Schneider J.
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783847653103
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missbraucht worden, und meine Mama hat den Mann dabei erwischt. Gott sei dank hat sie ihn erwischt, denn ich hätte es ihr ja nicht erzählen können. Das hätte Mama dann weh getan und deswegen habe ich schon wochenlang geschwiegen.

       Am 20 April hat Mama den Mann erwischt hat. Es hat ganz schön lange gedauert bis wir wieder ganz „normal„ miteinander reden konnten .Ich hatte immer das Gefühl das ich was falsch gemacht habe obwohl Mama mir immer gesagt hat, dass das nicht so ist. Eigentlich habe ich mit ihr nie über diese Sache gesprochen. Ich wollte ihr nicht wehtun und ich bin froh, dass Mama dafür gesorgt hat, dass ich Gesprächspartner hatte. Am 22. 4. sind wir ins Kinderhospiz gefahren und dort konnte ich mit Jedem sprechen und habe das auch getan. Als wir wieder zu Hause waren, hat Mama mich zu einem Psychologen gebracht. Der war ganz nett und mit dem konnte ich auch reden. Ich bin oft hingegangen und habe mit ihm darüber gesprochen. Langsam wurde mein Herz dann auch wieder leichter.

       In dieser Zeit fragte ich einmal meine Mama ob sie deswegen böse auf mich ist.Sie sagte nein, sie ist nur böse auf den Mann, der hat was Schlimmes getan ,nicht ich.

       Im November 2007 fand dann der Prozess gegen diesen Mann statt. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Was das ist, wusste ich nicht so genau, aber er musste mir auch ein Schmerzensgeld bezahlen. Dafür hat Mama mir dann extra ein eigenes Konto eingerichtet, denn sie fand, dass ich das Geld für schöne Dinge die mir Spaß machen ausgeben sollte. Das habe ich dann auch gemacht, ich habe mir viele Dinge kaufen können die ich einfach nur schön fand.

       Gleich nach dem Prozess sind wir wieder für 2 Wochen ins Kinderhospiz gefahren. Das war auch gut so, denn als wir zurück kamen war dieser Mann schon weggezogen und ich musste ihn nicht mehr sehen.

       Weihnachten 2007 war richtig toll, es ging mir so gut, das wir sogar zu Fuß zur Kirche gehen konnten. Und danach war zu Hause Bescherung. Ich habe so viele schöne Sachen bekommen und Mama hat mit mir gespielt, den ganzen Abend. Wir haben mit meinem neuen Puppenhaus gespielt und später hat Mama mir sogar Licht darein gebastelt. Baby Born und Baby Annabell und natürlich auch meine ChouChou, das sind meine Puppen, alle haben auch Geschenke bekommen, Mama hat keinen vergessen.

       Meinen 17. Geburtstag habe ich im Kinderhospiz gefeiert, das hatte ich mir so gewünscht und Mama hat dann den Termin mit Herrn Gieseler passend abgesprochen. Das war ganz toll, ich habe vom Hospiz eine Herztorte schon zum Frühstück bekommen und Geschenke von Mama und vom Hospiz. Nachmittags gab es dann eine ganz große Kaffeetafel mit allen Gästen des Hospizes und allen die dort gearbeitet haben an dem Tag.

       Es war ein richtig schöner Tag.

       Mir ging es leider gar nicht mehr so gut und als wir dann zu Hause waren wurde es immer schlechter. Ich hatte gar keine Kraft mehr und habe ganz viel geschlafen. Aber auch dieses Jahr hatte seine Überraschungen, ich fand einen festen Freund, René. Ich kannte ihn schon länger aber 2008 wurden wir Freund und Freundin.

       Zu Renés Geburtstag im Juni waren wir kegeln, aber ich konnte nicht bis zum Schluss mitmachen. Ich habe mir ein Gelenk raus gedreht und das tat sehr weh. Mama hat mich dann raus getragen und nach Hause gebracht. Ich hatte an dem Tag schon Angst, das René nicht mehr kommt, aber er kam wieder, jeden Tag. Er hat mich im Arm gehalten, hat mit mir gekuschelt und sich zu mir gelegt, das war ein ganz schönes Gefühl. - Mit Mama kuscheln war auch schön – aber mit René, das fühlte sich noch toller an.

       Eine Woche nach Renés Geburtstag sind wir zusammen an den Diemelsee gefahren, dort fing dann mein letztes Wegstück an.

       Meine Leber arbeitete immer schlechter. Ich war grün und gelb verfärbt, erst nur im Gesicht, später dann auch am ganzen Körper und meine Augen waren auch ganz gelb.

       Ich fand das schrecklich bis zu dem Tag, an dem René mit farbigen Kontaktlinsen kam und mir sagte: Anna ich finde Deine Augen so toll, schau mal ich, habe mir jetzt auch farbige Linsen gekauft. Ab da war es für mich gar nicht mehr schlimm.

       Ich musste in dieser Zeit immer viel brechen, aber auch da hat René mir immer beigestanden, wenn er bei mir war. Er sagte mir immer, dass das nicht schlimm ist, und dass es auch wieder vorbeigeht. Und er sagte mir auch, dass er mich trotzdem lieb hat.

       Am 2 August sind wir dann noch einmal ins Hospiz gefahren, es ging mir ganz schlecht. Mama ist selbst gefahren und es ging auch ganz gut, ich habe die Fahrt verschlafen. Im Hospiz waren alle total lieb zu mir und René hat mich dort sogar zweimal besucht. Das waren dann die ganz besonders schönen Tage. Im Hospiz war es dann auch, das ich nicht mehr selber essen konnte. Ich hatte einfach nicht mehr genug Kraft den Löffel bis zum Mund zu bekommen. Ich merkte aber schnell, das es für alle in Ordnung ist und das Niemand über mich lacht wenn ich gefüttert werde, also hab ich mich auch in diesem Punkt einfach mal ein wenig verwöhnen lassen.

       Eigentlich wollte ich ja im Hospiz sterben, damit meine Mama nicht so alleine damit ist, aber dann habe ich doch lieber gewartet damit, wegen meiner Freunde.

       Als wir Mitte August wieder nach Hause kamen, ging es mir immer schlechter, ich konnte kaum mehr aufstehen, und mein Leben fand immer mehr zu Hause statt. Manchmal ,wenn wir dann doch in die Stadt gefahren sind ,weil ich mir etwas kaufen wollte, habe ich gemerkt wie die Leute mich ansehen. Wenn mich das zu sehr geärgert hat, habe ich gefragt, ob die ein Foto von mir haben wollen und als ich nicht mehr so gut sprechen konnte, hat dann René die Leute gefragt ob sie ein Foto wollen.

       Im September habe ich angefangen auf meine Oma zu warten. Ich wusste das Oma mich abholt, wenn das mit dem Sterben soweit ist. Das Leben war jetzt sehr anstrengend, allein mich anzuziehen hat mich so erschöpft dass ich danach wieder stundenlang schlafen musste, obwohl Mama mir ja immer geholfen hat.

       Essen wurde manchmal zur Qual, obwohl ich gefüttert wurde. Das ganze Leben war einfach nur noch anstrengend.

       Meine Freunde kamen nun immer öfter, es war immer Irgendeiner da. Manchmal habe ich das aber gar nicht mitbekommen weil ich solange und so fest geschlafen habe.

       So gingen die Wochen dahin und nichts wurde besser.

       Am 15.Oktober war alles anders. Ich bin Morgens allein aufgestanden und habe mit Mama gefrühstückt. Ich konnte selber essen, es war fast wie früher als ich noch mehr Kraft hatte – dachte meine Mama. Ich wusste es besser.

       Es ging mir 3 Tage lang so gut das Mama sogar beim Arzt den Hausbesuch für den 20. Oktober abgesagt hat und mitteilte das wir selber kommen.

       In diesen Tagen habe ich schon mal mit René gesprochen

       Ich habe ihm gesagt dass es das letzte Mal ist das es mir so gut geht. Ich sagte ihm auch, dass ich nun sehr bald sterben werde und habe gefragt ob er dann böse auf mich ist. Er weinte ein wenig, aber er sagte: Nein, böse bin ich nicht auf Dich. Ich werde Dich immer in meinem Herzen behalten. Ich habe dich sooooo lieb das ich dich niemals vergessen werde.

       Ich habe auch Ordnung gemacht in meinem Zimmer.

       Ich habe alle meine Puppen noch einmal ganz schön angezogen, wer weiß ob meine Mama das schafft wenn ich tot bin. Dann habe ich aus meinem Kummerbuch all die Seiten mit den verschlossenen Türen raus gerissen und habe neue offene Türen rein gemalt – Mama versteht das dann schon - offene Türen für mich, damit ich da durch gehen kann wenn ich zur Oma gehe…..

       In den frühen Morgenstunden des 18.Oktober war es dann vorbei mit dem Gutgehen. Ich bekam kaum noch Luft und Mama hat bei mir gesessen, sie hat mich im Arm gehalten und mir immer Irgendwas erzählt. Sie hat immer wieder mit dem Arzt telefoniert und hat mir Medizin gegeben, aber ich wusste genau dass das nicht mehr hilft…..