Der blaue Sapo 966 hätte uns wohlmöglich bis über die Wende ins bundesrepublikanische Autoparadies getragen, doch drei Jahre vorher brach der hintere Achsaufhänger infolge völliger Durchrostung, und da half auch kein Hobby-Plast mehr. Da die Werkstätten schon bei Anfrage abwehrend die Hände hoben, auch kein neuwertiges Ersatzteil mehr zu beschaffen war (nicht einmal über meine guten Beziehungen zu einer, die weiterhin einen soliden Draht zum dafür verantwortlichen Großhandel pflegte), legte ich nach altem Brauch wieder selbst Hand an: das benötigte Teil montierte ich bei strömendem Regen auf einem Schrottplatz für Altwagen ab, bezahlte dafür nass bis auf die Haut und lehmbeschmiert von oben bis unten obendrein 40 Mark und baute es dann mit ein paar Tricks und Kniffen anstelle des defekten ein. Wie gehabt auf der Straße, versteht sich. Dann verkaufte ich das gute Stück schleunigst für immerhin noch 2000 Mark. Der Nachfolgebesitzer fuhr damit zu seiner Datsche ins Erzgebirge, wo der gerade erst ersetzte Achsträger erneut brach. Über das weitere Schicksal des Fahrzeugs liegen mir keine zuverlässigen Informationen vor.
Der Sachzwang erzwang den erneuten Ersatz.. Wir befanden uns mittlerweile im Jahre 3 vor der Wende. Ein Sapo selbstredend wieder (meine Wartburg-Anmeldung hatte ich schon zu Studienzeiten gegen einen Taschenrechner eingetauscht, die dafür ins Spiel gebrachte Trabi-Anmeldung würde nach damaliger Hochrechnung erst im Jahr 1992 zu einem neuwertigen Fahrzeug führen). Den Sapo diesmal für nunmehr schon 6000 Mark. Farbe hellgrau, aber recht gut erhalten und die Mütter aller Sapo-Rostteile, die vorderen Kotflügel, gerade neu eingesetzt, sie mussten nur noch lackiert werden. Das besorgte ich nach gutem altem Brauch mit der Farbrolle. Mit diesem Auto hatten wir keine Sorgen, es fuhr uns laut, aber zuverlässig, wohin wir wollten, sogar noch im Jahr nach der Wende ins bis dahin unerreichbare Nürnberg, wo es in der Siedlung unserer dort lebenden Verwandten teils unverhohlen, teils klammheimlich über die Gartenzäune beglubscht wurde. Einen Ärger mit dem Grauen gab es dazwischen dennoch: Im Sommer 89 auf einer Fahrt nach Rostock brach ein Kolbendichtungsring, der luftgekühlte Motor erhitzte sich ungemein, wir mussten an jeder der karg gesäten Raststätten zwecks Abkühlung halt machen, und selbst die 500er Trabis zuckelte mit höhnischem Grinsen an uns vorbei. Die Sapo-Werkstatt in Rostock winkte ab, überhaupt keine Zeit, die in Wittstock nahm sich seiner an und schnaubte sich aus: 2500 Mark Reparaturkosten, für eine Instandsetzung, die allerhöchsten 500 Mark wert war. Dafür ein fast völlig neuer Motor. Der Werkstattbesitzer muss intuitiv den kommenden gesellschaftlichen Veränderungen vorgegriffen haben, denn er befreite sein Ersatzteillager vom geschmähten Sowjetschrott und schaffte Platz für die gewissermaßen schon vor der Tür lauernden Opel, VW, Citroen, Ford, Fiat und wie sie alle heißen mögen. Ich hingegen, ahnungslos und blind gegenüber den bald folgenden Staats-Umwälzungen, schluckte die deftige Kröte der aufwendigen und kostenintensiven Reparatur im Glauben, dadurch, wenn der fabrikneue Trabi nach 16-jähriger Wartezeit endlich fällig wäre, für den Sapo noch wenigsten 4000, wenn nicht gar 5- oder noch besser 6000 Mark zu erstreiten. Ein halbes Jahr später schon erwies sich die Investition als eine Fehlinvestition und der mit einem quais neuen Motor bestückte Sapo als absolut unverkäuflich..
Doch bevor es zu diesem jähen Werteverfall kam, musste im Sommer 89 mit dem reparierten Fahrzeug erst noch die Heimfahrt vom Urlaubsort gemeistert werden. Die ersetzten Teile aber waren ganz offensichtlich schlecht entkonserviert, denn etwa 30 Kilometer nur noch vom heimischen Herd entfernt versagte der mit Konservierungsstoffen völlig verkleisterte Vergaser seinen Dienst: Alles Anschieben nach bewährtem Muster half bald gar nichts mehr, und so hingen wir wieder einmal am Haken, aber nicht an dem eines Traktors. Diesmal, war’s ein freundlicher Skoda-Fahrer, gleichfalls auf Urlaubsrückreise in den Süden. Er nahm sich unserer an, beschwerte sich nur einmal, dass wir angesichts des häufigen Bergauf in der Rochlitzer Berglandschaft so unsäglich schwer wären, vielleicht wäre auch eine unserer Bremsen blockiert oder gar die Handbremse noch angezogen. Waren sie nicht, der Sapo hatte eben ein sattes Eigengewicht. Etwas, was er allen anderen Autos der Ex-DDR voraus hatte..
Unseren letzten Sapo, den grauen, habe ich nach dem Sommerurlaub im Jahr 1990 verschenkt und eine Zeitlang dann als Übergang für ein paar wenige Monate den uns kostenlos überlassenen Trabi meines Bruders gefahren. Den vermachte ich nach wenigen Monaten unserem studierenden Sohn. An die Fahrenszeit mit dem Trabi kann ich mich nicht mehr recht erinnern. Ich entsinne mich nur noch dessen, dass er weitaus unbequemer, wenn auch etwas leiser als all unsere Sapos war. Und dass ich irgendwann, kurz bevor ich ihn im Frühherbst 1990 für 40 Mark an einen Polen verkaufte, im Rahmen einer geringfügigen Reparatur mit einem noch vorrätigen Sapo-Teil versah. Ich glaube es war ein Befestigungswinkel am Auspuff. Und dass mir irgendwann vorher einer, stürmisch aus einer Hofausfahrt kommend, die rechte Kunststofftür eindrückte.
Unfälle hatten wir mit unseren Sapos keine, sieht man von zwei Auffahrschäden ab, an welchen ich selbst mangels hinreichender Aufmerksamkeit die Schuld trug. Und die auch bei den in die Unfälle verwickelten Fahrzeugen infolge dort angebrachter Anhängerkupplungen keinerlei Spuren hinterließen. Um so mehr aber an den unsrigen. Die Schäden wurden von der Staatlichen Versicherung der DDR ohne großes Hingucken oder vorgelegte Nachweise großzügig reguliert. Ich habe das Geld kassiert und die eingedrückten Bleche mit dem Wagenheber notdürftig selber ausgebeult, was bei jedoch dem grauen Sapo zu einer dauerhaften Scheinwerferverstellung führte. Er schielte gewissermaßen.
Unser erstes Nachwende-Auto war ein Opel-Corsa mit 1500 ccm. Es war eine Tageszulassung, und wir blätterten 15.000 Westmark dafür hin. Cash. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir plötzlich zu soviel Geld gekommen sind, denn unsere Ersparnisse beliefen sich zur Wende auf gerade etwas über 10.000 Ost-Mark, die ja, wie man weiß, für einen neuen Trabi akkumuliert wurden. Aber egal.
Eigentlich wollte ich einen neuen Lada kaufen, denn ich war ob der Erfahrungen des letzten Jahrzehnts hinreichend bedient von gebrauchten Autos. Alle Hinweise, statt dessen lieber einen der allerorten zuhauf angebotenen gebrauchten Westwagen anzuschaffen, schlug ich in den Wind. Zum einen hörte man schon reihum, dass es mit diesen schön aufpolierten Fahrzeugen auch nicht immer zum besten stand, die Wessis nach dem Motto ‚wenn sie rosten – in den Osten‘ gutes Geld mit ihrem Schrott verdienten. Zum anderen konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellen, dass ein fünf Jahre alter Westwagen – einigermaßen gepflegt – allemal besser sei als ein neuwertiger Lada. Sicher spielte dabei auch ein nicht unerheblicher Rest alter Ideologie eine gewichtige Rolle bei meiner aus späterer Sicht nicht mehr nachvollziehbaren Entscheidung.
Der Lada hätte dann auch so um die 15.000 gekostet. Jedoch, der Gott aller Autos (oder der aller Ossis?) war uns gnädig gestimmt, denn, dem Himmel und dem darin wohnenden Autogott sei Dank, infolge