Dame in Weiß. Helmut H. Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut H. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847668299
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Paradies?«

      »Vielleicht war es vorher noch dreckiger«, sagte Goll. »Wisst ihr, was Pfordte gesagt hat?« Pfordte gab Geschichte. »Dieses Land hat noch nie einer besiegt.«

      Auf mich hatten weniger die Worte, mochten sie eine Tatsache ausdrücken oder nicht, Eindruck gemacht, als der Tonfall der Sorge. Pfordte hatte beide Hände auf die Karte gelegt; das Gebiet von der Weichsel bis an den Pazifischen Ozean umspannend.

      »Wir wissen sogar noch mehr«, wandte sich Goll an mich, »mein Vater hat anfragen lassen, wie Pfordtes Äußerung zu verstehen sei. Darauf hat der Herr Oberlehrer eine schriftliche Erklärung abgegeben, er zweifle selbstverständlich nicht daran, dass der Führer Stalin in die Knie zwingen

       werde.«

      »Sieg heil«, sagte Schott, »Pfordte ist ein Arschloch. Warum hatten wir eigentlich einen Pakt mit Stalin?«

      Wir verquatschten den Nachmittag.

      Die anderen gingen, ich blieb und aß mit den Golls zu Abend.

      »Ihr werdet ein schönes Stück von der Welt sehen«, sagte Herr Goll.

      »Du musst noch einen Brief schreiben«, sagte die Mutter, »Ludwig kann nicht alles mitmachen mit seinem Bein.«

      »Ich werde schreiben, beruhige dich. Und Ludwig wird wohl allein entscheiden können, wozu er körperlich imstande ist und wozu nicht.«

      Goll-Teja nickte.

      Der Vater redete weiter. »Es ist vielleicht ein bisschen hart für euch, schließlich seid ihr noch keine Erwachsenen, aber im Lager ist es jedenfalls besser als hier. Die Luftangriffe dieser Gangster zwingen uns zu Evakuierungen. Vor allem müssen wir die Jugend vor Schaden bewahren.«

      Der Schriftleiter flößte mir viel Respekt ein.

      »Bruchners Vater ist bei Leningrad gefallen, Vater«, sagte Goll.

      »Die arme Frau.« Es war das erste Mal, dass sich Golls Mutter am Gespräch beteiligte.

      »Der Krieg wird spätestens in einem Jahr zu Ende sein.

      Dann sind die Kräfte der Russen erschöpft. Sie müssen einen Waffenstillstand anbieten. Das entlastet die Westfront - kurz gesagt, ihr seid noch zu wenig mit Wissen ausgerüstet, um alle Einzelheiten zu erkennen, aber in spätestens einem Jahr trägt Europa ein anderes Gesicht, das Gesicht des Deutschtums. Natürlich ist jeder Gefallene ein Toter zu viel, Ludwig.«

      Wir schwiegen und aßen weiter.

      »Du bist allein«, fragte mich Frau Goll. »Ludwig sagte so etwas.«

      Ich erklärte, dass mein Großvater mich bis zu unserer Abreise betreuen werde.

      »Du kannst ganz hierbleiben bis zur Abreise. Ihr seid doch Freunde, ihr müsst jetzt zusammenhalten.«

      »Vielen Dank.«

      Sie war freundlich und sehr besorgt.

      Wir lagen in unseren Betten, Goll hatte die Verdunkelung hochgezogen. Draußen brannte kein Licht, auch die wenigen Autos fuhren mit abgeblendeten Scheinwerfern, eine Maske mit einem kleinen Schlitz. Und doch tröstete uns das bisschen Licht.

      »Glaubst du, dass wir in einem Jahr zurück sein werden?«

      »Nein.« Ich glaubte es nicht. Selbst wenn der Krieg zu Ende wäre, blieben noch Fragen. Würde mein Vater zu uns zurückkommen? Was wurde aus Barbara, die in Weimar dienstverpflichtet war? Und aus Felix, meinem Bruder? Vielleicht fehlte uns dann auch das Geld, um mich weiter zur Schule zu schicken. Mein Großvater Mattias Stadel war bisher für vieles aufgekommen, war mit Geld eingesprungen, aber würde er sich noch um uns kümmern, wenn mein Vater meine Mutter verließ? Ich erzählte Goll, dass sich meine Eltern vielleicht trennen würden, ohne ihm die Gründe zu nennen.

      »Denk jetzt nicht darüber nach, Hans. Ich finde es von deinem Vater gemein, jetzt, im Krieg, aber machen kannst du nichts. Vielleicht ist es gut, dass du wegkommst.«

      Am Kai der Jannowitzbrücke versammelten sich einige Hundert Jungen und Mädchen. Unser Gepäck, Tornister, Rucksäcke, Taschen, Koffer, packten wir auf einen Haufen. Alle trugen pflichtgemäß Uniform. Unserer Abreise aus Berlin fehlte der Glanz des Aufbruchs, es regnete in feinen Fäden, die uns bis auf die Haut durchnässt haben würden, hätten wir uns nicht Zeltplanen umgehängt. Dann fehlte aber auch das Tamtam - keine Trommeln, keine Fanfaren, keine Lieder. Auf dem trüben Spreewasser schaukelten sanft die Ausflugsdampfer, auf die wir verladen werden sollten.

      Kommandos ertönten. Wir wurden aufgerufen, griffen nach unseren Sachen und rannten zum Stellplatz; drängelten uns hastig in die Reihe, wechselten rasch die Plätze, um die Größten nach vorn an die Spitze zu lassen. Von einer Liste wurden Namen verlesen; die Aufgerufenen schrien hier und machten einen Schritt aus dem Glied nach vorn. Ich streifte Jendokeit mit dem Ärmel, er sah mich kurz an und flüsterte: »Wir müssen zusammenbleiben; Hans, hast du gehört?«

      Wir kamen auf kleine und mittlere Spreedampfer, die sonst dem Ausflugsverkehr dienten. Vorn im Bug wurden unsere Sachen verstaut, mit einer großen Plane zugedeckt und fest verschnürt. Etwas Warmes zu essen würde es tagsüber nicht geben.

      Die Schiffe legten ab. Es regnete stark, der Wind trieb den Regen ins offene Vorschiff, auf der Persenning bildeten sich kleine Pfützen, Ölgestank verbreitete sich, die Fenster beschlugen vom Atemdunst der vielen kleinen uniformierten Jungen, die alle durcheinander schrien, um ihre Angst und ihren Schrecken vor der Zukunft zu überwinden. An der kleinen Toilette standen sie Schlange, scharfer Uringeruch stieg in den Schiffsraum. An den Türen wachten die Führer und wiesen jeden zurück, der nach draußen wollte. Ich durfte nach oben. In der frischen, feuchten Luft ließ es sich eher aushalten.

      Ich blieb noch eine Weile stehen, Treptow tauchte auf; ich erinnerte mich der Festwiese mit dem Mann, der sich aus einer Kanone schießen ließ, und an das Feuerwerk. Dann kamen Oberschöneweide und Köpenick mit dem spitzen Rathausturm und den beiden Brücken. Hier teilt sich die Spree, der eine Arm fließt in den Müggelsee und heißt alte Spree, der andere fließt in die Dahme. Wir fuhren die Dahme aufwärts. Unsere Dampfer machten jetzt schnellere Fahrt. Vor dem Bug des Schiffes, auf dem ich stand, bildete sich, eine Welle, aber ich ging nicht weg, sondern zog die feuchte, kühle Luft in die, Lungen, Mir war klar, dass ich für eine ungewisse Zeit wegging.

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