Ernst-Darwin Wallace (Bund der Studiengebührenopfer)
Tropenhospital Ternate/Indonesien, im Oktober 2015.
Erstes Kapitel
Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo
Erinnern Sie, geneigter Leser, sich noch an die turmhohen Wellen, die die sogenannte Sarrazin-Debatte im Jahre 2010 in Deutschland schlug? Wie der zum Bevölkerungsbiologen mutierte Bundesbanker es schaffte, nicht nur Bestsellerautor zu werden, sondern auch Hätschelkind der Springerpresse, und das trotz SPD-Parteibuch? Alle begeisterten „Deutschland schafft sich ab“-Leser, alle glühenden Sarrazin-Verehrer vom hinterletzten NPD-Wähler bis hinauf in die schicken Redaktionsflure der BILD-Zeitung wollen wir an dieser Stelle darum bitten, ihrem inneren Sinn für Gerechtigkeit zu lauschen: denn die These scheint nicht unberechtigt, dass es eigentlich Professor Ulrich Kutschera ist, dem Thilo Sarrazins breit abgeernteter Ruhm zugestanden hätte. – Denken Sie nur einmal nach, bzw. haben Sie Mut, sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen! Glaubt wirklich irgend jemand, dass ein Banker, der zwar einen Doktortitel besitzt, aber eben keinen realwissenschaftlichen, etwas vom drohenden Aussterben der deutschen Bevölkerung bemerken könnte, bevor es die eigentlichen Spezialisten auf diesem Gebiet – sprich: die Biologie-Professoren – schon längst registriert und in Fachbüchern veröffentlicht hätten? Sicherlich nicht – es sei denn, man hielte die betreffenden Biowissenschaftler für einen Haufen schlafmütziger Elfenbeinturm-Forscher. Nun haben wir im Prolog des vorliegenden Büchleins ja bereits lernen können, dass es solche Schlafmützen tatsächlich gibt – aber auch, dass Professor Kutschera von den Universitäten Kassel sowie Stanford/USA mitnichten zu diesen zählt, ja, sich von solcherlei Valium-Kollegen stets und mit mutig-offenen Worten distanziert hat! Und tatsächlich, nichts könnte in diesem Zusammenhang ein besserer Beweis für Kutscheras nimmermüdes Pflichtverständnis sein als die Tatsache, dass er schon sechs Jahre vor Thilo Sarrazin nicht nur alle bestsellertauglichen Fakten zusammengetragen, sondern sie an diversen Stellen seines umfangreichen Opus „Streitpunkt Evolution“ längst veröffentlicht hatte. – Was mag der Grund gewesen sein, dass es niemand so recht bemerkte? Und dies, obwohl seine Mitstreiter aus der „mal AG, mal AK“-Evolutionsbiologenvereinigung sich nicht wenig Mühe gaben, Kutscheras gewichtige „Streitpunkt“-Arbeit immer wieder zu zitieren und zu loben?
Nun, naheliegenderweise ist hier ein sozusagen naturgegebener Unterschied zwischen einem Biologie-Spitzenprofessor und einem SPD-Bundesbanker ins Kalkül zu ziehen. Ganz unvermeidlich wird ein Buch des Ersteren immer ein weitaus höheres inhaltliches und sprachliches Niveau aufweisen – ganz einfach deshalb (wir sagten es schon und wiederholen es gerne) weil ausschließlich die Realwissenschaften dem menschlichen Geist jenen letzten logisch-kritischen Feinschliff verleihen, von dem ein Politiker oder Wirtschaftsmagnat zeitlebens nur träumen kann. Im vorliegenden Falle führte dies dazu, dass Kutscheras Ausführungen weitaus fundierter und komplexer angelegt waren, aber dadurch eben auch deutlich anspruchsvoller als die des epigonalen Bundesbanker-Bestsellers. Jedoch seien Sie beruhigt, lieber Leser, denn wir haben im vorliegenden Kapitel nicht nur die betreffenden Passagen aus „Streitpunkt Evolution“, sondern auch Ergänzendes aus späteren Kutschera-Büchern in didaktisch geschickter Weise zusammengestellt und sind sehr sicher, dass auf diese Weise ein Jeder problemlos unsere These nachvollziehen wird: die eindeutige Kutschera-Priorität in Sachen Feststellung der deutschen Selbstabschaffung, aber auch – und dies ist wichtiger, weil weniger kopfhängerisch – in Sachen deutsche Gegenmaßnahmen.
Doch zum Auftakt ein kleiner Gang ins Fitness-Studio! Ja, Sie haben richtig gelesen – denn am Beispiel solch einer Sportstätte führt Professor Kutschera seine Leser an die realwissenschaftlich entscheidenden Schlüsselbegriffe heran (ohne deren genaue Kenntnis in dieser ganzen Debatte natürlich niemand mitreden darf, SE S.78):
„Die bedauernswerte Distanz zwischen dem biologischen Laien und dem Evolutionisten (und somit vom Biowissenschaftler) (...) kommt auch beispielhaft in dem populären Begriff »Fitness-Studio« zum Ausdruck (...). In der Evolution geht es jedoch nicht um die körperliche Gesundheit des ausgewachsenen Individuums, sondern um das genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen. (...) Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Besucher sogenannter »Fitness-Studios« vom Schlüsselbegriff der Evolutionsbiologie gehört haben und dessen exakte Bedeutung kennen.“
Es werfe jetzt bitte niemand dem renommierten Kasseler Evolutionsbiologen vor, er wolle die enorme soziale Bedeutung körperlicher Gesundheit herunterspielen! Nein, ganz und gar nicht – er will lediglich sicherstellen, dass die physische Volksgesundheit auch von einer mentalen (selbstredend realwissenschaftlich bedingten) Robustizität begleitet wird, und bringt diesen Wunsch in der folgenden schönen, aber auch sehr unumwunden ausgesprochenen Mahnung an die Nation zum Ausdruck (ebd. S.78/79):
„Da ein Teil der deutschen Bevölkerung Medienberichten zufolge mangels Bildung nicht in der Lage sein soll, sich gesund zu ernähren (mit der Konsequenz ständig steigender Gesundheitskosten), wurde von Fachleuten der Begriff »Ernährungs-Analphabetismus« geprägt. Die oben zusammengetragenen Fakten zeigen, dass die wichtigste Entdeckung der modernen Biologie (Tatsache Evolution) zahlreichen Mitbürgern weitgehend unbekannt ist bzw. falsch verstanden wird. Es ist daher aus meiner Sicht gerechtfertigt, von einem »evolutionären Analphabetismus« in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung zu sprechen.“
Eine dramatische Diagnose! Aber was genau bedeutet sie? Nun, lieber Leser, bauen Sie ein wenig Körperspannung auf und konzentrieren Sie sich bitte genau auf das, was der Professor einleitend zum Thema Fitness gesagt hat: Es geht um das „genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen“. Mit anderen Worten, „Überleben“ ist schön und gut, aber „genetisches Überleben“ ist besser, und vor allem auch realwissenschaftlich präzise ausgedrückt. Erst mit dieser Sichtweise überwindet man den beschränkten Laienhorizont, und im Falle von Kutschera gelingt noch weitaus mehr: Er wird zum Visionär, zum Zukunftsforscher, ja zum potentiellen Politikberater der Güteklasse A. Folgen Sie daher recht aufmerksam seinen Gedankenflügen, zumal, wenn Sie ein Patriot und nativer Deutscher sind (ebd. S.295):
„Aus diesen Sätzen kann beispielhaft das evolutionäre Denken des Naturwissenschaftlers abgeleitet werden. Organismen sind Lebe- und somit auch Sterbewesen: Das genetische Überdauern im Verlauf der Generationenabfolge, in anderen Worten die Sequenz »Eltern/Kinder → Eltern/Kinder« usw., ist der eigentliche biologische Sinn unseres kurzen Erdendaseins (...). Der Evolutionist denkt daher in der Einheit »Generationen«, d.h. er bezieht die Zukunft in seine Überlegungen mit ein.“
Sie merken schon: Ein ausgebildeter Evolutionswissenschaftler könnte in der Gesundheits- und Rentenpolitik den Unterschied zum bisherigen Totalgestümper machen – denn wer, außer ihm, bezieht schon „die Zukunft in seine Überlegungen mit ein“? Und wer, außer ihm, blickt bevölkerungsbiologisch dermaßen durch – man staune über die direkt im Anschluss zu Papier gebrachten Sätze, vor deren geradezu abyssaler Tiefe ein Großteil soziologischer und psychologischer Forschung reichlich überflüssig wirkt (ebd.):
„Denken in evolutionären Kategorien beinhaltet somit eine Vorsorge für die Nachkommen des sterblichen Individuums. Aus diesem Grund leben Menschen, die Kinder hinterlassen, in aller Regel