ADA = Anmerkung des Autoren
Die Astralreise
Wie sehr häufig in den letzten Tagen stand Michael von seinem Fernseher nur sehr ungerne auf. Er war heute besonders gemattet und geschlaucht. Schließlich hatte er 5 Stunden am Stück in die Glotze geguckt. Etwas geärgert hatte ihn das schon, jedoch fiel ihm das Aufstehen aus seinem gemütlichen Sessel immer sehr schwer. Zwischen den 32 Kanälen konnte man schließlich immer etwas finden, was wichtiger war, als ins Bett zu gehen.
„Wieder nur negative Dinge. Warum wird in den Nachrichten immer nur über Kriege, Morde, Entführungen, Schwierigkeiten in der Politik oder anderen Mist berichtet? Nie werden positive und aufmunternde Sachen gezeigt“, ärgerte er sich wie so oft.
Der anschließende Mega-Super-Film der Woche zeigte jetzt zur Osterzeit immerhin nur 8 Tote und eine Vergewaltigung. Auch das Zappen der Kanäle stellte ihn heute nicht ganz zufrieden. Die Filme unterschieden sich auch an diesem Abend wie immer nur dadurch, auf welche Art und Weise Menschen umgebracht, Kriege angezettelt oder Gräueltaten geplant wurden.
Die Nachrichten unterschieden sich nicht wirklich von den Filmen. Es ging immer wieder um Intrigen, Machtspiele und Mord.
So schlurfte er gedankenverloren, die Socke auf halb acht hängend, murrend und unzufrieden ins Bad. Als er die Tür hinter sich schließen wollte, verhedderte sich die Socke unter der Tür. Er verlor langsam aber sicher das Gleichgewicht. Er wußte in diesem Moment nicht, ob er fluchen oder beten sollte. In der Gewißheit, dass er sich ganz sicher jetzt weh tun würde, ließ er zu allererst die Fernbedienung fallen. Da der Toilettendeckel wie immer aufstand, flog sie natürlich in hohem Bogen dort hinein. In diesem Moment entschied sich Michael für das Fluchen. Im nächsten Moment dankte er Gott dafür, dass er seinen Hosenboden recht sanft auf etwas aufsetzte.
Als er merkte, dass er auf einem noch sehr nassen Aufnehmer saß, fluchte er wieder. Um nun die Socke aus der Tür zu bekommen, machte er die Tür unter einiger Anstrengung wieder auf. Natürlich zerriß er die Socke dabei. Er überlegte, was er nun zuerst ausziehen sollte, die Socke oder die nasse Hose. Vielleicht sollte er aber auch zuerst die Fernbedienung aus der Toilette holen. Er entschied sich zunächst für die Socke. Er zog sie auf dem Weg zum Mülleimer beide aus, um sie wegzuschmeißen. Als er bemerkte, dass er zwei verschiedene Socken anhatte, holte er die heile Socke wieder aus dem Müllbeutel heraus.
In diesem Augenblick bemerkte er, wie immer, wenn er herum baselte, ein leichtes Kribbeln auf seinem Kopf. Es war so, als würde er eine leichte Windbrise auf seiner Schädeldecke spüren. Er machte sich wie so oft nichts daraus und begab sich ins Bad.
Als er sein Chaos beseitigt hatte, legte er sich zu seiner bereits eingeschlafenen Frau. So konnte er sie auch nicht mehr darüber aufklären, wo man nasse Wischer hinstellen könnte, außer direkt an die Badezimmertür.
Grummelnd dachte Michael über sich und die Welt nach.
Vieles war ihm unverständlich. Doch er ergab sich seit einigen Wochen seinem Alltagstrott, weil er der Meinung war, doch nichts ändern zu können. Er verstand nicht, warum es in der heutigen Zeit, in der wir uns doch alle für intelligent halten, immer noch Kriege gibt; warum sich die Menschen in gesellschaftliche Zwänge begeben, aus denen sie nicht mehr hinauskommen; warum Geld für eine intelligente Menschheit einen höheren Stellenwert als ein Menschenleben einnahm. Lange hatte er versucht, die Menschen zu verstehen, bevor er sich nun in seinem Alltag vergrub und es aufgeben wollte, nach einem Sinn des Lebens zu suchen.
Nach einem tiefen Sinn hatte Michael bis vor kurzem vergebens gesucht. In vielen Büchern las er über Kontakte zu anderen Dimensionen, über außerirdisches Leben oder die Möglichkeit, Astralreisen zu unternehmen. Er diskutierte viel über diese Dinge und las unglaublich viel darüber, so dass sein theoretisches Wissen über „unbekannte Dinge“ enorm hoch war. Als er vor einigen Wochen nicht mehr wußte, wo er noch nach der „Wahrheit“ suchen sollte, guckte er schließlich immer öfter in den Fernseher.
Als er nun, wie die meisten, in seinem „Alltagstrott“ lebte, wurde er wieder von seiner Umwelt und der Gesellschaft als normal bezeichnet.
Doch er hatte weiterhin jedesmal, wenn ihm etwas Schusseliges passierte, dieses Gefühl auf seinem Kopf, eine leichte unsichtbare Dusche zu bekommen. Es war einfach ein leichtes Kribbeln zu spüren. Doch er konnte sich nicht erklären, wo es herkam. Da seine Umwelt ihm auch keine passende Antwort dafür geben konnte, hielt er es eben für normal.
Als er schließlich nach mehreren Versuchen immer noch nicht einschlafen konnte, versuchte er, sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu entspannen. Er hatte an einigen Yoga- und Meditationskursen teilgenommen, die er wieder abbrach, weil seine Umwelt dafür wenig Verständnis zeigte. Denn wer braucht im zivilisierten und fortgeschrittenen Europa schon Yoga. Die meisten, die ihm dazu abrieten, wußten zwar nicht, was Yoga ist, aber es war ihnen sehr suspekt, so dass sie es auf keinen Fall empfehlen konnten. Michael tat es in diesem Fall doch. Er lag ja schließlich auch allein in seinem Bett, so dass niemand bemerkte, was er da nun machte.
Er entspannte zuerst seine Gedanken und versuchte sich auf seinen Körper und seinen Atem zu konzentrieren. Er verfolgte den Atem auf seinem Weg und verlor so sein Bewußtsein für die Umgebung. Er nahm sogar das Bett, auf dem er lag, nicht mehr wahr. Als nächstes gab er seinen Beinen den Befehl, sich zu entspannen. Er stellte sich weißes Licht vor, wie es seine Beine umhüllte. Sie wurden immer schwerer und schwerer. Schließlich merkte er sie gar nicht mehr. So nahm er sich seinen Rumpf und seinen Brustkorb vor. Er hüllte gedanklich seinen Körper immer mehr in weiß leuchtendes Licht ein. Zwar wußte er nicht genau, warum gerade diese Meditationsübung bei ihm wirkte, aber er wollte es auch gar nicht wissen. Er fühlte sich einfach wohl dabei. So kam er auch an seinem Kopf an. Er atmete gleichmäßig und tief ein und aus. Er lag regungslos und konzentriert auf seinen Körper da und umhüllte auch seinen Kopf mit weißem Licht.
Michael nahm seinen Körper nun überhaupt nicht mehr wahr. Er merkte nur noch, dass er gedanklich anwesend war. Von einem Körper spürte er nichts mehr. Seine Gedanken gingen mit dem Atem nun noch intensiver ein und aus. Er bemerkte, dass ihm irgendwie äußerst angenehm leicht zumute war. Dieses Gefühl kannte er noch nicht. Aber da es angenehm war, blieb er in diesem Zustand noch einige Minuten.
Nach einer Weile verließ er gedanklich seinen Atem und wanderte mit seiner ganzen Aufmerksamkeit in seinen Kopf. Dieser Moment sollte für Michael unvergeßlich werden. Denn als er sich auf seine Haarspitzen konzentrierte, fing es wieder an zu kribbeln. Er bekam wieder diese leichte Dusche, die er immer verspürte, wenn er gedankenverloren herum baselte.
Er wußte nicht, wie er sich nun verhalten sollte. Aber da ihm der insgesamt sehr entspannte Augenblick gefiel, blieb er einfach ruhig und gedankenverloren so liegen und verfolgte, ob sich das Kribbeln möglicherweise verstärken würde.
Lange musste er nicht darauf warten. Tatsächlich wurde die Dusche aufgedreht. Er fühlte sich, als wäre er an eine Schwachstrombatterie angeschlossen. Da er aber genau wußte, dass er auch nicht zu nah an einer nicht isolierten Steckdose lag, genoß er diese entspannenden Augenblicke. Doch es sollte sich sogar noch verstärken.
Michael lag in einer tiefen Entspannung und eingehüllt in seinem weißen Licht in seinem Bett und sein Kopf kribbelte wie verrückt. Er ließ den sehr entspannten Augenblick gerne über sich ergehen und wehrte sich absolut nicht dagegen. Plötzlich merkte er ein extrem starkes Kribbeln. Doch mit einem Mal war es vorbei. Nun spürte er eigentlich überhaupt nichts mehr. So leicht wie eine Feder war ihm zumute.
In Sekundenschnelle musste er verarbeiten, dass er aus 1–2 Metern Höhe auf seinen Körper herunterschaute. Von Astralreisen, in denen sich der Geist des Menschen von seiner fleischlichen Hülle löst, hatte er schon gehört. Er nahm seinen Körper, aber auch seine Aura, sein energetisches Schwingungsfeld um den Körper herum, wahr.
Zeit, um sich an diesen so oft gelesenen und nun praktisch