Der Coach. Eva Pflüger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva Pflüger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241440
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sich dann zu korrigieren mit den Worten, sie habe einige Informationen über mich von einem Kollegen bekommen. Ich habe dem zunächst keine Bedeutung beigemessen.“

      „Fallen dir noch andere Ereignisse ein?“

      „Nichts Konkretes. Sie versucht mit mir zu flirten, glaube ich.“ Ich sinke in den Sessel. Versuche tief durchzuatmen.

      „Glaubst du, sie flirtet mit dir oder bist du es, der… ?“

      „Stop, Anke. Bitte nicht die Strophe mit der Übertragung.“

      Sie lässt sich nicht einschüchtern. Schaut mich ernst an.

      „Möchtest du weiter machen, Leo?“

      „Ja, was willst du mir sagen?“ Auf meinen gereizten Tonfall geht sie nicht ein.

      „Beschreibe doch bitte das letzte Zusammentreffen mit deiner Klientin.“

      Jetzt muss ich entscheiden, gestehe ich dem Buddha, der anders als ich, vollkommen mit sich im Reinen zu sein scheint, ob ich endlich den Mut aufbringe, ehrlich zu mir selbst zu sein. Wenn nicht, habe ich Ankes Zeit und Zuwendung vergeudet und sollte mich verabschieden.

      „Es lief nach dem bekannten Muster. Sie beschäftigte mich mit einer aktuellen Geschichte aus dem Büro und der Bitte, gemeinsam ihr Verhalten in diesem Zusammenhang zu analysieren und andere Handlungsoptionen zu entwickeln. Meine Geduld war am Ende. Sie muss das gespürt haben, als ich ihr mitteilte, dass wir so nicht weiter machen können. Sie floh geradezu auf die Toilette. Als sie zurück kam, konnte ich sehen, dass sie geweint hatte. Ich bat sie, sich zu überlegen, ob sie bereit sei, in einer weiteren Sitzung darüber zu sprechen, was sie so sehr bedrückte. Andernfalls würden wir die Zusammenarbeit beenden. Ich sprach auch das Thema Psychotherapie an. Wir vereinbarten, dass sie mir nach einer Bedenkzeit mitteilen solle, für welchen Weg sie sich entschieden hatte. Das war’s.“

      „Du hast ihr angesehen, dass sie geweint hatte. Was hast du gefühlt?“

      „Angst. Und Schuld.“

      „Was genau hat dir Angst gemacht?“

      „Ich war in diesem Moment nicht sicher, ob ich in der Lage wäre, die gebotene Distanz zu wahren. Das habe ich noch nie erlebt im beruflichen Kontext.“

      „Was war anders als sonst?“

      „Es kommt hin und wieder vor, dass Klienten sehr starke Gefühle zeigen, auch dass sie weinen. Ich denke, dass mir in diesem Fall, mit dieser Klientin, meine eigenen Gefühle in die Quere kamen. Oder vielmehr die Tatsache, dass ich nicht professionell damit umgegangen bin.“

      Es fällt mir schwer, aber ich mache weiter.

      “Sie ist eine schöne Frau, strahlt etwas aus, das mich zugleich anzieht und verwirrt. Der Coach wollte die Sache beenden. Leo nicht.“

      „Was genau hat dich daran gehindert, das Coaching zu beenden?“

      „Ich habe es genossen, sie zu sehen. Sie spielt ein Spiel mit mir. Es war faszinierend, gleichzeitig Beobachter und Objekt ihres Spiels zu sein. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich die Absicht, Grenzen zu überschreiten.“

      Anke braucht eine Pause, kocht Tee und schickt mich an die Luft, auf die Terrasse ihrer Wohnung im 6. Stock. Ein guter Platz, um Energie zu tanken, Licht und Schatten zu beobachten, Überblick zu gewinnen.

      Mit dampfenden Teebechern sitzen wir uns in dem verschwenderisch bunten Wohnzimmer gegenüber. Einen Teil meiner Schwere habe ich auf der Terrasse zurück gelassen. Vielleicht hat auch Anke sie mitgenommen und irgendwie entsorgt.

      „Dir geht es etwas besser“, stellt sie mit einem kleinen Fragezeichen versehen fest. Ich erwidere dankbar ihren Blick.

      „Gut. Machen wir weiter?“

      Ich nicke zustimmend und stelle meine Tasse auf den kleinen Tisch an meiner Seite, den Anke mir vor ein paar Jahren in einem Laden mit indonesischen Möbeln gezeigt hatte. Mein Geschenk zu ihrem 60. Geburtstag.

      „Du hast von Schuld gesprochen, Leo. Wenn es nicht die Absicht war, Grenzen zu überschreiten, was ist es dann, das dir Schuldgefühle macht?“

      „Ich weiß, dass ich schon viel zu lange die absolut notwendige Entscheidung, das Coaching zu beenden, hinauszögere. Damit habe ich mich in höchstem Maß unprofessionell verhalten. Auch das war mir von Anfang an bewusst. Ich habe gemerkt, dass ich der Klientin nicht helfen konnte und trotzdem habe ich weiter gemacht. Mit meinem Verhalten verstoße ich gegen so ziemlich jede Regel unserer Profession.“

      Zum ersten Mal seit Stunden habe ich das Gefühl, tief durchatmen zu können.

      „Das war unprofessionell, kein Zweifel. Und jetzt, lieber Leo, hast du den Weg hierher gefunden und dich diesem Gespräch und damit dir selbst gestellt. Vergiss’ das nicht, wenn du in Versuchung gerätst, dich niederzumachen.“

      Noch einmal wandert mein Blick zu der Ecke, wo der Buddha schon darauf zu warten scheint, dass ich auch noch die anderen Seiten der Wahrheit preisgebe.

      „Wenn ich gesagt habe, ich wollte die Klientin dabei unterstützen, ihr Problem zu bearbeiten, habe ich nur die Hälfte der Geschichte erzählt.“

      Die Gelassenheit und Wärme, die meine wunderbare Freundin ausstrahlt, verleihen mir Mut, fortzufahren.

      „Am Ende der Sitzung, von der ich dir berichtet habe, geschah etwas sehr Merkwürdiges. Vielmehr waren es zwei Szenen, kurze Momente nur, die mich umgehauen haben. Wir waren in meinem Beratungsraum im Begriff uns zu verabschieden. Meine Klientin machte eine Bemerkung über meinen Namen. Er sei ungewöhnlich und man vergesse ihn wohl nie wieder, nachdem man ihn einmal gehört habe.“

      „Was hat dich irritiert?“

      „Ich erinnerte mich daran, dass sie zu Anfang gesagt hat, sie kenne mich. Nun hatte ich wieder das Gefühl, dass sie mir eine versteckte Botschaft schickte, als gäbe es etwas, das uns verbindet, als ob wir ein Geheimnis teilten. Vielleicht wollte sie mich zu einer Frage provozieren. Ich ließ mich nicht darauf ein. Und ich habe nach wie vor keine Ahnung, was sich hinter diesem Verhalten verbirgt.“

      „Du hast von zwei Szenen gesprochen. Was war noch?“

      ’Sag’s ihr, Buddha.’ Die Statue in der Ecke nimmt mir die Arbeit nicht ab.

      „Während ich noch über die seltsame Bemerkung wegen meines Namens grübelte, fiel meiner Klientin die Tasche aus der Hand. Sie war nicht verschlossen und der Inhalt landete auf dem Fußboden. Die üblichen Utensilien einer Damenhandtasche.“

      Ich hole tief Luft. Mein Mund ist trocken.

      „Und noch etwas schlidderte über den Boden, direkt vor meine Füße. Ein Foto von mir. Das Foto, das auf meiner Internetseite abgebildet ist. Ein Ausdruck davon. Etwas kleiner als eine Ansichtskarte.“

      Ich versuche, Ankes nonverbale Antwort zu deuten. Sie neigt den Oberkörper eine Nuance nach vorn, ohne die Lotushaltung aufzulösen. Presst eine Sekunde lang ihre Lippen aufeinander. Fährt durch die Stoppelhaare.

      „Sprich weiter.“

      „Nichts weiter. Ich meine, ich wollte ihr helfen, die Sachen aufzuheben.“ ’Bitte lassen Sie das’, sagte sie.

      „Als sie alles eingesammelt und in ihre Tasche gestopft hatte, zauberte sie ein Lächeln auf ihr Gesicht und ließ sich von mir zum Ausgang begleiten. Sie sprach kein Wort.“

      „Und du?“

      „Ich auch nicht. Ja, ich hätte sie sofort zur Rede stellen müssen. Ich war völlig überfordert in diesem Augenblick.“

      „Ja, ich verstehe“, Anke nickte, „und was hast du später unternommen?“

      Warum konnte ich nicht einfach in den Tiefen des Sessels verschwinden?

      „Leo, wohin bist du verschwunden? Komm, bleib’ hier. Das ist wichtig. Für dich.“ Meine Freundin sieht angespannt aus.

      „Ich habe nichts unternommen. Das heißt, ich habe darauf