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Wie oft hatte sie Cindy vor dem verschlagenen Verbrecher gewarnt? Jawohl, in ihren Augen war er ein Verbrecher, sonst hätte er nicht mit einem Laden, in dem man nie Kundschaft sah, derart viel Geld scheffeln können. Seine Geschäfte hielten garantiert keiner polizeilichen Überprüfung stand, an Verstöße gegen die Steuergesetzgebung wollte sie erst gar nicht denken. Monique schossen erneut ihre Mahnungen an Cindy durch den Kopf, sie hatte mit Engelszungen versucht, ihre Freundin aus den Fängen des Scheusals loszueisen, ihr eine vielversprechende Zukunft ohne diesen Typen ausgemalt, Liebe und Geborgenheit waren doch wesentlich mehr wert als Wohlstand und Konsum in einer Knechtschaft.

      Sie sah den Rettungswagen vorfahren und stürzte so schnell sie konnte die Treppe herunter, öffnete die Haustüre, fixierte sie und wies den Sanitätern den Weg zum Opfer. Schon Sekunden später trafen Notarzt und Polizei wie auf Verabredung ein. Der Mediziner stellte auf Anhieb fest, dass Cindy noch lebte, sie habe viel Blut verloren und sei infolge der Schläge auf den Hinterkopf oder an die Schläfe ohne Bewusstsein. Die Strangulation mit der Strumpfhose schien frühzeitig unterbrochen worden zu sein, vielleicht sei der Täter unerfahren gewesen oder einfach nur gestört worden, jedenfalls sei der Kehlkopf noch intakt. Nach Einschätzung des Notarztes bestanden noch gewisse Chancen, dass das Opfer den Überfall überlebte, aber sicher sei das keinesfalls. Jedenfalls bestünde akute Lebensgefahr. Als Cindy auf der Krankentrage lag und eine Kreislaufstärkende Infusion in ihre Vene tropfte, nahm Monique das ganze Ausmaß der Gewaltanwendung wahr, sie sah, wieviel Blut ihre Freundin verloren hatte. Das Kopfkissen war dunkelrot eingefärbt, also blutgetränkt und an den Rändern bereits eingetrocknet. Sie wandte sich ab, sie konnte es nicht begreifen, wie brutal und ohne Rücksicht auf Verluste dieser Rohling mit ihr umgegangen sein musste, dass sie derart zugerichtet war. In ihrem Hirn spielten sich Racheszenen ab, was sie mit diesem Kerl gerne anfangen würde. Langsam, ganz langsam zu Tode quälen. Kastration ohne Narkose war noch das Harmloseste. Ihr fielen Folterszenen des Mittelalters ein, die sie in Filmen gesehen hatte. Die Folterknechte waren einfallsreich gewesen. Ein Streckbett oder auch Daumenschrauben erschienen ihr im Moment als viel zu human. Aber was wollte sie als schwache Frau schon gegen diesen kräftigen Kerl tun? Sie wollte keinen dieser Rachepläne verwerfen, sie musste etwas tun, ihr würde schon das Passende einfallen. Sie musste nur den richtigen Moment abwarten, sie war wild entschlossen, bei passender Gelegenheit würde sie zuschlagen. Bei diesem Gedanken war ihr gleich wohler.

      ***

      Polizeioberkommissar Wohlfarth stellte sich bei der Anhörung der Zeugin im Polizeipräsidium gestenreich mit geschwellter Brust vor. Es schien, als wollte er beweisen, dass er der richtige selbstbewusste Mann für die Aufklärung dieses Mordversuchs war. Er zeigte mit einer missachtenden Handbewegung des Daumens auf einen jungen Polizisten in einem Jeansanzug und meinte, das sei Polizeimeister Gasser, der drei Pappbecher mit Kaffee balancierte. Zucker und Milch mit Plastikstäbchen standen bereits auf dem Schreibtisch.

      Monique wurde aufgefordert zu berichten, warum sie Cindy aufsuchen wollte, wie sie sie vorgefunden hatte. Sie berichtete knapp und wahrheitsgemäß, dass sie sich fast täglich sahen oder zumindest einmal, wenn nicht mehrmals täglich miteinander telefonierten. Sie verbrachten regelmäßig Moniques Pausen gemeinsam entweder in einem Café, von denen es einige in der näheren Umgebung gab, oder auch gelegentlich bei Cindy zu Hause. Dann erkundigte sich der Beamte nach der Intensität der Freundschaft und Monique erzählte von einigen Urlauben, die sie gemeinsam verbracht hatten. Neben Mallorca hatte es noch eine längere Flugreise gegeben nach Florida, Westküste, Venice Beach am Golf von Mexico, sie hatten sich gut verstanden und sehr viel Spaß gehabt. Sie verschwieg, dass sie sich anlässlich der Reisen sexuell mit ein paar jungen Burschen ausgetobt hatten, um ihren heimischen Frust auszuschwitzen. Viele College Studenten verbrachten gruppenweise ihre Urlaube in diesem unerträglich heißen und schwülen Bundesstaat.

      Wohlfarth blickte von seinem Notizbuch auf: „Zunächst einmal, haben Sie an dem Tatort etwas verändert oder angefasst, als Sie die Wohnung betraten und das Opfer fanden?“

      „Nein, ich bin zwar in allen Zimmern gewesen, um Cindy zu suchen, ich hatte sie um diese Zeit nicht im Schlafzimmer erwartet, zumindest nicht alleine. Deshalb hatte ich geklingelt, geklopft und gerufen. Beim Suchen nach ihr habe ich logischerweise alle Türklinken berührt. Als ich sie schließlich entdeckte, habe ich einen wahnsinnigen Schreck bekommen, mein erster Impuls war gewesen, sie mit einem Handtuch oder Bademantel zu bedecken, habe mich aber dann daran erinnert, dass in den Kriminalfilmen immer dazu gemahnt wird, am Tatort nichts zu verändern. Um mich von ihr zu verabschieden, ich glaubte, sie sei tot, habe ich zum Glück ihre Wange gestreichelt. Als ich gespürt habe, dass ihre Wange noch nicht erkaltet war, hatte ich sofort die Hoffnung, sie lebe noch. Ich habe mit einem Taschenspiegel getestet, ob sie atmete und hoffte, dass sie noch genug Leben in sich hatte, dass man sie retten könnte. Dann habe ich ohne zu zögern den Notruf der Feuerwehr angerufen, ach ja, das habe ich von ihrem Festnetztelefon aus gemacht, weil mein Akku fast leer war durch die vielfachen Versuche, Cindy zu erreichen. Wie geht es ihr, haben Sie neuere Informationen über ihren Gesundheitszustand?“

      „Wir haben erfahren, sie sei in ein künstliches Koma versetzt worden. Sie scheint wohl nicht mehr in akuter Lebensgefahr zu schweben, wenn man den Ärzten glauben darf, obwohl ihr Zustand nach wie vor sehr ernst ist. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben. Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

      Monique lief rot an: „Wenn ich das Schwein zu fassen kriege, werde ich ihn eigenhändig erwürgen. Ich hasse diesen Kerl. Das war nicht das erste Mal, dass er sie übel zugerichtet hat. Aber diesmal war das wohl der Gipfel an Brutalität. Und dann auch noch zu versuchen, sie zu erwürgen, ich kann das einfach nicht glauben. Das übersteigt meine Vorstellungskraft.“

      Die Köpfe der Polizisten flogen hoch und fixierten die Zeugin. „Von wem sprechen Sie, wer ist der Kerl?“

      „Das ist ihr Beschäler, ein brutales Dreckschwein, er heißt Peter mit Vornamen, den Nachnamen kenne ich nicht, er hat ein Antiquitätengeschäft irgendwo hier in der Innenstadt. Er hat sie schon unheimlich oft geschlagen, ich habe ihr immer wieder gesagt, sie soll ihn zum Teufel schicken. Darauf hat sie immer gesagt, er sei normalerweise äußerst zärtlich und sie würden sich lieben, nur relativ selten bekäme er einen Koller und würde sie schlagen. Aber ich weiß es besser, sie hat sich selbst belogen, weil sie eine Menge Geld von ihm zugesteckt bekommt. Kein Mensch weiß, aus welchen dubiosen Quellen sein Reichtum stammt.“

      „Wie heißt er denn mit Nachnamen und wo ist sein Laden?“

      „Ich sagte doch, ich weiß nicht mehr, wie er mit Nachnamen heißt, er ist aber auch tschechischer Herkunft und für sein Geschäft habe ich mich nie interessiert. Ich weiß nur, dass es nicht weiter als fünfzehn Minuten zu Fuß von Cindys Wohnung entfernt liegen kann. Er hat seine Besuche immer telefonisch angekündigt und war dann kurz darauf bereits bei ihr. Ich meine mich erinnern zu können, Cindy hätte mal gesagt, der Laden sei irgendwo in der Nähe des Römerturms, aber Genaueres weiß ich nicht.“

      „Wie oft hat er sie denn misshandelt oder ist es zu Gewaltanwendungen gekommen? Können Sie das abschätzen?

      Monique schaute gedankenverloren aus dem Fenster, als könne sie dort die gesuchte Zahl finden. „Also, im Verlauf des letzten Jahres ist das bestimmt schon viermal passiert, wenn nicht sogar öfter. Ich rede aber nur von sichtbaren Verletzungen, wenn sie am Körper Blessuren hatte, habe ich die natürlich nicht wahrgenommen. Sie hat mir erzählt, dass er bei seinen Sexspielchen gerne Schläge verteilt. Er hat mit Vorliebe während des Geschlechtsaktes, Doggy Style, ihren Hintern derart bearbeitet, dass er knallrot war und oft mit geschwollenen blutunterlaufenen Striemen übersät. Dann konnte sie manchmal stundenlang nicht ruhig sitzen. Sie hat mir das einmal gezeigt, als er gerade weg war. Das hätte ich keinen Tag ausgehalten. Aber sie war ja wie verblendet. Der Mistkerl hat nicht nur eine Macke, der ist aus Macken und Perversionen zusammengesetzt. Zum Beispiel wollte der nie ohne Präservativ mit ihr schlafen. Sie musste ihm immer vorher ein Kondom überstreifen, das muss wohl so eine Art Ritual zwischen den beiden gewesen sein.“

      Wohlfarth horchte auf: „Das ist ja sehr interessant. Sie sagen, er hat nie ohne Kondom mit ihr geschlafen? Gab es nach Ihrem Wissen keine Ausnahmen?“

      „Ja, das hat sie mir jedenfalls erzählt. Oftmals haben sie an einem Tag auch mehrere benutzt, er muss wohl recht potent sein, trotz