„Keine Spielchen. Meister Aalbert hielt es für eine gute Idee, ein solches Dokument in einem unbedeutenden Kloster zu verstecken. In einer Gegend, die selbst in der Provinz des Reiches noch als Provinz gilt.“
„Sie sagen es, Lord Sagenbredt. Keine Spielchen!“
„Dann wissen sie, was ich meine.“
„Wie gesagt, keine Spielchen!“
„Geben sie es her!“
„Kommt nicht in Frage!“
***
Keine Glut! Kein Fünkchen. Keine Hoffnung. Er musste sich der Prüfung stellen.
Vorsichtig schob er in der Asche den Zunder, einen trockenen Baumschwamm auf einen Haufen. Mit aller Sorgfalt baute er vor Kälte und Angst zitternd einen kleinen Stapel aus den Teilen des Vogelnestes. Er achtete darauf, dass die dünnsten Holzstücke innen steckten, da sie am leichtesten Feuer fangen würden. Mit viel Geduld legte er ein paar winzige Flaumfedern direkt auf den Schwamm. Den Rest Brennholz schichtete er um das Nest herum.
Jetzt!
Er schloss die Augen und stellte sich den Stapel vor ihm in Gedanken vor. Jedes Mal benötigte er mehrere Anläufe, um deine Flamme zu entzünden. Warum er so viele Versuche brauchte, um ein paar Funken zu erzeugen, blieb ihm rätselhaft. Aus diesem Grund wunderte er sich nicht, dass das Holz nicht sofort Feuer fing.
Es gab Tage, an denen der Zauber trotz aller Mühe nicht wirkte.
Wie heute.
Und heute musste er wirken!
***
„Wie Sie wollen, Abt!“
Lord Sagenbredt hielt nicht viel von Verhandlungen. Er schlug den Mantel zurück und zog sein Schwert: „Auf, Männer. Es geht los!“
***
Sheen verzweifelte. Schon jetzt lähmte ihn die Kälte. Ohne ein Feuer würde er es auf keinen Fall bis zum Kloster schaffen.
Er schloss die Augen. In seiner Vorstellung holte er sich das Bild des Nestes zurück. Die dürren Ästchen. Die Form und Struktur jedes eingebauten Blattes. In Gedanken zog er die feinen Linien des Flaums nach.
Plötzlich entzündete sich der Stapel Holz mit unerwarteter Kraft. Die Flamme war mächtiger als jemals zuvor. Es war kein Funke mehr, sondern ein Feuer. Es setzte augenblicklich den Holzstapel in Brand und bald konnte Sheen sich aufwärmen.
Er hatte verstanden.
***
Der Kampf verlief wie erwartet. Hart und kurz. Die Mönche besaßen keine Chance gegen die Übermacht der Soldaten.
Bruder Torsohn starb als Erster.
Als hartnäckigster Gegner erwies sich der Abt. Vorher wäre Sagenbredt nie der Gedanke gekommen, dass ein Mann mit einem Schemel einem gerüsteten Krieger mit einem Schwert gefährlich werden könnte. Ohne Vonhagens Hilfe, der dem Abt mit seinem Streitkolben den Schädel einschlug, hätte der Lord den Kampf verloren. Jetzt nach dem Sieg schmeckte ihm der dünne Tee des Klosters fast wie Wein.
Vom Hof drang das Geräusch von Schlägen. Der Sergeant verprügelte den einzigen Überlebenden, Bruder Vuchs. Hoffentlich wusste der Mönch, wo sich das Pergament befand. Sagenbredt hasste diesen Teil der Arbeit, aber Folter war die Spezialität seines Untergebenen. Gut, dass er sich damit nicht beschäftigen musste.
Als der dazu überging, den Gefangenen mit Feuer zu quälen, stellte sich der erwartete Erfolg ein. Mit kaum verständlicher Stimme bot der Gequälte an, das Kästchen mit dem Schatz zu zeigen.
***
Der Rest Holz reichte gerademal aus, Sheen für die Rückkehr zum Kloster ausreichend aufzuwärmen. Der Weg würde beschwerlich genug sein.
Der Novize hüllte sorgfältig sein Studienbuch in seinen Rucksack. Darin befand sich eine Abschrift eines Kapitels von „Tarnors Beschreibung der Mineralien im Hügelland“.
Der Abt hatte ihn beauftragt, alle darin aufgeführten Steine zu sammeln und zum Kloster zu bringen. Sheen fand sogar noch einen blauen Kristall, der mit wenig Fantasie wie ein kleiner Bär geformt war. Die Sammlung steckte er zu dem Buch und machte sich auf den Weg.
***
Vonhagen war zu grausam gewesen. Zu ungeduldig und zu sehr aufs Töten versessen. Der Mönch beschrieb nur das Versteck des Kastens unter seinem Bett, dann starb er. Dort war aber zunächst nichts zu finden. Erst als Sagenbredt die Wand dahinter abklopfte, fand er es. Ein loser Ziegel verbarg einen Hohlraum mit einem Kästchen aus dunklem Holz.
Keiner der Soldaten war ohne eine Wunde aus dem Kampf gekommen, selbst Vonhagen blutete aus dem Mund. Der Lord schickte den Sergeanten und seine Männer aus dem Zimmer. Sie sollten die Leichen der Mönche enthaupten und ihre Köpfe auf der Mauer des Klosters stecken. Eine Warnung für alle, die sich wiedersetzen wollten und Futter für die Krähen. In der Zwischenzeit durchsuchte er die Bibliothek nach dem Pergament. Wie erwartet fand er den gesuchten Gegenstand auch dort nicht.
Das Dokument konnte sich nur noch in dem Kasten befinden. Er gab den Befehl, Möbel und Bücher auf dem Hof zu stapeln. Zusammen mit den Leichen steckte Vonhagen den Haufen in Brand.
Lord Sagenbredt legte keinen Wert darauf, dass die Soldaten erfuhren, was in dem Kästchen verborgen war. Deshalb schickte er sie in Richtung der Höhle. Sie erhielten den Auftrag, den letzten Mönch zu finden und zu töten. „Novizen“ korrigierte er sich in Gedanken. Ein ungefährlicher Gegner. In ihrer Abwesenheit würde er das verfluchte Ding aufbrechen. Dabei waren Zeugen nur gefährlich.
***
Sheen kam schnell voran. Die Vorfreude über die Rückkehr in die herzliche Atmosphäre des Klosters gab ihm Kraft. Und nicht zuletzt könnte er sich dort an ein wärmendes Feuer setzen. Die Wirkung des kleinen Lagerfeuers in der Höhle ließ in der Zwischenzeit merkbar nach.
Nicht weit vom Ziel fielen ihm die Krähen auf. Sie schienen sich an einer Stelle zu sammeln. Er verließ den Weg, da er etwas abseits hoffte, eine bessere Sicht zu haben. Ein Schwarm kreiste über dem Klosterhof, von dem Rauch aufstieg.
Dort brannte ein Feuer und vertrieb die Vögel. Er beobachtet, dass die Mutigsten der Aasfresser bereits auf der Mauer landeten. Irgendetwas auf dem Rand weckte ihr Interesse, aber Sheen konnte von seinem Standpunkt nicht erkennen, worum es sich handelte.
Als er zum Weg zurückkehren wollte, hörte er Stimmen. Raue Stimmen und Fluchen.
Hinter einem Baumstamm verborgen beobachtete er Soldaten des Lord. Sie führten auf dem engen Pfad ihre Pferde in Richtung des Gebirges, ihre Rüstung und ihre Kleider zeigten Spuren eines Kampfes. Er konnte sehen, dass eine Handvoll der Krieger frisch verbundene Wunden trugen. Ihr Anführer, ein Sergeant mit einer Narbe im Gesicht, spuckte immer wieder Blut in den Schnee.
Sheen wartete, bis sich der Trupp weit genug entfernt hatte. Die Vorzeichen für eine Rückkehr standen schlecht. Feuer in seinem Kloster, Krähen am Himmel und Soldaten, die aus einem Kampf kamen, deuteten auf ein Unglück hin. Und im Zentrum lag sein Zuhause.
Er ließ den Kriegern ausreichend Vorsprung und näherte sich den brennenden Gebäuden.
Zunächst irritierten ihn die drei dunklen Knäuel auf der Mauer. Beim Näherkommen verwandelten sich die Knäuel in Kugeln und zu seinem größten Schrecken die Kugeln in abgetrennte Köpfe. Aus der Nähe erkannte er die Köpfe, es handelte sich um seine Mitbrüder.
Fassungslos blieb er stehen. Seine Beine wollten nicht weiter. Minutenlang kniete er weinend, bis er alle Kraft zusammennahm und in den Hof trat. Dort brannte ein Feuer