Am Rio de la Plata. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746747392
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saß starr in ihrem Stuhle und sagte kein Wort; Mauricio Monteso musterte den Bravo mit einem verächtlichen Blicke und fragte ihn:

      »Haben wir uns nicht heute bereits getroffen, Sennor? Sie standen doch in der Nähe des Geschäftes des Sennor Tupido?«

      »Es ist möglich, daß ich da vorübergegangen bin.«

      »Nein, Sie standen wartend da. Und sodann hatten Sie sich um die Ecke der Plaza gegenüber der Confiteria aufgestellt, sind durch mehrere Straßen bis zum Dome gegangen, in welchem Sie gewartet haben, bis das Orgelspiel zu Ende war.«

      »Sennor, was gehen Sie meine Spaziergänge an!«

      »Sie interessieren mich außerordentlich, wenigstens heute haben sie das gethan. So weiß ich auch, daß Sie dann bis an das Häuschen gegangen sind, in welchem der Organista wohnt. Und eigentümlich, daß überall, wo Sie gingen, gerade dieser Sennor vor Ihnen ging! Und noch viel eigentümlicher, daß da, wo Sie gingen, ich mit diesen meinen Kameraden Ihnen folgte!«

      »Ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen!«

      »Aber wir mit Ihnen. Leider war es uns nicht vergönnt, Ihnen bis zum Hause des Organisten zu folgen; wir wurden gestört. Glücklicherweise aber gelang Ihr Vorhaben nicht, welches Sie dort ausführen wollten. Dieser Sennor bedurfte unsers Beistandes nicht, da er selbst auf seiner Hut war. Er begab sich zu Sennor Tupido, und Sie hatten sich indessen hierher verfügt. Sie sprachen mit dem Bewohner dieses Häuschens und bemerkten nicht, daß ich draußen am Fenster stand und alles hörte.«

      Der Bravo erbleichte.

      »Was Sie mir da sagen, ist mir vollständig fremd,« wendete er ein. »Ich weiß von alledem kein Wort.«

      »Leugnen Sie immerhin! Wir aber sind unserer Sache gewiß.«

      »Ich bin erst vor einigen Minuten hier angekommen und vorher heute noch nicht dagewesen. Fragen Sie den Wirt, wenn er jetzt zurückkehrt!«

      »Er ist bereits da, und wir haben ihn gefragt. Er liegt draußen neben dem Häuschen, denn er ist mit einem Lasso gebunden, und er hat uns alles eingestanden.«

      »So ein Dummkopf!«

      »O, wenn man Ihnen die Spitze eines guten Messers auf die Brust setzen würde, so glaube ich nicht, daß Sie klüger handeln würden. Und wenn Sie nicht gestehen, werden wir dieses Experiment versuchen.«

      »So zeige ich Sie an und lasse Sie bestrafen!«

      »Das werden Sie wohlweislich unterlassen, denn Sie wissen gar wohl, daß die Polizei keine allzu gute Freundin von Ihnen ist.«

      Da hielt ich ihm sein Messer hin und fragte:

      »Jedenfalls ist Ihnen dieses Messer wohl bekannt. Wollen Sie das leugnen?«

      Er warf einen kurzen Blick darauf und antwortete:

      »Das Messer habe ich noch nie gesehen. Lassen Sie mich mit Ihren Fragen in Ruhe!«

      Ich sah jetzt unter dem Kopftuche eine zerschundene Stelle seines Gesichtes.

      »Bei welcher Gelegenheit sind Sie hier blessiert worden?« fragte ich ihn, indem ich auf die betreffende Stelle deutete. »Das ist wohl geschehen, als ich Sie an die Mauer des Hauses des Organista warf?«

      Jetzt wurde er grob:

      »Bekümmern Sie sich doch um Ihr eigenes Gesicht, für welches ich das meinige nicht umtauschen möchte! Sie haben nichts zu fragen, nichts zu sagen und nichts zu befehlen. Packen Sie sich fort, sonst werden Sie hinausgeworfen!«

      »Nachdem Sie mich vorher so höflich eingeladen haben!«

      »Das that ich, weil ich Sie für einen Caballero hielt. Jetzt sehe ich ein, daß ich mich in Ihnen geirrt habe. Denken Sie nur nicht, daß ich mich vor Ihnen fürchte! Ich stehe nicht allein gegen Sie, sondern ich werde mir Hilfe holen.«

      Er öffnete die Nebenthüre und rief hinaus:

      »Komm heraus, Pathe! Hier sind Leute, welche Fäuste oder Messer sehen wollen.«

      Anstatt des Gerufenen kam die Sennorita herbei. Sie erklärte mit zufrieden lächelndem Gesichte:

      »Der Pathe ist gar nicht mehr da. Als ich ihm sagte, welchen Besuch wir haben, ist er mit seinem Sohne durch das Fenster hinausgestiegen, denn er meinte, daß es nicht seine Leidenschaft sei, mit Yerbateros zu verkehren.«

      »Welche Feigheit! Durch das Fenster zu steigen und mich hier allein zu lassen! Aber ich fürchte mich dennoch nicht. Macht Platz, Leute! Wer mich anrührt, bekommt das Messer!«

      Er zog ein Messer hervor, welches er sich indessen wohl geborgt hatte, und wendete sich nach der Thüre. Ich trat zurück, um ihn vorüber zu lassen. Das war eine Falle, in welche er lief, denn kaum wendete er mir den Rücken zu, so umfaßte ich ihn von hinten und drückte ihm die Arme fest an den Leib. Einer der Yerbateros schlang sich den Lasso von den Hüften und band den Bravo mit demselben. Der Kerl versuchte zwar, sich zu wehren, doch ohne allen Erfolg. Er schrie und schimpfte aus Leibeskräften, bis ihm der Mund mit seinem Kopftuche zugebunden wurde.

      Während wir uns mit ihm beschäftigten, sah ich, daß die liebenswürdige Sennorita zur Thüre hinausschlüpfte. Auch die alte Frau erhob sich von ihrem Stuhle und glitt mit einer Schnelligkeit hinaus, welche man ihr gewiß nicht zugetraut hätte. Die andern achteten nicht darauf. Ich hätte die beiden zurückhalten können, that es aber nicht, da es mir keinen Nutzen bringen konnte.

      Als der Bravo gebunden war, sagte Monteso:

      »Nun haben wir auch diesen fest. Holt jetzt den anderen herein!«

      Zwei gingen hinaus, um diesen Befehl auszuführen. Ich freute mich im voraus auf die Gesichter, welche sie bei ihrer Rückkehr machen würden. Nach geraumer Zeit kamen sie wieder. Der eine von ihnen kratzte sich verlegen sein struppiges Haar und meldete:

      »Der Halunke ist fort. Wir haben die ganze Umgebung des Hauses durchsucht.«

      »Aber wir haben ihn doch ganz sicher neben die Mauer hingelegt, und er hat sich doch nicht von dem Lasso befreien können!«

      »So haben andere ihn von demselben befreit,« sagte ich. »Der Pate ist mit seinem Sohne entwichen; die Alte ist mit ihrer Enkelin auch fort. Diese vier Personen genügen wohl, einen Lasso aufzubinden.«

      »Alle Teufel! Sie sind fort?« fragte er, nun erst nach den Frauen sich umschauend. »Das habe ich gar nicht bemerkt. Nun ist freilich der Kerl auch fort und mein Lasso mit ihm! Das hat man davon, wenn man nicht aufpaßt! Na, wenigstens haben wir diesen Halunken noch; er ist der Hauptkerl und soll nun auch für die andern zahlen. Was thun wir mit ihm, Sennor?«

      Diese Frage war an mich gerichtet. Ich zuckte die Achsel.

      »Ich kenne die hiesigen Gesetze nicht und bin auch nicht der Richter, welcher ihm sein Urteil zu sprechen hat.«

      »Pah, Richter! Wollten wir diese Sache der Polizei und dem Gerichte übergeben, so hätten wir tausend Scherereien. Wir müßten als Zeugen bis nach beendetem Prozesse hier bleiben und würden indessen von den Freunden dieses Kerls beiseite geschafft. Vielleicht käme die Behörde gar auf den Gedanken, uns alle einzusperren, damit wir uns ja nicht vorzeitig entfernen könnten. Ich kenne das. Nein, die Richter sind wir selbst. Das ist das Kürzeste und Beste. Und nach den Gesetzen oder nach dem Urteile, welches das Gericht fällen würde, frage ich auch nicht. Ich selbst mache das Gesetz. Im Urwalde ebenso wie in der Pampa ist es Sitte, einen Mörder einfach für immer unschädlich zu machen. Man giebt ihm das Messer oder eine Kugel in den Leib. Das werden wir auch hier thun.«

      »Nein, Sennor, damit bin ich nicht einverstanden.«

      »Aber, warum denn nicht?«

      »Weil ich weder der Richter noch der Henker dieses Mannes bin.«

      »Aber das sollen Sie auch gar nicht sein, sondern wir wollen es übernehmen.«

      »Sie haben mit dieser Angelegenheit gar nichts zu thun; sie ist allein meine Sache, weil ich beleidigt bin.«

      »Caramba!