Sag mal, Lara. Jasmin Schneider. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jasmin Schneider
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738009002
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hatte, nicht die anderen. Auf ihn musste sie sich jetzt konzentrieren. »Was genau mögen Sie an Rembrandt nicht, Herr Born?«

      Martin legte die Zeichenkohle beiseite und betrachtete sein Werk, bevor er es mit Löschpapier abdeckte. Seine Finger rieb er an der Innenseite des grauen Kapuzenpulli sauber, den er über einer abgewetzten Jeans trug. Dann lehnte er sich weit im Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Rembrandt«, antwortete er selbstsicher, »ich finde Rembrandt komplett Scheiße, Frau Morgenstern, braune Scheiße, um genau zu sein«, er nahm die Arme wieder nach vorne, schlug eine neue Seite in seinem Skizzenbuch auf und begann, erneut darin zu kritzeln. »Kein Wunder, dass ihm alle weggestorben sind«, fügte er hinzu. Die meisten seiner Mitschüler lachten. Nur ein paar Mädchen rollten mit den Augen.

      Laras gequälter Gesichtsausdruck lichtete sich. Mit der letzten Bemerkung konnte sie etwas anfangen. Vielleicht würde sie Martins Interesse an ihrem Vortrag doch noch wecken können, indem sie ihn mit einbezog. »Herr Born«, begann sie und stand auf, um an seinen Tisch zu treten, »dafür, dass Sie Rembrandt SCHEISSE…«, das Wort betonte sie, als bekäme sie davon eine Krankheit, »… finden, wissen Sie aber ziemlich viel über ihn.« Sie räusperte sich, eine hilflose Geste, und betrachtete Martins neue Skizze.

      Ohne Mühe erkannte sie in den wenigen Strichen auf dem Papier Rembrandts Portrait auf einem massigen Frauenkörper in einem korrekten Zweiteiler. Sie wurde rot. Den Dutt hätte Rembrandt gar nicht gebraucht, man hätte auch so sofort auf Lara Morgenstern getippt.

      Born machte sich nicht die Mühe, die Zeichnung zu verstecken. Im Gegenteil. Er schaute sie aus seinen mit Kajalresten beschmierten Augen an. Sie waren so braun wie ihre eigenen. Lara schluckte, überlegte tapfer. Sie musste irgend etwas sagen. »Das Gesicht haben Sie gut getroffen, Herr Born«, presste sie schließlich hervor. Immerhin ein guter Konter.

      Borns Tischnachbar lachte unverhohlen.

      »Vielen Dank Frau Morgenstern«, antwortete Born belustigt, ließ vom Büchlein ab und setzte sich wieder breit grinsend in seinem Stuhl zurück. Blonde Haare mit dunklerem herauswachsendem Ansatz verdeckten sein linkes Auge. Frau Morgenstern hatte er nun schon zum zweiten Mal besonders betont.

      Ihr war bewusst, sie hätte besser den Mund gehalten. Doch war es eben diese Einsicht, die sie dazu brachte, ohne Verstand drauf los zu quatschen, während sie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zurück nach vorne schritt. »Herr Born«, hörte sie sich sagen und wusste nicht, wie der Satz weiter gehen sollte, »sehen Sie, Rembrandt…«

      »Herr van Rijn«, unterbrach er sie, »oder besser noch Herr Rembrandt Harmenzoon van Rijn, wenn es edel klingen soll, Frau Morgenstern.« – wieder diese Betonung – »Sie nennen mich ja auch nicht Martin.« Großes Gelächter. Lara war stehen geblieben, drehte sich aber noch nicht nach ihm um. Martin nutzte die Zeit um hinzuzufügen, »keiner Ihrer Kollegen tut so affig, nur Sie, Frau Morgenstern.«

      Die Zustimmung, die Martin durch einige der Mitschüler zuteil wurde, verärgerte Lara nun doch. Sie zog die Augen eng, wandte sich um und gab scharf zurück: »Vielleicht liegt es daran, dass ich Rembrandt als Freund bezeichnen würde, Herr Born.«

      Wieder Lachen, jemand sagte »Action!«, und machte ein klackendes Geräusch. Lara kam sich vor wie in einem Zirkus. Wie konnte sie sich nur so eine Blöße geben?

      Born hüstelte gekünstelt. Ein Anflug von Spott klebte in seinen Mundwinkeln. Mit der Präzision eines erfahrenen Jägers platzierte er seinen Blattschuss. »Tja Frau Morgenstern, wenn Sie auch sonst niemanden haben…«.

      Das türkische Bistro Antalja in der Danziger Straße 168 verdankte den großen Andrang seinem geschäftstüchtigen Besitzer Sadum Umut, der nach dem Tod seines Vaters Sedettin das Oberhaupt einer fünfköpfigen Familie geworden war. Er war der einzige Sohn Sedettins, dem sonst nur Töchter und ein Gemüseladen in der Rheinstraße in Berlin-Steglitz beschieden waren. Anders als sein Vater es gut geheißen hätte, war Sadum unverheiratet und nur wenig an seinen türkischen Landsmänninnen interessiert. Deshalb hatte er vor ein paar Jahren sein Bistro-Projekt im Prenzlauer Berg verwirklicht, weil er sich hier einerseits bessere Chancen, weil weniger Konkurrenz, und andererseits frische deutsche Mädchen ausmalte. Vor allem die vielen Studentinnen hier oben, die im Sommer leicht bekleidet sein Bistro aufsuchten, hatten es Sadum angetan. Einer von ihnen war er eine Zeit lang nachgestiegen. Sie hieß Hanna, war mittelgroß und ganz schlank mit kleinem, süßen Busen und studierte Psychologie, was Sadum sehr erregte. Er hatte sich vorstellen müssen, wie dieses Mädchen in ihn hineinsehen konnte während sie es taten.

      Leider hatte Hanna niemals angebissen, doch statt ihrer stand irgendwann ihre schlechte Kopie vor ihm und fragte, ob er Hilfe in der Küche gebrauchen könne. Diese andere Hanna studierte gar nichts, sondern schlug sich mit einem Balg und Sozialhilfe durch ein kleines schmutziges Leben weiter unten in der Nähe der Bötzowstraße. Sie schien auch leichter zu haben als seine Studentin und so nickte er bloß, obwohl seine Schwester Mahfer Hilfe genug war und zudem kaum etwas kostete. Aber dafür zeigte die ihm auch nicht ihre Titten, wenn sie hinten im Kühl- und Lagerraum ihr eigenes Shirt auszog und das mit dem Aufdruck »Bistro Antalja« überstreifte.

      Sadum genoss eben diesen den Anblick, als die Hannakopie schnarrte: »Du sollst nicht immer so glotzen! Hast wohl noch nie Titten gesehen, he!?«

      Zu ihm hingedreht hob das Mädchen sein Shirt erneut und legte einen hübsch geformten Busen über einer hervorstehenden Rippenpartie und einem nach innen gewölbten Bauch frei. Sadum liebte es, wie sich ihre Riesennippel in der Kühlkammer zusammenzogen. Er biss sich auf die Unterlippe. Ihm war das keinesfalls peinlich. Frauen wie die da waren es nicht wert, dass man sich abwandte. Es waren Schlampen und so musste man sie behandeln.

      Jackie ließ ihr Shirt wieder fallen und wollte an Sadum vorbei hinaus gehen, aber er versperrte ihr den Weg. »Halt!«, gebot er und hob seine rechte Hand wie ein Verkehrspolizist.

      »Vergiss es, Türke!«, sagte Jackie, musterte seine Hose und grinste. »Im Leben nicht, klar!?«

      Sadum verzog den Mund und gab den Weg frei. »Das werden wir sehen!«, gab er zurück und verschwand in der winzigen Toilette neben der Kühlkammer.

      Wie dieser Kanacke ihr doch auf den Zeiger ging! Jackie stand jetzt hinter der Frischtheke und beobachtete zwei Penner, die fast immer da waren, wenn sie morgens arbeitete. Wenn die beiden gingen, würde es noch keine halbe Stunde mehr dauern und der Laden wäre voll. Sie schaute nach hinten, keine Spur von Sadum, und griff nach dem Päckchen Zigaretten, das er immer neben der Kasse liegen ließ.

      »Scheiß Kanacke!«, murmelte sie, öffnete die Packung und suchte nach einem Feuerzeug, während sie sich die Zigarette zwischen die Lippen schob. Er bezahlte nicht schlecht und wenn sie ihn ein-, zweimal die Woche zuschauen ließ, wie sie sich umzog, legte er immer noch was drauf. Aber in letzter Zeit waren die Extrazuwendungen deutlich zurückgegangen. Jetzt legte er es darauf an, sie ins Bett zu kriegen oder wenigstens auf die kleine Couch in dem stickigen Kabuff, den er sein Büro nannte. Angst vor ihm hatte sie keine, was sollte er ihr schon großartig antun, das sie noch nicht kannte, aber was machte sie, wenn er nicht locker ließ und sie am Ende noch rausschmiss?

      Endlich hatte sie das Feuerzeug gefunden. Es lag neben dem Dönergrill und war fettverschmiert. Sie nahm es, zündete sich die Zigarette an und wischte sich die fettigen Finger an der Innenseite des Bistro Antalja Shirts ab. Sie sog den Rauch tief ein bis ihr ein wenig schwindlig wurde, dann blies sie ihn langsam aus und ließ ihren Blick abwesend auf einem der Penner ruhen.

      »Haste ooch eene für mich, Kleene?«

      »Nee!«, gab Jackie barsch zurück und hockte sich auf den Hocker, den Sadum sich hinter die Theke gestellt hatte. Auf ihm saß er, wenn er dämlich grinsend irgendwelchen Prenzeltussen vom Meer in seiner Heimat vorschwärmte.

      »Du bist zu spät«, hörte sie ihn plötzlich sagen. Nicht eben freundlich zog er ihr den Hocker unterm Hintern fort.

      Schimpfend sprang Jackie auf die Beine.

      Sadum packte ihr Handgelenk, drehte es zu sich und nahm ihr die Kippe aus der Hand. »Nicht hier drin!«, blökte er, warf die Kippe zu Boden und trat sie