Fig. 9: Auge und Gehirnknoten von Leptodora hyalina.
Schon bei Lupenvergrößerung gewährt dieses glashelle, dünnhäutige Tier einen höchst anziehenden Anblick. In dem langen schnabelförmigen Kopfe liegt vorn das Auge (Au), welches aus einer schwarzen, dem Gehirn aufsitzenden Kugel besteht, die auf ihrer ganzen Oberfläche mit lichbrechenden Kristallkegeln besetzt ist. Wir dürfen hieraus schließen, daß dieser Krebs nach allen Seiten hin gleichzeitig zu sehen vermag. Dicht hinter dem Auge liegt das "Gehirn" in Form eines ansehnlichen Ganglienknotens, und bei H befindet sich das lebhaft pulsierende Herz. Blutgefäße sind bei allen diesen niederen Krebsgattungen nicht vorhanden, sondern die farblose Flüssigkeit erfüllt die ganze Leibeshöhle und umspült alle inneren Teile unmittelbar. Sie wird aber, wie bei den höheren Tieren, durch ein besonderes Pumpwerk (Herz) in Bewegung gesetzt. Bei Oe sehen wir die Speiseröhre, welche nach links hin zum Mund führt, während sie in der Mitte des Hinterleibes mit dem sogenannten Magendarm in Verbindung tritt. Die blasenförmige Auftreibung am Rücken (dicht hinter dem Herzen H) ist der Brutraum, worin- wie bei den verwandten kleineren Formen- die entwicklungsreifen Eier ihren Platz finden. Den gesamten Bau dieses interessanten Planktonwesens kann man sich ohne jede Präparation zur Anschauung bringen, weil dasselbe vollkommen durchsichtig ist. Die meist zentimeterlangen Tierchen sind so glashell und farblos, daß man deren Anwesenheit in ihrem Wohnelement nur an den tiefschwarzen Augen zu erkennen vermag, welche sich ruckweise hin und her bewegen. Die Umrisse des zarten Körpers bleiben gänzlich unsichtbar, und dessen Dasein verrät sich lediglich dadurch, daß die mächtigen Ruderarme allerlei kleine Partikelchen, die das Wasser verunreinigen, zur Seite stoßen. In der beigegebenen Figur sind diese Lokomotionsorgane nach oben und vorn gerichtet, so daß wir deren elegante Befiederung deutlich zu Gesicht bekommen. ''Leptodora'' ist übrigens ein sehr gefräßiges und räuberisches Geschöpf, welches unablässig Jagd auf kleinere Kruster macht. Die von den scharfen Kauzangen zermalmten Opfer gelangen dann durch den langen engen Schlund (Oe) in den gestreckten röhrenförmigen Magen (Mg), dessen Inhalt meist gelblich gefärbt ist.
An ''Leptodora'' ist in meiner Station zu Plön von W. Gerschler neuerdings (1910) die interessante Beobachtung gemacht worden, daß im ersten Beinpaare dieses Krebses noch ein besonderes Organ zur Förderung der Blutzirkulation vorhanden ist. Es besteht aus einem Muskelband, welches von der Innenseite der Extremität aus frei deren Hohlraum durchsetzt und an ein feines Häutchen von kreisförmiger Gestalt herantritt. Diese eigenartige Organ, welches ununterbrochen rasche Pulsationen ausführt, ist bei beiden Geschlechtern von ''Leptodora'' zu konstatieren. Seiner Funktion nach ist es gleichsam ein zweites Herz, dem die Aufgabe zugefallen ist, das in den langen dünnen Beinen leicht ins Stocken geratende (farblose) Blut in seiner fließenden Bewegung zu unterstützen. Da das an der Rückenseite gelegene eigentliche Herz von ''Leptodora'' (Fig. 7, H) im Verhältnis zur Körpergröße dieses Krebses ziemlich klein ist, so erscheint es als eine sehr zweckmäßige Veranstaltung der Natur, daß in diesem Falle noch eine kleine (supplementäre) Pumpstation innerhalb des ersten Beinpaares existiert.
Fig. 10: Bythotrephes longimanus.
Ein nicht minder eigenartig aussehender Bewohner unserer tiefgründigen Binnenseen ist der in Fig. 10 abgebildete ''Bythotrephes longimanus'', der bereits 1857 von dem bekannten Biologen Fr. v. Leydig im Bodensee entdeckt, aber erst viel später als ein typisches Mitglied der Seenfauna erkannt wurde.
Eine deutsche Bezeichnung für diesen Krebs ausfindig zu machen, ist schwer. Am zutreffendsten nennen wir ihn wohl den langarmigen Tiefschwimmer, weil er mit Vorliebe in den von der Oberfläche weit entfernten und daher nur schwach vom Tageslicht getroffenen Wasserschichten sich aufzuhalten pflegt. Ohne den enormen Schwanzstachel hat dieses Tier bloß eine Länge von 12 bis 14 mm. Unsere Abbildung dieses abenteuerlich sich ausnehmenden Krebses wird jedem Leser sofort verständlich sein. Wie bei ''Leptodora'', so sehen wir den Kopf auch hier fast ganz ausgefüllt von dem schönen, mit Kristallstäbchen besetzten Auge, und dicht hinter diesem befindet sich der Gehirnknoten. Auf der Grenze von Hinterkopf und Brustteil stehen die großen, zweiästigen Ruderfühler, welche in ihrer kräftigen Entwicklung und Befiederung gleichfalls an ''Leptodora hyalina''erinnern. Eigentümlich aber präsentiert sich das erste Paar der Schwimmfüße, welches eine auffällige Länge besitzt. Daher auch die treffende Artbezeichnung "longimanus". Der Brutsack auf dem Rücken des Tieres ist bei dem in unserer Figur dargestellten Exemplar noch klein und enthält nur ein einziges Ei. Bei völlig erwachsenen Weibchen sind aber meist 4 bis 5 Eier vorzufinden; ich habe übrigens auch schon Muttertiere aus dem großen Plöner See gefischt, welche 6 bis 8 Eier bei sich trugen.
Gegen den Spätsommer hin zeigt sich bei diesen Spezies ganz allgemein eine in Tüpfeln angeordnete ultramarinblaue Färbung, die namentlich in der Nähe des Mundes und an den Füßen auftritt. Der lange Hinterleibsstachel scheint dem Tiere als Balancierstange beim Schwimmen zu dienen, damit es nicht nach vorn überkippt. Es wäre aber auch möglich, daß jenes Anhängsel nur den Zweck hätte, die Körperoberfläche zu vergrößern, um so den Formwiderstand zu erhöhen, was gleichbedeutend mit einer Steigerung der Schwebfähigkeit ist, worauf die Natur bei allen planktonischen Tier- und Pflanzenformen, soweit wir das beurteilen können, hinzuwirken scheint.
Es ist von besonderem Interesse, hier noch in Erwähnung zu bringen, daß ''Bythotrephes'' ganz zufällig dadurch entdeckt wurde, daß Prof. v. Leydig auf den Gedanken kam, zu untersuchen, was wohl die Nahrung der Blaufelchen im Bodensee bilde. Es war im Septembermonat 1857, als der genannte Forscher eine große Menge von diesen geschätzten Fischen hinsichtlich ihres Mageninhalts prüfte und dabei wahrnahm, das letzterer fast ganz ausschließlich aus einer ihm bis dahin unbekannt gewesenen Krebssorte bestehe, die durch einen langen Hinterleibsstiel, kräftige Ruderarme und ein erstes Paar langer Schwimmbeine charakterisiert ist. Die Menge dieser Tierchen erwies sich als staunenswert groß, und offenbar mußten dieselben massenhaft im Bodensee vorhanden sein. Weil nun jene Fische ihren Aufenthaltsort hauptsächlich in der Tiefe haben und nur sehr selten in den oberflächlichen Wasserschichten zu finden sind, so schloß Prof. v. Leydig aus diesem Umstande mit Recht, daß auch der betreffende abenteuerlich aussehende Krebs vorzugsweise bloß in den unteren Regionen des Sees vorfindlich sein werde, und demgemäß nannte er ihn "Tiefseenahrung", was im Hinblick auf die hervorragende Rolle, die derselbe bei der Ernährung der Felchen zu spielen schien, eine sehr passende Bezeichnung war.
Außer den bisher aufgezählten und geschilderten Krustazeen, die mit noch vielen anderen verwandten Spezies zusammen die Familie der ''Cladocera'' bilden, kommen in unseren Seen und Teichen auch noch die sogenannten "Hüpferlinge" oder Kopepoden vor. Diese besitzen langgestreckte Körper, ein breites Kopfbruststück (Cephalothorax), welches aus mehreren Segmenten besteht, und einen schlanken gleichfalls aus Ringen gebildeten Hinterleib mit gabelförmigen Endstück (Furca). Als Ruderwerkzeuge sind zwei lange Fühler vorhanden, welche mit zahlreichen kleinen Borsten besetzt sind. Zu diesen kommen noch fünf Beinpaare, wovon das hintersteverkümmert oder (wie bei den Männchen der Calaniden) rechtsseitig zu einem Greiforgan umgewandelt ist.
Wir unterscheiden bei den Kopepoden drei Familien: die Cyclopiden, die Calaniden und die Harpacticiden. Für das Plankton kommen aber nur die beiden ersteren in Betracht. Ausnahmslos sind die Süßwasser-Kopepoden mit einem einzigen Auge ausgestattet, und dieser Umstand hat der artenreichen Gattung ''Cyclops''zu ihrem Namen verholfen. Der einäugige Schmiedeknecht Vulkans ist in dieser Bezeichnung auch von seiten der Wissenschaft verewigt worden. In der Familie der Calaniden unterscheiden sich diejenigender Cyclopiden hauptsächlich durch zwei augenfällige Merkmale: durch den kleinen, gedrungenen Körperbau und durch die kürzeren Ruder-Antennen. Während die letzteren bei den Vertretern der Gattung ''Cyclops'' 8 bis 17 Glieder besitzen, erreichen sie bei den Calaniden die Anzahl von 25. Auch tragen die Cyclopsweibchen ihre Eier in zwei divergent vom Hinterleib abstehenden Säckchen, wogegen die weiblichen Calaniden nur ein einziges solches besitzen, welches an der Unterseite des Hinterleibes zur Befestigung gelangt.