Lust auf wehrlose Hexen. Anne Pallas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Pallas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750214231
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       Anne Pallas

      1

       15 Palace Garden Mews

       Kensington, London W8 4RB

       Vereinigtes Königreich

      Der Sturm heulte und tobte mit einer wahren Urgewalt über London. Riesige Wolken jagten über den Himmel. Er hatte seine Schleusen geöffnet und einen Regen auf die Erde geschickt, der schon bald einer Sintflut glich. Als nie abreißende Vorhänge fielen die Wassermassen aus den tief liegenden Wolken. In den tiefer liegenden Niederungen an der Themse wurde Hochwasseralarm gegeben. Die ersten Keller liefen voll, da die Rohrleitungen die Wassermassen nicht fassen konnten.

      Es war ein böses Unwetter!

      Die Hölle schien ihren Rachen geöffnet zu haben, um den Menschen zu zeigen, wessen sie fähig war. Peitschend hallte der Donner über das Land und verrollte irgendwo in der Ferne als grummelndes Echo.

      Die englische Hauptstadt erlebte an diesem Tag ein schaurig-schönes Naturschauspiel, ein Gewitter, wie es nur selten vorkommt, und von einer Größe und Dauer, an die sich selbst ältere Leute kaum noch erinnern konnten.

      Wieder einmal stand der Mensch den Kräften der Natur hilflos gegenüber.

      Der Himmel schien seine Wut an der Welt auszulassen und sie für ihr Tun zu bestrafen. Wer eben konnte, verkroch sich in den Häusern und Wohnungen. Ältere Menschen beteten oder zündeten Kerzen an, damit dieses mörderische Gewitter so rasch wie möglich vorbeiging. Sie flehten und hofften, andere fluchten über das Wetter, doch beeinflussen konnte es weder die eine noch die andere Gruppe.

      War das Unwetter für die Menschheit wie eine Geißel, so wurde es von der Schattenwelt begrüßt. Die Höllenwesen, insbesondere Dämonen, Zombies und Untote interessierten sich sehr für Witterungsverhältnisse. Ihnen waren Sturm, Nacht und Dunkelheit lieber als das Licht des Tages. Je schauriger und unheimlicher die äußeren Bedingungen waren, umso wohler fühlten sie sich. Sie suchten sich meist die Orte und Plätze aus, die von den Menschen gemieden wurden. Alte Burgen, Schlösser, verfallene Abteien oder Friedhöfe. Dort fanden sie immer eine Heimat und den Unterschlupf, der sie vor allzu früher Entdeckung schützte.

      Thomas Moore war einer der besten Personenschützer, die man in England für Geld bekommen konnte. Er gehörte zum mehrköpfigen Team, dass für die persönliche Sicherheit von Sir William Mowbray zuständig war. Bei diesem Wetter Dienst zu haben, gehörte zu den Vergnügungen, auf die er sehr gerne verzichten könnte. Aber der Auftraggeber bestand auf einen vierundzwanzigstündigen Schutz seiner Person. Also musste in dieser Nacht jemand durch das weitläufige, parkähnliche Anwesen patrouillieren.

      An der Seite von Thomas Moore schritt Acon, ein deutscher Schäferhund, der die Ausbildung zum Schutzhund mit Auszeichnung bestanden hatte.

      Der Bodyguard konnte nur den Kopf schütteln. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er starrte auf die Blitze, hörte einen gewaltigen Donner und hatte das Gefühl, als würde dieser die Welt auseinandersprengen.

      Auch Acon wurde unruhig. Nervös lief er hin und her, zuckte jedes Mal zurück, wenn ein Blitz den dunklen Himmel spaltete, als wäre ein Vorhang in zwei Teile zerrissen worden. Thomas musste seinen treuen Begleiter beruhigen.

      „Bleib ruhig, Acon!“, murmelte er und vergrub seine Finger in das dichte Fell am Nacken. „Uns passiert schon nichts.“

      Acon jaulte, so als hätte er die Worte genau verstanden.

      Über eine halbe Stunde tobte das Gewitter bereits. Der Mann hatte sich an die peitschenden Donnerschläge längst gewöhnt. Er zuckte nicht einmal mehr zusammen, wenn ein Blitz in der Nähe einschlug.

      Wie lange musste er noch warten, bis die Ablösung kam?

      Längst hatte er zu Hause sein wollen. Sicherlich machte sich seine Frau bereits Sorgen, aber hier konnte er sein Handy nicht benutzen, und irgendwann musste das Unwetter schließlich weiterziehen.

      Es war wie verhext. Die Gewitterfront schien sich direkt über London zusammenzuballen. Sie zog einfach nicht vorbei und entlud sich mit aller Kraft. Eigentlich war es faszinierend, diesen gewaltigen Kräften der Natur zuzuschauen, und auch Thomas ertappte sich bei dem Gedanken, dass er die Abfolge von Blitz und Donner regelrecht genoss und ihnen positive Seiten abgewann.

      Bis zu dem Zeitpunkt, als Acon, der Schäferhund, auf einmal verrücktspielte! Bis jetzt hatte sich das treue Tier, von einigen Ausnahmen abgesehen, ruhig verhalten. Plötzlich sprang Acon wie von der Tarantel gestochen in die Höhe und bellte laut und fordernd.

      „Acon, was hast du?“, rief Thomas, näherte sich seinem Hund und wollte ihn am Halsband zurückzerren. Acon knurrte nur, machte sich schwer und wollte seinen Platz nicht verlassen.

      Es waren nur wenige Situationen in den letzten Jahren gewesen, bei denen Acon so reagiert hatte. Und wenn, dann war immer etwas im Busch gewesen, so wie jetzt. An dem Gewitter konnte es nicht liegen. Daran hatte sich der Hund längst gewöhnt. Also musste es etwas anderes sein, was ihn belastete. Nur – was konnte das sein?

      Thomas kniete sich neben seinem Hund nieder und streichelte das Fell. „Ist ja schon gut, Acon. Hör doch auf, da ist nichts. Wirklich ...“

      Er hatte seinen Blick erhoben und schaute unter dem dichten Blätterdach hervor. Abe er konnte in der tiefen Dunkelheit nichts erkennen.

      Acon wurde immer wilder. Er zerrte und kratzte mit den Läufen. Irgendetwas musste sich in der Schwärze der Nacht verborgen haben. Er spürte, wie es kalt seinen Rücken hinablief.

      Er lockerte den Griff am Halsband des Hundes. Darauf hatte der Schäferhund gewartet. Mit einem heftigen Ruck riss er sich los. Er schleuderte seinen Kopf zurück und raste bellend und mit weiten Sätzen hinaus in die Dunkelheit, wobei er sich auch nicht um Blitz und Donner kümmerte.

      Thomas presste seine Augen zu Schlitzen, versuchte etwas zu erkennen. Da bewegte sich jemand. Eine Gestalt, die aussah wie ein aufrechtstehender Bär, aber keinem Menschen glich. Konnte sich ein entlaufenes Tier auf dem Grundstück befinden?

      Acon war wie von Sinnen. Er schlug auch Haken. Thomas verfolgte ihn mit seinen Blicken und sah dann, wie der Hund das Ziel erreicht hatte und kläffend an der fremden Gestalt hochsprang.

      Jetzt würde er zupacken – jetzt ...

      Und dann geschah das Grauenhafte!

      Ein klagender, schreiender Ton, zu vergleichen mit dem eines kleinen Kindes, übertönte selbst den Donner, und Thomas ahnte, dass sein Hund diesen Ton ausgestoßen und somit sein letztes Lebenszeichen gegeben hatte.

      Der Magen des Mannes zog sich zusammen. Heiß stieg es seine Kehle hoch, Tränen traten in seine Augen, denn er hatte sehr an Acon gehangen.

      Er riss seine Pistole aus dem Holster, entsicherte die Waffe und lud durch. Jetzt hielt er es nicht mehr aus, er wollte sehen, was da geschehen war und rannte hinein in die graue fahle Dunkelheit, um vielleicht noch etwas zu retten.

      Der starke Regen traf ihn. Gewaltige Wasserfluten ergossen sich über seinen Körper, durchnässten die Kleidung, klatschten gegen sein Gesicht.

      Thomas kam nicht so schnell voran, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Sturm blies manchmal so heftig, dass er ihn fast von den Füßen gerissen hätte. Es heulte, pfiff und tobte um ihn herum. Einige Male rutschte er aus und konnte sich nur mühsam auf den Beinen halten.

      „Acon! Acon!“

      Er schrie den Namen des Hundes, war jedoch nicht sicher, ob ihn das Tier noch hatte hören können, zudem riss ihm der Wind die Worte von den Lippen. Die Pistole hielt er schussbereit nach vorne gerichtet.

      Der