Wir retten die Falschen. Eric Bonse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eric Bonse
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844261929
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M. Schieritz im „Herdentrieb". Ich finde es abstoßend und absurd. Es wäre durchaus wünschenswert, dass endlich auch mal Deutsche Bank & Co. spüren, was die „Euro-Rettung" kostet. Hierzulande fordert man gerne, die Spanier müssten auch mal eine Bank pleite gehen lassen (nicht wahr, Herr Sinn?). Doch wenn es um deutsche Geldhäuser geht, herrscht Schweigen.

      So verdichtet sich der Eindruck, dass die ganze Rettungsaktion von Berlin vor allem deswegen vorangetrieben wurde, um deutsche Bankinteressen zu sichern - das hatte ich ja schon vermutet. Zudem wird klar, dass Brüssel die Notlage in Spanien nutzt, um das von der EU-Kommission ausgearbeitete Spardiktat durchzudrücken, und zwar ganz ohne die gefürchtete Troika. Dabei war Madrid versprochen worden, es werde keine neuen Sparauflagen geben.

      Den dritten Preis für die „Rettung" zahlt Spanien übrigens schon seit Wochen. Es sind die gefährlich hohen Zinsen, die die Anleger für frische Kredite verlangen. Auch daran sind Berlin und Brüssel schuld. Denn sie wollen ihre Hilfe für die spanischen Banken über den Staat abwickeln, dessen Schuldenlast damit steigt. Dies führt zu hohen Spreads. Zwar wurde auf dem EU-Gipfel auch versprochen, Direkthilfen aus dem ESM an die Banken zu prüfen.

      Doch dank der angeblich windelweichen, in Wahrheit knallharten Kanzlerin werden die erst 2013 fließen, wenn es eine europäische Bankenaufsicht gibt. Frühestens. Bis dahin darf Spanien für seine „Rettung" selber zahlen, vermutlich bis zur endgültigen Kapitulation (sprich: dem Gesuch um ein „Vollprogramm" der Eurozone, diesmal mit Troika).

      Bewusste Irreführung

      15. März 2013 - Keine Beweise für Geldwäsche auf Zypern

      Nun wird Zypern also doch „gerettet“. Die Eurogruppe hat beschlossen, den Weg für milliardenschwere Finanzspritzen freizumachen. Und wie der Zufall es so will, räumt die Bundesregierung plötzlich ein, dass sie keine Beweise für die Geldwäsche russischer Oligarchen auf der Mittelmeerinsel hat. Wie bitte?

      Monatelang hatte Berlin die längst überfälligen Hilfen mit Verweis auf einen dubiosen BND-Bericht blockiert. Sogar die Troika wurde ausgebremst – dabei war sie längst bereit, Zypern zu helfen. Nun teilt Schäubles Finanzstaatssekretär Kampeter plötzlich mit, ihm lägen keine Erkenntnisse über illegale Einlagen vor. Er räumt sogar ein, dass Zypern alle Geldwäsche-Standards erfüllt.

      Offenbar biegt die Bundesregierung die Wahrheit so hin, wie es ihr gerade passt. Im November, als die Troika das Hilfsprogramm für Zypern starten wollte, wurde der BND-Bericht an die Presse lanciert, SPON und Bild stiegen massiv ein.

      Nun, da die „Rettung“ der Insel sich nicht länger aufschieben lässt, weil sonst die Pleite droht, will man davon nichts mehr wissen. Plötzlich nickt Berlin ein neues Hilfsprogramm ab, als sei nichts gewesen.

      Das ist nicht nur unseriös, das ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Natürlich wußte die Regierung bereits im November, dass sich die BND-Behauptungen nicht belegen lassen.

      Und natürlich wußte man, dass Zypern Hilfe brauchte. Doch damals wollte Kanzlerin Merkel Ruhe an der Euro-Front; also ließ sie die Spekulationen ins Kraut schießen und die Zyprioten zappeln.

      Nun, da die kommunistische durch eine konservative Regierung abgelöst wurde, macht Merkel den Weg frei. Doch die „Rettung“, die sich abzeichnet, ist noch schlimmer als die gescheiterte „Anpassung“ Griechenlands.

      Die Hauptlast wird den Bürgern Zyperns aufgebürdet, nicht den Banken. Neben der Privatisierung profitabler öffentlicher Dienste (Wasser, Strom…) ist auch ein Zugriff auf die viel versprechenden zyprischen Gasfelder geplant.

      Und die Bankkunden sollten ein Drittel der „Rettung” selbst bezahlen. Die Bankbesitzer hingegen kommen ungeschoren davon – der vom IWF geforderte „Haircut” wurde auf deutschen Wunsch und gestrichen.

      Taktische Machtspiele, populistische Kampagnen und am Ende ein zynischer Ausverkauf auf Kosten der Bürger und Sparer – das ist die „Rettungs“-Politik dieser Regierung. Ein Trauerspiel.

      P.S. Natürlich gibt es russische Schwarzgeldkonten auf Zypern, übrigens auch britische und vermutlich auch deutsche. Doch die haben mit der Bankenkrise des Landes nichts zu tun. Diese Krise ist eine Folge der verkorksten Griechenland-„Rettung”, insbesondere der beiden von Deutschland erzwungenen Umschuldungen. Aber davon will man in Berlin natürlich auch nichts wissen.

      Ende eines Geschäftsmodells

      25. März 2013 - Die Eurogruppe wickelt Zypern ab

      Zypern und die Eurogruppe haben sich in letzter Minute auf ein Hilfspaket geeinigt. Doch nach dieser Rettungsaktion wird Europa nicht mehr dasselbe sein. Mit Bail-in und Zwangsabgabe, EZB-Ultimatum und Kapitalkontrollen ist Willkür in die Währungsunion eingezogen. Und die deutsche Dominanz ist stärker denn je.

      An Zypern wird gerade ein Exempel statuiert. Die Frage ist nur, welches. Nach neuer deutscher Lesart geht es darum, ein untragbar gewordenes „Geschäftsmodell” abzuwickeln. Mit Geldwäsche, Steuerbetrug und Zocker-Geschäften soll ein für allemal Schluss sein.

      Finanzminister Schäuble gibt sich nicht zuletzt deshalb so hart, weil er von SPD und Grünen getrieben wird. Es ist schließlich Wahlkampf in Deutschland, jeder möchte einmal Schulmeister spielen.

      Doch in Wahrheit geht es schon längst nicht mehr darum, die „Russen-Mafia“ zu bändigen oder der Insel ein „neues Geschäftsmodell“ zu verpassen (welches denn?). Das sind bloß Nebenkriegsschauplätze.

      Das eigentliche Exempel wird nämlich nicht an Zypern, sondern an ganz Europa durchexerziert. Es zeigt, was passiert, wenn sich die Eurochefs zu Herren über Politik und Wirtschaft ganzer Länder erheben.

      Die versuchte Zwangsenteignung der zyprischen Sparer war dabei nur der Anfang. Kaum dass der offenbar in Berlin ausgeheckte Angriff auf die Sparer abgewehrt war, kam gleich die nächste Attacke, diesmal aus Frankfurt.

      Die Europäische Zentralbank setzte Zypern die Pistole auf die Brust und stellte ein Ultimatum: Bis zum heutigen Montag muss Nikosia einlenken, sonst wird der Geldhahn zugedreht. Zudem forderte sie Kapitalkontrollen auf der Insel.

      In der Praxis ist der Euro auf Zypern damit nichts mehr wert; die Insel ist vom Zahlungsverkehr der Eurozone abgeschnitten. Zudem hat die EZB ihre eigene Maxime verraten, alles zu tun, um den Euro und seine Mitglieder zu retten.

      Und das ohne Not: Denn nachdem die Stützung der Pleite-Insel bereits um neun Monate verschleppt wurde (der Hilfsantrag kam schon im Juni 2012), kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nun auch nicht mehr an.

      Auch die Eurochefs handeln willkürlich. Willkürlich sind die Summen, die sie als „Eigenbeteiligung” fordern. Willkürlich ist ihr Eingriff in die zyprische Wirtschaftsstruktur. Selbst Luxemburg ist deswegen sauer.

      Zudem lenken sie davon ab, dass sie geschworen hatten, den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Dies wurde sogar auf EU-Gipfeln beschlossen - und gleich durchlöchert.

      Von den Folgen dieser Willkür dürfte sich Europa nicht so schnell erholen. Die „Euro-Retter“ sind völlig unberechenbar geworden. Was sie gestern sagten, gilt heute schon nicht mehr. Künftig scheint alles möglich.

      Auch wenn Zypern doch noch in letzter Minute „gerettet“ wurde, so weiß nun jeder: Auf Recht und Gesetz kann man sich nicht mehr verlassen. Am Ende zählt nur, was Berlin will – und was Frankfurt zulässt.

      Aus der Währungsunion ist ein Schreckensregime geworden. Und zwar nicht nur für die Zocker auf Zypern. Wer auch immer als nächstes „gerettet” werden muss, sollte sich auf das Schlimmste gefasst machen.

      Wenn Europa ein Geschäftsmodell wäre, so würden die Kunden nun in Scharen davonlaufen. Aber der bizarre Vergleich aus der Wirtschaft hinkt – sowohl für Brüssel wie auch für Nikosia.

      Denn Zypern ist nicht etwa wegen seines Bankensektors in die Krise geraten – sondern wegen der verfehlten Griechenland-„Rettung”.