Der Staatsvertrag ist zunächst ein öffentlich – rechtlicher Vertrag wegen der Beteiligung des Staates als Hoheitsträger und nicht bloß als Fiskus wie in einem zivilrechtlichen Vertrag, mag dieser auch noch so wichtig sein. Er ist mehr als ein bloßes Verwaltungsabkommen, soll die Benutzung der Kennzeichnung als Staatsvertrag inhaltlich eine Bedeutung haben. Es ist die Ebene des Staatsrechts, die ein solcher Vertrag inhaltlich von allen anderen öffentlich - rechtlichen Verträgen abhebt. Es geht dabei um die Gestaltung des Staatsrechts durch hoheitlich agierende Vertragspartner, so klassisch die Gebietsabgrenzungsverträge zwischen den Ländern, Art. 29 Abs. 7 S. 1 Grundgesetz, und auf den durch die Verfassung geregelten Gebieten, so etwa die Rundfunkstaatsverträge zu Art. 5 Grundgesetz. Diese verfassungsrechtliche Verankerung der zu regelnden Materie ist in diesem Zusammenhang die religionsrechtliche Seite in Art. 4 Grundgesetz für Individuen und Personenzusammenschlüsse, die Regelung des Religionsunterrichts in Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz und die institutionellen Fragen im Verhältnis von Staat und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in den durch die Verweisungsvorschrift des Art. 140 Grundgesetz nach wie vor maßgeblichen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung: Art. 136, 137, 138, 139 und 141. Mit allen diesen Themenbereichen beschäftigt sich der hier behandelte Vertrag.
Offen ist, wer anderes als ein Staatsgebilde mit dem das Gebiet des Staatskirchenrechts gestaltenden Staat (Bund oder Bundesland) kontrahieren kann. Nach Art. 123 Abs. 2 Grundgesetz ist es der Heilige Stuhl und damit für die „neuen Staatsverträge“ sowohl dieser als aus dem Verfassungsprinzip der Parität heraus auch die evangelischen Landeskirchen. Der tiefere Grund für dieses Einrücken eines Nichtstaates 59 ist die öffentliche Potenz eines Gemeinwesens wie die der Großkirchen 60, ihr öffentlicher Status, der ihnen erlaubt, die öffentliche Ordnung mittels Staatsvertrages mit zu gestalten. Politische Macht allein indes reicht nicht, da dies allenfalls Motiv für die staatliche Seite zu einem Vertragsabschluss sein kann. So bleibt eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften oder dem Deutschen Sportbund eine solche des Zivilrechts. Hinzu kommen muss, und dies ist entscheidend, der auch förmliche Zugang als Beteiligter des öffentlichen Rechts. Dies geschieht konstitutiv 61 durch die Qualität als Körperschaft des öffentlichen Rechts 62 , Art. 137 Abs. 5 und 7 WRV. Auf diese Weise sind Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den Kirchen gleichgestellt 63 und können wie diese Verträge mit dem Staat auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts abschließen und haben sie abgeschlossen. Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften des Privatrechts, wie etwa die islamischen Verbände, können dies nicht.
Materiell - inhaltlich sowie zwischen dem Staat und einer öffentlich - rechtlichen Körperschaft muss demnach der Staatsvertrag vorliegen. Die Bezeichnung als „Staatsvertrag“, sei es im Vertragstext 64 oder im staatlichen Zustimmungsgesetz 65 ist rein deklaratorischer Art, wenn die beiden eben genannten Voraussetzungen vorliegen. Liegt eine davon nicht vor, so ersetzt auch die bloße Bezeichnung als Staatsvertrag keine der fehlenden Voraussetzungen. Rechtsfolgen für die Einordnung als Staatsvertrag sind: Auf sie sind die §§ 54 ff. BVwVfG nicht anwendbar, sie bedürfen der Zustimmung des Parlaments und sind nur durch einen Staatsvertrag änderbar 66.
8. Islamischer Religionsunterricht
Ein weiterer komplexer Themenbereich grundsätzlicher Art ist die Einführung eines echten islamischen Religionsunterrichts i. S. des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz, auf die eine Religionsgemeinschaft nach Maßgabe der vorgenannten Bestimmung einen Rechtsanspruch hat 67 . Schwierigkeiten tauchen hier eher auf staatlicher Seite auf als bei den islamischen Verbänden. Hamburg hat sich politisch zu einem „Religionsunterricht für alle“ entschieden. Nach dem Grundgesetz muss der Religionsunterricht indes nicht nur eine bloße Darstellung einer Religion sein, sondern inhaltlich ,,in konfessioneller Positivität und Gebundenheit" 68 erteilt werden, so dass unter diesen Begriff nicht die Abhaltung eines Religionskunde- oder eines allgemeinen Sittlichkeits- oder Ethikunterrichts fällt 69 und auch nicht ein ökumenischer (katholisch - evangelischer) 70 oder interkonfessioneller Religionsunterricht 71 . Dieser Zwiespalt auf staatlicher Seite wird im Vertragstext überraschend deutlich: Art. 6 Abs. 1 S. 2 , wonach unter Beteiligung aller Religionsgemeinschaften ein „gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit ermöglicht“ bleiben, andererseits dabei der Rahmen des Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes beachtet werden soll. In Art. 6 Abs. 2 muss die Freie und Hansestadt ganz ausdrücklich „das Recht der islamischen Religionsgemeinschaften, bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen die Erteilung eines besonderen islamischen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes verlangen zu können“, anerkennen 72. In diesem Zwiespalt befindet sich auch die Hamburger Politik, indem der Erste Bürgermeister Olaf Scholz am 14. August 2012 das sog. Hamburger Modell eines Religionsunterrichts für alle als „Kleinod“ 73 bezeichnete, jedoch einräumen musste, dass die besagten Religionsverbände einen echten Religionsunterricht verlangen können, und dies in die Worte fasste „dann ist das eben so“ 74 .
Die Begleitung des hamburgischen Religionsunterrichts durch eine interreligiöse Arbeitsgruppe, in der auch islamische Vertreter sind, indiziert, dass es sich bei jenem eher um eine allgemeine und daher von vielen Religionsgruppen akzeptierte Religionskunde (nach dem Motto: besser als gar nichts) handelt. Welche Religionszugehörigkeit kann und darf ein staatlicher Religionslehrer besitzen?
Der salvierende Zusatz „in evangelischer Verantwortung“, um der Anforderung des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz nahe zu kommen, ist unklar. Worin soll diese Verantwortung einer Religionsgruppierung gegenüber anderen bestehen? Der religiös neutrale Staat darf für seine Schulveranstaltung nicht zulassen, dass die eine religiöse Gruppierung sich über die andere erhebt.
Unbeschadet dieser eher politischen Bewertungen gilt in Hamburg das Schulgesetz vom 16. April 1997 75 , das alle Schüler in der Gemeinschaftsschule zusammen fasst. In § 7 Abs. 1 S. 2 wird der Religionsunterricht vorgesehen, der „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften im Geiste der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen erteilt“ wird. Der nicht konfessionell getrennte und damit gegen Art. 7 Abs. 3 GG verstoßende Unterricht 76 für alle 77 "in evangelischer Verantwortung" 78 ist von der katholischen Kirche angesichts ihrer Diaspora – Situation zunächst nicht weiter beanstandet worden. Tatsächlich und historisch gesehen handelte es sich nicht um eine wissenschaftlich neutrale Religionskunde 79 , sie wäre kein Religionsunterricht, sondern zunächst ein gemein – evangelischen Unterricht. Für Katholiken, Freireligiöse, Juden oder Muslime ist eine solche Unterweisung kein eigener Religionsunterricht. Und wieso müssen sich Muslime, Katholiken und Juden von evangelischen Lehrern (auf jeden Fall müssen sie einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehören), über ihre Religion belehren lassen? Seit Mitte der Neunziger Jahre hat sich die Konzeption eines Religionsunterrichts für alle zu einem interreligiösen Unterricht entwickelt unter Zustimmung kleinerer Religionsgesellschaften und noch der SCHURA Hamburg 80 . Dieser Weg hat die staatskirchenrechtlichen Regelungen in Sachen Religionsunterricht „kreativ umgangen“ 81 .
Inzwischen konzidiert das Land Hamburg der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinde den konfessionell geprägten Religionsunterricht, der ihnen an sich bereits bundesverfassungsrechtlich zusteht. Hamburg hat erst mit dem am 29 November 2005 abgeschlossenen Konkordat in Art. 5 Abs. 182 den für katholische Schüler an den staatlichen Schulen zu erbringenden konfessionellen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach anerkannt. Auf diesem Wege ist auch der Vertrag mit der Jüdischen Gemeinde 83. Danach muss der Religionsunterricht für alle ohnehin aufgespalten werden.
Auf islamischer Seite zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Hatten sich islamische Eltern mit der Teilnahme an dem Religionsunterricht „für alle“ zufrieden gegeben, schon um nicht ihre