Bodos zornige Seele. Kurt Pachl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Pachl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742749475
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um alles in der Welt war das zu erklären? Hatte Bodo zum Schluss mit all diesen Frauen geschlafen? Irgendwann?

      Iris schauderte es immer noch. Genau genommen wusste sie noch nicht einmal einen Bruchteil über Bodos Leben. Warum hatte er die meisten dieser Informationen vor ihr verheimlicht? Wollte er sie vielleicht damit schützen? Oder misstraute er ihr gar? Wie konnte sie ihm unter diesen Umständen helfen? Sie musste ihm helfen. Doch wenn sie dabei einen Fehler machen sollte, würde sie Bodo verlieren; höchstwahrscheinlich für immer. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Sylvia war pragmatischer. Sie bat Marco, das Obergeschoss mit winzi­gen Kameras auszustatten. Von ihrem Büro aus war es ihrer Freundin nun möglich, alle Gänge der Klinik zu überblicken.

      Vor zwei Wochen gelang es Sylvia, nicht weit von Bodos Appartement entfernt, einen bis dahin leerstehenden Raum wohnlich ausstatten zu lassen. Darin dominierte ein großes Doppelbett.

      Marco war zunächst geschmeichelt gewesen, als er mit der attraktiven Ärztin dieses Doppelbett einweihen durfte. Bereits zwei Wochen nach dem ersten Liebesrausch bereute er es, Ole bei dessen Fitnesstraining nicht oft genug begleitet zu haben. Diese Frau, welche auf ihn immer einen distinguierten Eindruck gemacht hatte, war hemmungslos - und ihr Hunger schien sich von Tag zu Tag zu steigern.

      Iris konnte ebenfalls von ihrem Vorzimmer aus alle Gänge und viele sensible Räume überwachen. Sie lächelte in sich hinein, als es Marco wieder einmal nicht gelang, sich heimlich aus der Klinik zu schleichen.

      Ehe er sich versah, hatte ihn Sylvia in das kleine Appartement gelotst. Marco sah einige Stunden später mitgenommen aus, als er sich aus der Klinik davonstehlen wollte.

      »Hast du ein paar Minuten Zeit für mich«, begrüßte Iris den armen Burschen im Eingangsbereich.

      »Ich brauche deinen Rat.«

      Marco, der sich nach seinem Bett und viel Ruhe sehnte, zuckte zusammen.

      »Bodo hatte wieder einmal tausend Fragen«, sagte er etwas verlegen. »Können wir das nicht auf morgen verschieben?« Iris hakte sich bei Marco unter.

      »Komm mein Freund. Nur ein paar Minuten«, gurrte sie. »Für mich ist es wichtig, deine Meinung zu wissen.«

      Der müde Marco ergab sich seinem Schicksal. Er wusste, dass es unklug gewesen wäre, Iris einen Gefallen abzuschlagen. Deshalb ließ er sich unaufgefordert in den gemütlichen Bürostuhl vor dem Schreibtisch von Iris fallen.

      Iris setzte sich lächelnd auf ihren großen und modernen Bürostuhl und schlug die Beine übereinander.

      »Du siehst aus, als ob Ole dort oben mit dir einen Boxkampf veranstaltet hat«, sagte sie mit einer Miene des Mitleids.

      »Worüber wolltest du mit mir sprechen?« Marco versuchte, mit diesen Worten zu signalisieren, dass er heute nicht zum Small Talk aufgelegt war.

      »Gut. Lass uns gleich zum Punkt kommen«, sagte Iris.

      »Wie schätzt du Bodos Gesundheitszustand ein?«

      Blitzartig wusste Marco, warum Iris ihn in ihr Büro gebeten hatte. Er hob abwehrend beide Hände.

      »Wie du weißt, ist Bodo mehr als ein Freund für mich. Das solltest du respektieren.«

      »Mich beschäftigt momentan nur eine Frage. Ab wann können wir es gemeinsam verantworten, Bodo als geheilt zu entlassen?«

      »Was verstehst du unter „geheilt«, antwortete Marco erkennbar gereizt.

      Iris lächelte in sich hinein. Marco reagierte genauso, wie sie dies vorausgesehen hatte.

      »Gut, dann erkläre es mir mit deinen Worten. Was ist aus deiner Sicht in Biloxi mit Bodo passiert?«

      »Er hatte einen Nervenzusammenbruch. Das hast du damals doch selbst gesagt.«

      Iris hob beschwichtigend beide Hände.

      »Einverstanden. Aber ich brauche es dir nicht zu erklären, dass ein Zusammenbruch nicht wie eine göttliche Eingebung auf Menschen her­niederkommt. Wenn du sein Freund sein willst, so solltest du mir dabei helfen, die genauen Gründe hierfür herauszufinden.«

      Marco winkte ab.

      »Wie auch immer. Bodo ist jetzt wieder top fit. Nur das zählt. Alles Übrige ist jetzt nicht mehr wichtig.«

      Auch darauf hatte sich Iris vorbereitet. Sie beugte sich angriffslustig nach vorn.

      »Wie es in Bodo aussieht, scheint für dich nicht besonders wichtig zu sein«, polterte sie.

      Marco schnellte aus dem Bürostuhl.

      »Was bildest du dir ein? Wenn Bodo herausbekommt, dass wir über sein Seelenleben gesprochen haben, bekommen wir beide großen Ärger. Du solltest vorsichtig sein mit diesen Dingen.«

      Jetzt erhob sich auch Iris aus ihrem Stuhl. Ihr Gesicht wurde finster.

      »Wer, bitte sehr, gibt dir die Garantie, dass Bodo in einer Woche oder in einem Monat nicht wieder zusammenklappt? Wie soll ich meinen Job machen, wenn ihr alle gemeinsam mauert?«

      Es entstand Stille. Nach einigen Sekunden klopfte es an der Tür. Weder Iris noch Marco reagierten. Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Es war Sylvia. Sie blickte die beiden neugierig an.

      »Na ihr Kampfhähne. Braucht ihr einen Schlichter?«

      Iris winkte mit weitausholenden Bewegungen.

      »Komm rein. Vielleicht kannst du uns weiterhelfen.«

      Erst als alle wieder Platz genommen hatten, blickte Iris Sylvia an.

      »Ich will es abkürzen. Ist Bodo aus deiner Sicht völlig gesund?«

      Sylvia lehnte sich ruckartig zurück, und hob beschwichtigend beide Hände.

      »Moment. Wir befinden uns in deiner Klinik. Physisch ist Bodo, wenn er einige Wochen mit Ole trainiert, wieder fähig, an einem Marathonlauf teilzunehmen.«

      »Du weißt ganz genau, was ich meinte«, sagte Iris gereizt.

      »Ich habe dich, als meine Ärztin und Freundin, die seit vielen Jahren in dieser Klinik arbeitet, um deine Meinung gebeten. Schleiche dich jetzt nicht aus dieser Verantwortung. Du hast Bodo in den letzten vier Monaten jeden Tag besucht; verdammt viele Stunden übrigens, wenn ich das hier einmal einflechten darf.«

      Marco musste unwillkürlich grinsen. Doch Bruchteile später blickte er mit ernster Miene in Richtung Sylvia.

      »Zuerst einmal deine Meinung.«

      Die Ärztin zuckte mit den Schultern.

      »Lasst es mich einmal so sagen: Fünf Minuten in Biloxi haben mir mehr über euren Männerverein gesagt, als die letzten Jahre hier in Frankfurt.«

      Sie stand auf, ging zum Fenster und blickte in die kleine Parkanlage. Bei den folgenden Sätzen wollte sie offensichtlich weder Iris noch Marco in die Augen schauen.

      »Aus meiner Sicht ist Bodo schon sehr lange krank. Ihr alle wisst ganz genau, dass er unendlich mauert. Bodo ist, wie er ist. Doch solange er selbst nicht daran interessiert ist, dass sich daran etwas ändern sollte, besteht zweifelsohne das Risiko, dass sich dieser Prozess bei jedem größeren Ereignis verschlechtert. Das ist meine Meinung als Ärztin.

      Als Freundin und Mitstreiterin von Bodo, fühle ich mit ihm. Ich bin traurig und ratlos. Aber auf eine mir völlig unerklärliche Weise bin ich auch erwartungsvoll.«

      Erst jetzt drehte sie sich wieder zu Iris und Marco um.

      »He Leute, erwartet von mir bitte keine Wunderbotschaft. Empathie ist ganz bestimmt nicht seine Stärke.« Sie lachte bitter.

      »Robben, Wale, Vögel und Schmetterlinge haben in seinen Augen – es fällt mir äußerst schwer, dies sagen zu müssen - einen weitaus höheren Stellenwert als Menschen. Ich habe keine Ahnung, ob wir uns deshalb Sorgen machen sollten. Das ist schließlich dein Zuständigkeitsbereich.«

      Dabei blickte sie Iris