- Ich weiß. Aber nun zu den Details. Wie viel können Sie ihm als Jahresgehalt bieten?
- Mehr als hunderttausend Euro können wir nicht zahlen.
- Das ist heute nicht viel für einen qualifizierten Manager. Unter diesen Umständen müssten Sie die Firma in eine Aktiengesellschaft umwandeln und ihm als Ausgleich bei seinem Ausscheiden oder nach etwa drei Jahren ein Aktienpaket anbieten. Das erhöht seine Motivation, für bessere Ergebnisse zu sorgen. Und Sie als Aktionärin würden am Ende daran mitverdienen.
- Auf diesem Gebiet kenne ich mich nicht aus. Dazu bräuchten wir einen Spezialisten.
- Da könnte ich Ihnen behilflich sein.
- Inwiefern?
- Ich kenne mehrere qualifizierte Berater, mit denen ich auf verschiedenen Gebieten zusammenarbeite. Ich müsste mal prüfen, wer für diese Aufgabe besonders geeignet ist und kurzfristig einen Termin frei hat.
- Aber da ist noch etwas: Wir müssen die Kosten für die Beratung in Grenzen halten. Es ist nämlich so, dass wir für eine kurze Übergangszeit einen Kredit brauchen, den wir im Augenblick ohne meinen Bruder nicht bekommen können.
- Ich könnte Ihnen vielleicht helfen, einen Kredit zu bekommen, wenn Sie ausreichende Sicherheiten bieten können.
- Mein Bruder und ich besitzen aus dem Vermögen unseres Vaters eine Villa in Saint Tropez. Sie ist bestimmt dreißig Millionen wert, wie mir gesagt wurde. Wir könnten sie als Sicherheit bieten.
- Das wäre immerhin schon mal etwas. Ich müsste sie sehen. Haben Sie Bilder von dem Objekt?
- Ja, die Bilder habe ich zu Hause. Ich werde sie Ihnen bei Gelegenheit zeigen. Sie werden begeistert sein.
- Frau Sämann, lassen Sie uns ein paar Schritte vor die Tür machen, es brauchen nicht alle Leute unser Gespräch anzuhören.
- Hier hört uns keiner. Ich habe schallschluckende Türen. Sie öffnete die Tür und blickte auf den Gang hinaus. Es war keiner da. Nur ein Bett mit einem Patienten wurde vorbeigeschoben.
- Wir sollten einen neuen Termin vereinbaren, dann haben Sie die Bilder und vielleicht sogar ein Exposee dabei. In der Zwischenzeit kläre ich einen möglichen Termin mit einem geeigneten Berater ab. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich Konkretes erfahren habe.
Hoffnungsträger
Zwei Wochen später besuchte Frau von Stephano die Chefärztin Ingrid Sämann im Krankenhaus. Die ihr schon bekannte kalte und spartanische Atmosphäre in ihrem Büro ließ sie frösteln. Ein paar farbige Drucke von Kandinsky, Paul Klee und Franz Mark aus einem Werbekalender verzierten die Wände. Büromöbel aus Stahl, Stühle aus Chrom mit Stoff bespannt. Alles schlicht und zweckmäßig. Insgeheim taxierten sich die beiden Frauen, ob sie sich trotz ihrer ausgeprägten Gegensätzlichkeit verständigen könnten. Sie trauten sich nicht über den Weg und wollten ihre Schwächen herausfinden. Sie rangen um die Führungsrolle. Eine fühlte sich der anderen überlegen, blickte auf die andere herab. Die Chefärztin auf die junge Frau ohne Familie, die wohlhabende Adelige auf die alte Frau ohne Geld, die dabei war, alles zu verlieren, die sie um Hilfe ersuchte.
- Förmliche und kühle Begrüßung: Isabelle zwang sich zu einem Lächeln: Grüß Gott Frau Sämann. Wie geht es Ihrem Bruder?
- Distanziert kam die Antwort: Danke, es geht. So langsam kommt er wieder auf die Beine. Mein Bruder will unbedingt nach Hause. Das verstehe ich nicht, denn hier bei uns wird er gut betreut. Ich denke, er sollte sich noch mehr erholen. Er ist noch immer ziemlich schwach und nicht so richtig beieinander. Er hat große Erinnerungslücken. Und bei ihm zu Hause ist niemand, der für ihn sorgen kann. Zwar haben wir ein paar Angestellte, aber die sind nicht für die Krankenpflege ausgebildet. Mein Bruder kann sich nicht allein versorgen und braucht professionelle Pflege. Aber heutzutage gibt es keine guten Pflegekräfte für die häusliche Betreuung. Man bekommt nur Polinnen, Rumäninnen und Frauen aus der Ukraine. Nichts gegen Osteuropäer. Sie sind zwar nett und willig, aber man muss ihnen alles beibringen. Zum Putzen mag es ja reichen, aber zur medizinischen Betreuung der Patienten und zur Krankenpflege sind sie nicht geeignet. Auch hier im Krankenhaus haben wir nicht genügend ausgebildete Pflegerinnen, die wir für diese Aufgabe zur Verfügung stellen können. Auch ich kann mich nicht um alles selber kümmern. Ich habe hier wirklich genug um die Ohren, um den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten.
Isabelle zeigte Verständnis: Das ist sicher keine leichte Aufgabe. So ein großes Krankenhaus verlangt den vollen Einsatz, oft rund um die Uhr.
- Da haben Sie recht. Dann wechselte sie abrupt das Thema: Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee oder Wasser?
- Vielen Dank, bemühen Sie sich nicht.
- Keine Ursache. Hier haben wir alles im Griff, aber wir müssen nun den Blick nach vorne richten. Es geht nicht nur um die Gesundheit meines Bruders, es geht auch um die Firma, die derzeit ohne Führung ist.
- Da ist ganz sicher Hilfe erforderlich.
- Ja. Das ist so. Haben Sie mal über einen für uns geeigneten Berater für die Firmengruppe nachgedacht?
- Ohne Zögern kam die Antwort: Ja, das habe ich. Ich habe zufällig genau den richtigen Mann für Sie. Es handelt sich um Herrn Konselmann, den Sie bereits von der Einladung beim Graf kennen.
- Der hat auf mich einen guten Eindruck gemacht. Es wäre nicht schlecht, wenn er uns unterstützen könnte.
- Ein guter Mann, bestätigte Isabelle. Er ist sehr beschäftigt. Man müsste ihn fragen.
- Hoffentlich können wir ihn uns ihn leisten. Sie wissen, die Rentabilität unserer Firmengruppe ist zurzeit nicht die beste. Wir können uns keine Millionengehälter leisten.
- Für alles gibt es eine Lösung: Ich denke, Sie könnten ihm für einen späteren Zeitpunkt Firmenanteile zusagen, wenn die Firma wieder erfolgreich ist. Dann wäre er jetzt mit einem geringen Fixum einverstanden.
- Das hört sich gut an. Ich müsste mal mit meinem Bruder darüber sprechen, und anschließend auch mit Hinrich und mit Julia. Die beiden Geschwister müssten einverstanden sein. Sie müssen mit ihm zusammenarbeiten. Schließlich geht es auch um ihre Firmenanteile, auf die sie eines Tages - wenigstens zu einem Teil - verzichten müssten.
- Wie lange wird das dauern? Soweit ich weiß, ist Konselmann nur jetzt für diese Aufgabe verfügbar, wenn Sie zu lange zögern, dann wird er absagen. Er hat noch andere Aufgaben in seiner Firma. Sie wissen: Gute Manager sind sehr begehrt.
- Ja, ich weiß, aber Sie müssten mir mindestens eine Woche Bedenkzeit geben. Auch die interne Abstimmung erfordert Zeit. Es wäre gut, wenn ich in der Zwischenzeit seine Vita studieren könnte. Dann kann ich mir ein besseres Bild von ihm machen.
- Isabelle öffnete ihre Aktentasche: Zufällig habe ich hier seine Unterlagen aus einer anderen Bewerbung. Es ging damals um eine weitaus größere Aufgabe. Aber die Angaben über seinen beruflichen Werdegang sind noch immer ziemlich aktuell, so weit ich weiß. Sie werden von seinen Leistungen beeindruckt sein. Sie können froh sein, wenn Sie ihn für diese Aufgabe gewinnen können.
- Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben.
- Isabelle, lächelte verständnisvoll und überreichte die sorgfältig gebundenen Unterlagen. Auf feinstem Papier gedruckt. Exemplarisch waren einige anonymisierte und besonders erfolgreiche Aufträge herausgegriffen worden: Farbige Grafiken lenkten die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche: Sinkende Kosten, steigende Umsätze, steigende Gewinne, steigende Börsenkurse.
- Ingrid betrachtete das Foto, offenbar in einem professionellen Studio aufgenommen: Ein gut aussehender Mann, aber das Foto ist wohl schon etwas älter? Jetzt hat er schon ein paar graue Haare, wie ich mich erinnere.
- Ich finde, die grauen Haare machen einen Mann ab einem gewissen Alter noch attraktiver. Dieser Mann