Franz Gnacy
Der Lebensweg - ein Werk von Leo Tolstoi
Ein Buch für Wahrheitssucher. Ins Deutsche übertragen von Dr. Adolf Heß editiert von Franz Gnacy
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Inhaltsverzeichnis
Sünden, Verführung, Aberglaube
Einleitung
Das nachfolgende, hier zuerst in deutscher Sprache erscheinende Werk Leo N. Tolstois, „Der Lebensweg“ bildet die letzte größere Arbeit des im November 1910 auf der kleinen Eisenbahnstation Astapowo verstorbenen Predigers der Menschheit und Weltpropheten. Bekannt ist, dass Tolstoi auf der Flucht von Haus und Hof – auf der Weltflucht -, durch seelische Qualen und sein hohes Alter geschwächt, einem an und für sich nicht gefährlichen Leiden erlag. Weniger bekannt ist, dass Tolstoi auf dem Krankenlager in Astapowo noch die Korrekturen dieses „Lebensweges“ las und das Werk der besonderen Sorgfalt seines russischen Herausgebers empfahl. Der Verleger hat denn auch die russische Ausgebe genau nach Tolstojs Vorschrift besorgt und dem Werke ein längeres Vorwort beigegeben, das hier folgen mag:
Bekanntlich hat Tolstoi trotz seines hohen Alters bis in seine letzten Tage mit immer gleichem Eifer an dem wichtigsten Werke seines Lebens gearbeitet. Dieses bestand einerseits in ausgedehnter eigener und fremder Aufklärung über den wahren und höchsten Sinn des Lebens, über wahre Bedeutung und Angabe des richtigen Weges zur Verwirklichung dieser Wahrheit im Dasein des Einzelnen, wie der ganzen Menschheit. Andererseits war es aber die Aufklärung über alles das, was den Menschen bei der Verwirklichung dieser Wahrheit im Wege steht. Und endlich sollte es hinweisen, auf ein Mittel zum Kampf gegen „Sünden, Verführung und Aberglauben“, die den Einzelnen wie die ganze Menschheit an der Erfüllung ihrer Bestimmung, ihrer „Mission“ in dieser Welt, wie Tolstoi sich ausdrückt, hindern.
In dieser Arbeit, auf die Tolstoi alle Fülle seiner Gedanken, alle Kraft seines Genies, seiner Liebe und seines großen Fleißes verwandte, vereinigte er allmählich auch die tiefsten Aussprüche der Religionsstifter und Weltweisen über den höchsten Sinn des menschlichen Lebens, den er selbst nach langem und leidenschaftlichen Suchen in seiner ganzen Klarheit gefunden hatte. Es war für Tolstoi die schönste Freude, eine Bestätigung der Wahrheit über den höchsten Sinn des menschlichen Daseins, die er entdeckt hatte, in den Schaffensfrüchten der größten Geister aller Völker und Zeiten zu finden, und es war obendrein für ihn ein besonderer Trost, durch seine Arbeit die Menschheit mit diesen tiefsten und besten Gedanken wieder bekanntzumachen.
So schreibt Tolstoi Freund und Verleger Gorbunow, den russische Richter wegen Verbreitung Tolstoischer Gedanken kürzlich zu längerer Kerkerhaft verurteilten.
Tolstoi selbst aber schickt in seiner zu weit gehenden Bescheidenheit dem Werk die Bemerkung vorauf: „Die hier gesammelten Gedanken gehören den verschiedensten Autoren an. Aus brahmanischer, konfuzianischer, buddhistischer Weisheit, aus den Evangelien, den Apostelbriefen und sowie den Schriften vieler anderer, alter wie neuer Denker sind sie entlehnt. Die meisten Gedanken sind jedoch bei der Übersetzung und Bearbeitung einer solchen Veränderung unterzogen worden, dass ich es nicht für angebracht halte, sie mit dem Namen ihres ursprünglichen Schöpfers zu versehen. Die besten von diesen nicht unterzeichneten Gedanken gehören nicht mir, sondern den größten Weltweisen.“
Ist je ein Werk von der Bedeutung und Tragweite des vorliegenden bescheidener und anspruchsloser an die Öffentlichkeit getreten?
Wie kam dieses Weisheitsbuch zustande? Auch darüber gibt der russische Herausgeber uns Auskunft:
Tolstoi Arbeit an dieser Sammlung der höchsten menschlichen Weisheit fand im letzten Jahrzehnt seines Lebens statt. Die Arbeit begann im Jahre 1903.