Patricia Strunk
Kristallblut
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Inhaltsverzeichnis
KAPITEL III – Von Drachen und Steinen
KAPITEL VI – Die Steine kommen ins Rollen
KAPITEL VII – Ein Fleisch gewordener Alptraum
KAPITEL VIII – Der Sturm bricht los
KAPITEL XII – Feuer und Verzweiflung
KAPITEL XIV – Keine Geheimnisse mehr
KAPITEL XVI – Das Licht des Kristalls
KAPITEL XVII – Die blauen Teiche
KAPITEL XIII – Den Tod vor Augen
KAPITEL XIX – Verbotene Gefühle
KAPITEL XX – Spuren der Vergangenheit
KAPITEL XXI – Ozamis Geständnis
KAPITEL I – Fluchtpläne
INAGI
KRISTALLBLUT
Patricia Strunk
***
In Erinnerung an
meinen Onkel Erhard Lamché,
der die Veröffentlichung dieses Werkes
nicht mehr erlebt hat.
Dein Optimismus
wird mir immer Ansporn sein.
„What lies behind us and what lies before us are tiny matters compared to what lies within us.” – Henry Stanley Haskins
Wie eine gepanzerte Schlange wand sich die goharische Armee durch den Wald, eine Schneise aus umgehauenen Bambusstangen und zerfurchter Erde hinter sich zurücklassend.
Solange sie auf den Straßen unterwegs gewesen waren, die Inuyara mit den Minensiedlungen im Nordosten verbanden, hatten sie keine großen Schwierigkeiten gehabt sich fortzubewegen. Doch jetzt, da sie das besiedelte Gebiet hinter sich gelassen hatten, gab es nur noch vereinzelte Jägerpfade und Wildwechsel, die das Heer nicht benutzen konnte, und so blieb den Kireshi nichts anderes übrig, als sich entlang der Talsohle quer durch den Wald zu schlagen.
Nun, genau genommen waren es nicht die Kireshi, die Äxte und Schwerter schwangen: Es war keine Frage gewesen, dass den Söldnern die Aufgabe zukam, der Armee den Weg zu bahnen. Überhaupt hatten die Raikari bisher für alle schweren Arbeiten herhalten müssen, so dass in Ishira bald der Verdacht keimte, dass ihnen in den Augen der Gohari kein wesentlich höherer Stellenwert zukam als Sklaven. Doch falls die Söldner sich ungerecht behandelt fühlten, ließen sie es sich nicht anmerken. Ohne zu murren taten sie, was die Befehlshaber ihnen auftrugen, und blieben ansonsten unter sich.
Kiresh Yaren war mit den Kundschaftern zu einem Erkundungsritt aufgebrochen und hatte Ishira in der Obhut Mebilors gelassen. Zwischendurch hatte sie immer wieder ein paar Worte mit dem Heiler gewechselt, doch seit geraumer Weile unterhielt er sich mit Rohin. Ishira hatte nur mitbekommen, dass es um die Wirkstoffe irgendwelcher Substanzen ging, aber da dieses Thema sie nicht sonderlich interessierte und sie die Hälfte davon ohnehin nicht verstand, war ihre Aufmerksamkeit rasch erlahmt. Doch sobald ihre Gedanken auf nichts Bestimmtes gerichtet waren, brach sich sofort wieder die Angst Bahn. Angst, sich auf einer Reise ohne Wiederkehr zu befinden. Um ihren Geist zu beschäftigen, ließ Ishira ihren Blick über die Landschaft schweifen und versuchte, die kuriosen Formen der Felsen zu deuten, die vereinzelt aus den Bambusstauden aufragten. Schräg vor ihr standen zwei Frauen mit Kiepen auf dem Rücken und stritten miteinander, die Hände gestikulierend erhoben. Ein Stück weiter erinnerte eine bemooste Formation an die Ruinen einer Festung mit einem halb eingestürzten Turm.
Nachdenklich fuhr Ishira mit der Zunge die Innenflächen ihrer Zähne entlang. Möglicherweise hatten ihre Vorfahren einst tatsächlich hier gesiedelt. Vorausgesetzt, sie waren dabei den Amanori nicht in die Quere gekommen. Zwar hatten die Echsen die Menschen früher nicht angegriffen, aber sie hätten wohl kaum ein Eindringen in ihren Lebensbereich toleriert.
Beim Gedanken an die Amanori wanderte Ishiras Blick nach oben, schätzungsweise zum hundertsten Mal in den letzten Tagen – als hätte Kiresh Yaren sie mit seiner zwanghaften Beobachtung des Himmels angesteckt. Der Ausschnitt, den sie zwischen den sich im Wind wiegenden Bambusstangen sehen konnte, war wie all die Male zuvor grau und leer. Seit ihrem Aufbruch hatte sich noch kein einziger Amanori gezeigt, aber Ishira fiel es schwer zu glauben, dass die Echsen sie noch nicht entdeckt