Im Zeichen des Rosenmonds. Karl-Heinz Biermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl-Heinz Biermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738045512
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waren, sondern mehr zur Seite hin. Er vermutete daher einen ungleichmäßigen Schwerpunkt und fand darin die Erklärung für das schwammige Fahrverhalten in den bergigen Kurven. Um die Rohre anzubringen, musste der Boden angehoben worden sein. Das bedeutete, dass auch Veränderungen im Fußraum vor den hinteren Sitzen festzustellen sein mussten. Ihm war derartiges nicht aufgefallen, aber so genau hatte er dort auch noch nicht hingesehen. Er schüttelte mit dem Kopf.

      Ihm kam kurz der Gedanke, die Rohre aufschweißen zu lassen, aber dies schien ihm zeitlich zu aufwendig, wenn nicht gar gefährlich. Er musste sich zunächst damit abfinden, dass Blohm ihn hinters Licht führen wollte, und das hier sah nach einer ganz bösen Sache aus. Er wies die beiden Mechaniker an, die nach wie vor neugierig, aber ahnungslos dabeistanden, das Taxi wieder herabzulassen, ging aus der Halle hinaus und lief Blohm direkt in die Arme.

      „Was fällt Ihnen ein! Wie kommen Sie dazu, von unserer Route abzuweichen, wir hatten eine Abmachung getroffen.“

      Yusuf hörte Blohm zum ersten Mal schnauzen und war wie vom Donner gerührt. Aber dann wehrte er sich.

      „Und das hier?“ Er nickte einem der Mechaniker zu und bedeutete ihm, den Wagen noch mal hochzufahren und zeigte dann unter das Auto. „Können Sie mir sagen, was das hier ist?“

      „Ich muss Ihnen gar nichts sagen.“ Blohm trat unter das Taxi und warf einen prüfenden Blick auf die Konstruktion. „Ich hatte Ihnen nicht erlaubt, an dem Wagen herumzufummeln.“

      „Sie haben an dem Auto herumgefummelt!“, bellte Yusuf. „Was haben Sie denn zu verbergen?“

      „Machen Sie nicht noch mehr Aufsehen. Lassen Sie den Wagen wieder runter und dann verschwinden wir hier. Haben Sie den beiden etwas gegeben? Dann geben Sie ihnen noch mal etwas, aber nicht aus der Spesenkasse, das bezahlen Sie gefälligst aus Ihrer eigenen Tasche.“ Blohm wartete, bis Yusuf das Taxi aus der Halle fuhr, warf seinen Koffer auf den Rücksitz und stieg auf der Beifahrerseite ein.

      Sie ließen die zwei bulgarischen Mechaniker zurück, die immer noch nicht begriffen, was hier geschehen war, und Yusuf sah, bevor er auf die Straße fuhr, wie sie auf die weiteren zwanzig Euro starrten, die der eine von ihnen in der Hand hielt.

      „Jetzt aber los“, trieb Blohm ihn an, „ich habe keine Lust auf die bulgarische Polizei.“

      „Erklären Sie mir bitte, was das da unter dem Wagen ist“, forderte Yusuf und versuchte, es streng zu sagen.

      Blohm beantwortete die Frage nicht, stattdessen raunzte er ihn weiter an. „Einen ausländischen Mercedes aufzubocken.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Was glauben Sie, wie viel Neugier das wohl weckt. Welcher Teufel hat Sie eigentlich geritten?“

      „Ich musste wissen, was mit dem Taxi nicht stimmt. Ich habe schließlich gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist.“

      „Dazu mussten Sie mich hintergehen?“

      „Wer hier wen hintergeht, haben wir ja gesehen. Sie führen mich an der Nase herum und spielen hier den Empörten. Ich bin derjenige, der das Recht hat, sauer zu sein.“

      „Unsere Abmachung war, dass Sie in der Nähe des Busses bleiben und sich nicht heimlich aus dem Staub machen sollten.“

      „Ich hab mich nicht aus dem Staub gemacht, ich sah die Tankstelle und wollte die Gelegenheit nutzen, unter den Wagen zu schauen. Sie haben es ja nie zugelassen.“

      „Das sollte Sie auch gar nichts angehen, ich habe Sie fürs Fahren engagiert. Sie kriegen eine Menge Geld dafür.“

      „Trotzdem. Ich sitze hier mit dem Hintern auf irgendetwas …“ Yusuf wusste nicht, wie er es nennen sollte. „Wenn ich weiterfahren soll, muss ich wissen, was da unten ist!“

      Blohm brüllte. „Verflixt! Tun Sie doch einfach das, was ich Ihnen sage!“

      Yusuf zuckte zusammen, blieb aber unbeirrt. „Da vorne kommt bald die türkische Grenze. Wenn Sie mir nicht sagen, was wir transportieren, halte ich an und fahre nicht mehr weiter.“

      „Sind Sie wahnsinnig geworden, Mann?“

      Yusuf duckte sich unter Blohms Brüllerei, aber er nahm sich vor, bei der nächsten Möglichkeit anzuhalten.

      „Menschenskind, Sie bekommen von mir fünfzigtausend Euro, da sollte es Ihnen doch egal sein, was Sie transportieren.“ Blohm sagte es wieder leiser.

      „Aber nicht auf diese Art und Weise, diese Geheimnistuerei. Was ist denn, wenn wir in Istanbul sind? Geht’s da wirklich um Diamanten? Ich kann Ihnen doch gar nicht mehr vertrauen.“ Jetzt war es Yusuf, der seine Stimme erhob.

      „Wir haben ein Geschäft abgemacht und es bleibt so dabei. Von einer zusätzlichen Ladung wollte ich Sie nichts wissen lassen, um Sie nicht unnötig zu beunruhigen, vor allem wegen der Grenzen.“

      „Was ist so brisant an der Ladung unter uns, dass Sie den Bus verließen, nur um mich nicht aus den Augen zu verlieren. Warum wollten Sie verhindern, dass ich etwas entdecke?“

      Yusuf ging vom Gas. Ein Schild an der Straße wies auf einen Parkplatz in wenigen hundert Metern Entfernung.

      „Sie halten jetzt nicht an! Wir haben schon genug Zeit verloren“, schnauzte Blohm.

      „Sie sagen mir, was in den Rohren ist! Ich fahre sonst nicht weiter!“

      Yusuf stellte ziemlich am Ende des Parkplatzes den Motor ab. Als Blohm immer noch nicht antwortete, spekulierte er. „Diamanten, es sind Diamanten, nicht wahr? Wir schmuggeln die Diamanten bereits in die Türkei hinein! Sie haben gar nicht vor, sie auf dem Rückweg herauszuschmuggeln, wie Sie mir weiszumachen versuchten.“

      Blohm schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen. „Sie sind ein Narr“, sagte er, „ein verrückter, alter Narr.“

      Yusuf stieg aus und ging ein paar Schritte vom Wagen weg. Blohm öffnete die Tür auf seiner Seite, blieb aber sitzen.

      „Sie setzen alles aufs Spiel“, rief er ihm zu, „wollen Sie allen Ernstes auf fünfzigtausend Euro verzichten?“

      Yusuf blieb unschlüssig stehen.

      „Kommen Sie zurück ins Auto“, forderte Blohm ihn auf, „ich sage Ihnen, was in den Rohren ist.“

      *

      Blohm sah geradeaus durch die Frontscheibe, als er offenbarte, um was es sich bei den Rohren handelte.

      „Uran, Atom“, stammelte Yusuf, „um alles in der Welt, was sagen Sie da!“

      „Das ist nicht ganz richtig. Es sind bloß Mischoxide, die erst dann eine Wirkung haben, wenn sie im Reaktor zur Kernspaltung eingesetzt werden. Haben Sie keine Angst. Oder glauben Sie, ich würde mich auf radioaktivem Material sitzend durch die Gegend fahren lassen?“

      „Im Atomkraftwerk ist es durch Beton abgeschirmt, unter dem Taxi sind es nur Rohre.“

      „Sie tun gerade so, als würde jeden Moment ein Atompilz hochgehen. Da passiert nichts, das liegt doch alles in einer Umhüllung aus Blei in den Rohren.“

      „Also doch radioaktiv“, lamentierte Yusuf.

      „Fahren Sie jetzt endlich weiter.“ Blohm sagte es so, als wollte er beruhigen, dennoch empfand Yusuf eine Bedrohung in dessen Stimme und eine unbekannte Gefahr, die er immer mehr zu spüren glaubte, je länger er mit ihm zusammen war.

      „Wie haben Sie sich das eigentlich vorgestellt, mich damit über die Grenz fahren zu lassen?“

      „Es kann Ihnen gar nichts passieren. Sie haben ordnungsgemäße Papiere.“

      „Auch für die Rohre da unter dem Auto? Was ist, wenn sie die entdecken? Dann bin ich geliefert.“

      „Wissen Sie denn nicht“, sagte Blohm bedeutungsvoll, „dass mehr als ein Drittel aller Fahrzeuge in der Türkei mit Gas betrieben wird?“

      „Was hat das denn damit zu tun?“

      „Jedenfalls werden sie denen