„Ich habe kein Elektroauto.“ Gerd wurde das Ganze jetzt zu viel.
„Gerd, Essen ist fertig!“ rief Evi aus dem Esszimmer.
„Herr Semmler, deswegen rufe ich ja an. „Die Firma Futurecar, die auch das Haus konzipiert hat, stellt Ihnen ein werbefinanziertes Elektroauto zur Verfügung! Eine echte Rakete, 200 PS, vier Elektromotoren ...“ „Gerd!“ „Ich komme ja schon! Hören Sie, ich bin ...“ „Sprachlos, natürlich, das verstehe ich sehr gut, Herr Semmler, das ist ja auch eine fantastische Sache. Denken Sie an die Umwelt, das „Solarstream 3000 spart ...“ „GERD! Verdammt, es wird alles kalt!“ „Herr Rebmann, ich muss erst mal über alles nachdenken. Ich melde mich bei Ihnen, ja, oder Sie bei mir, noch besser. Auf Wiederhören.“ Gerd knallte den Hörer in die Ladestation und eilte zum Abendessen.
„Wer war das?“ fragte Evi und klatschte Gerd einen Apfelpfannkuchen auf den Teller. Charlie spielte mit ihrem Handy und Thorben blätterte in einem Wissenschaftsmagazin. Gerd überlegte fieberhaft. Hatte Rebmann sich bei Evi mit Elektronikwelt gemeldet? Am besten die Wahrheit sagen, natürlich etwas modifiziert. „Das war jemand von Elektronikwelt“, ich habe ein Elektroauto gewonnen.“ Charlie blickte von ihrem Handy auf. „Boah, wie uncool, bist du jetzt der Öko oder was? Die Dinger kann man doch nur zum Einkaufen gebrauchen. Können wir uns zwei Autos überhaupt leisten?“ Thorben sah Gerd interessiert an. „Wie viel KW hat das Fahrzeug denn?“ Gerd seufzte, woher sollte er das wissen? „Zweihundert PS hat der Mann gesagt.“ Thorben nickte und sah beeindruckt aus. Dann widmete er sich wieder dem Artikel über seltsame Teilchen im subatomaren Kontinuum. „Wir haben ein Auto gewonnen? Oh, Gerd, das ist ja fantastisch. Aber diese Elektrodinger sind doch noch gar nicht ausgereift. Und Strom ist teuer.“ Typisch Evi. „Mum, sei doch nicht so ein Dino! Tobias aus meiner Klasse seine Eltern, die beiden Ärzte, die fahren auch einen Tesla-Roadster, voll das geile Teil. Arschschnell!“ Charlies Einstellungen zu Dingen änderten sich schneller als ihre Haarfarbe. „Charlie, fluch nicht, außerdem heißt es nicht „Tobias seine Eltern“, was lernt ihr bloß in Deutsch?“ Gerd hörte nicht zu, sein Gehirn erhitzte sich vom Denken so schnell wie der Pfannkuchen vor ihm abkühlte. Er brauchte ein Grundstück. Vielleicht konnte er sich die 20.000 Euro auszahlen lassen als Anzahlung für ein billiges Baugrundstück in Vögelsheim, da war gerade Baugrund geschaffen worden, nachdem ein Bauer sein Land verkauft hatte. Hatte ihm Walter, sein Rentnerkumpel und bester Freund, der früher in der Stadtverwaltung beschäftigt gewesen war, unter der Hand verraten. Er musste Walter anrufen, am Besten sofort. „Sitzenbleiben!“ brüllte Evi und die Gläser in der Vitrine klirrten. Gerd schlang seinen Pfannkuchen herunter und stand kauend auf. „Muff noch waff im Keller machen.“ „Klar geh nur. Ich stehe stundenlang am Herd und der Herr Familienvater isst wie ein Spatz und verschwindet dann in seinem Reich. So soll es sein.“ Gerd staunte, ironische Bemerkungen war er von Evi nicht gewohnt. Aber sie verhielt sich in letzter Zeit sowieso sehr merkwürdig. „War sehr lecker, ich nehme gern noch einen Pfannkuchen mit runter, Häschen.“ Evi war besänftigt und reichte ihm drei Pfannkuchen auf einem Teller. Gerd pflückte sein antikes Handy aus der Tasche seiner Jacke an der Garderobe und verschwand im Keller. „Walter? Ich brauche deine Hilfe!“
Drei schlaflose Nächte später klärte sich die Lage für Gerd. Walter hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass man ein Grundstück ja nicht unbedingt kaufen müsse. Gerd solle mal mit seiner Bank sprechen wegen eines günstigen Baukredites. Dann hatte er ihm ein kleines, aber günstiges Baugrundstück vermittelt. Leider weit ab von allem. Außerdem stand zu bezweifeln, dass sich dort überhaupt noch weitere Familien oder sonst jemand ansiedeln würde. Der nächste Ort war fast fünf Kilometer entfernt, es war überhaupt ein Wunder, dass die Versorgungsleitungen für das einsame Baugebiet schon verlegt worden waren. Der nächste Anruf Rebmanns von der Elektronikwelt lief wesentlich entspannter ab. Gerd hatte das Gespräch selbst angenommen und war in den Keller geflüchtet. „Herr Semmler, ich wollte noch mal fragen, was mit der Doku-Soap ist. RTL hat nochmal nachgefragt.“ „Ich wollte eigentlich nicht so ein Aufheben um die Sache machen, wissen Sie ...“ „Die zahlen 8.000 Euro pro Sendung, Herr Semmler, 10 Folgen sind geplant. Natürlich nur, wenn Sie und Ihre Familie einverstanden sind.“ „80.000 Euro? Sind die verrückt? Wer guckt sich sowas denn an? Ich meine, wir ziehen in ein neues Haus, das interessiert doch keinen.“
„Herr Semmler, die Leute vor dem Fernseher lieben es, wenn jemand etwas gewinnt, die können sich dann mitfreuen. Und unter uns: Um Publicity kommen sie sowieso nicht herum. Ganz Deutschland, Europa, eigentlich die ganze Welt interessiert sich für Ihr neues Heim. Weil es einzigartig ist, vollkommen neu ...“
Bevor Rebmann wieder in sein Marketinggeschwätz verfiel, bremste ihn Gerd. „Jaja, ist in Ordnung, wir machen das so. Ein Grundstück habe ich auch, die Papiere schicke ich Ihnen zu, wenn die Sache in trockenen Tüchern ist. Wann würden die Fernsehfritzen, ich meine die Filmleute denn kommen? Zur Schlüsselübergabe?“
„Nein, die stehen schon Gewehr bei Fuß, wird ja so eine Vorher-Nachher-Kiste. Ich sage denen Bescheid, dass Sie so weit sind, dann ... Hallo? Hallo Herr Semmler?“ Das Telefonteil piepte, der Akku war leer. „Verdammt, wieso jetzt?“ Gerd hoffte, dass Rebmann nochmal anrufen würde. Doch es passierte gar nichts.
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