Allzu viel Zeit zum Plaudern hatten wir allerdings nicht, denn in Sydney gehen die Leute etwas früher weg als in Europa. Als wir gegen halb elf in den Club einliefen, waren bereits 2.500 fast durchweg junge Leute schon fest am Feiern. Mindestens 500 weitere standen vor der Tür. Zufällig sah ich Dion in der Schlange stehen und nahm ihn und seine Begleitung direkt mit in den Club. Drinnen war ich zugegebenermaßen ein wenig enttäuscht angesichts der zu dem Zeitpunkt schon sehr betrunkenen und nicht besonders gestylten Gäste, vor allem aber von der Musik. Der DJ spielte innerhalb der paar Minuten, die ich jetzt anwesend war, alles, was in irgendeiner Form hitverdächtig war. David Guetta, Black Eyed Peas, House vs. RnB. Wo dabei der Bezug zu Mykonos war, wo ich sonst relativ unkommerziellen Sound spielte, kann ich leider nicht sagen. Ich wurde dem DJ kurz vorgestellt. „Hey Chris, nice to have you here. It’s a big pleasure for me. Do you like my set?“, rief er mir bei voll aufgedrehter Monitorbox zu. Ich entgegnete nur: „Yes, awesome, bro. Maybe you can slow down a little bit to 126 BPM and drop some cooler stuff before I start, what do you think?“ Ein paar Lieder später fing ich an und packte alles aus, was Alarm machte. Acapellas, Hits, Sirenen, Mikro. Es funktionierte, war aber natürlich nicht das, was ich mir vom anscheinend besten Laden Australiens erwartet hatte. Hier spielten alle großen Namen. Carl Cox, Axwell, David Guetta. Nach einer halben Stunde hatte ich die Menge soweit, um mir musikalisch ein wenig zu folgen, und begann ein wenig progressiver und elektronischer zu spielen. Es begann so langsam Spaß zu machen und nach eineinhalb Stunden war ich auch schon fertig, ja erntete sogar viel Applaus von der Menge für mein Set. Trotzdem, dafür war ich 30 Stunden unterwegs gewesen, oneway! Das war schon enttäuschend.
Ich wurde langsam immer wacher. Nach meiner inneren Uhr war es gerade achtzehn Uhr. Ich ging an die Bar und nahm mit Dion einen Drink zu mir. Ich wollte wissen, was denn er eigentlich hier in Australien mache. Seine Eltern kämen aus Sydney und Malaysia, eröffnete er mir. Das war eine interessante Mischung. Daher konnte ich ihn auch nie so richtig einer Nationalität zuordnen. Er sah gut aus, für Frauen sicher sehr ansprechend. Das war auch seine große Stärke in Dubai. Egal, welche Party er veranstaltete, es waren immer viele schöne Frauen vor Ort, die er von irgendwoher kannte und eingeladen hatte. Und wo in Dubai schöne Frauen sind, wird viel Geld umgesetzt. Das ist das simple Geheimnis. Jedenfalls war er für den „Australia‘s Day“ in seine alte Heimatstadt Sydney geflogen und spielte am nächsten Tag auf einer Poolparty, auf die er mich einlud. Gerne sagte ich zu.
Gegen fünf Uhr morgens war ich wieder im Hotel und überhaupt nicht müde. Also packte ich meine Laufschuhe und meinen Fotoapparat und lief los Richtung Hafen. Laufend habe ich schon immer am liebsten eine Stadt erkundet. Heutzutage wird das sogar professionell angeboten. Sightrunning heißt das auf Neudeutsch. Ich lief den Darling Harbour ab, zum weltbekannten Opernhaus, vorbei an den alten Lagerhäusern von Sydney Cove, durch den Royal Botanic Garden und wieder zurück zur Harbour Bridge. Das war dann doch ein ganz schönes Stück und plötzlich erschlug mich meine Müdigkeit. Ich schleppte mich zurück zum Hotel und fiel gerädert in mein Bett.
Die Poolparty verschlief ich daher total. Dion traf ich dann am späten Abend am Flughafen in der Vielfliegerlounge der Airline wieder. Auch er war nur kurz für dieses Wochenende nach Sydney gekommen. Der Flieger war ausgebucht und das war mein Glück. Aufgrund meines Status‘ wurde ich von der Fluggesellschaft upgegradet und konnte mich während der 15 Stunden Rückflug komplett flach hinlegen, schlafen und die restlichen neuen Filme ansehen. Trotzdem kam ich wirklich total erschlagen wieder am Montagnachmittag in Ulm an. Ein Freund, den ich noch kurz vor der Haustür traf, sagte zu mir: „Also Chris, entschuldige bitte, aber das ist das erste Mal, dass du wirklich so alt aussiehst, wie du bist!“ Da hatte er vollkommen recht. Das war ein Wahnsinnstrip für eineinhalb Stunden Auftritt gewesen. Von meiner Ökobilanz mal ganz zu schweigen. Ich schwor mir, mir nicht noch einmal so eine Tortur anzutun.
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