Entscheidung auf Sardinien. Dietlinde Beerbom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietlinde Beerbom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650584
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bzw. die Leiter nicht verschieben und zweimal hochklettern zu müssen. Im schlimmsten Fall hätte sie tot sein können.“

      „So gesehen hast du nochmal Glück gehabt. Sie hätte schließlich auch einen Hirnschaden davon tragen und für die nächsten 20 Jahre lallend und sabbernd auf deinem Sofa sitzen können. Spaß beiseite, dass du sie jetzt eine Weile an der Backe hast, ist bestimmt kein Zuckerschlecken. Ich wäre schon nach einem Tag mit deiner Schwester bereit, freiwillig Dienst im Altenheim zu schieben, um nicht mehr länger in ihrer Nähe sein zu müssen.“, sagt Kerstin mitfühlend.

      „Das kannst du wohl sagen. Das erste Mal hat sie mich schon genervt als sie mich anrief statt gleich einen Krankenwagen anzurufen. Aber ich bin ja ein netter Mensch und hab mich sofort auf die Socken gemacht, um mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Als ich bei ihr ankam, war sie am Boden zerstört und jammerte und jaulte, als ob sie sich sämtliche Knochen im Leib gebrochen hätte. Da tat sie mir noch so richtig leid. Als wir dann aber im Krankenhaus ankamen und ein netter, recht gut aussehender Arzt sich um sie kümmerte, war sofort alles Gejammer verflogen und sie fing an, aus allen Geschützen Flirt-Versuche auf den armen Kerl abzufeuern. Gott, war das peinlich! Das Ganze spitzte sich dann zu, als sie merkte, dass der Arzt nicht auf sie ansprang, sondern mich fragte, ob ich nicht mal mit ihm ausgehen wollte. Da ist Nicole völlig ausgerastet.“

      „Der Arzt hat dich angebaggert, während Nicole versuchte mit ihm zu flirten?“ Sabine reißt erstaunt die Augen auf.

      „Ich glaube, das hat er nur gemacht, um Nicole endlich mundtot zu machen. Vorher hatte er ihr schon ein paar Mal signalisiert, dass er kein Interesse an ihr hat. Aber ihr kennt ja Nicole! So etwas ignoriert sie einfach bis sie entweder ihr Ziel erreicht oder richtig einen vor den Latz bekommt. Das hat sich der Knabe dann wohl auch gedacht und hat deswegen mich gefragt, ob ich mit ihm ausgehe.“

      „Und, was hast du ihm geantwortet?“, will Kerstin mit unverhohlener Neugier wissen. Zwar hatte sich ihre Vermutung bezüglich einer Affäre zwischen Anja und Christoph als Windei erwiesen, aber diese Sache hatte schließlich auch ein gewisses Potential.

      „Der hätte mein Sohn sein können!“, erwidert Anja empört.

      „Na und? Viele Männer nehmen sich eine jüngere Frau und keiner findet das unanständig. So ein junger Mann kann einem bestimmt sehr gut tun.“, grinst Kerstin.

      „Willst du mich zum Ehebruch anstiften? Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich daran auch nur im Geringsten interessiert sein könnte? Ich bin mit Rainer glücklich verheiratet.“

      „Glücklich verheiratet hört sich an, als ob du erzählst, dass dir der Braten ganz gut gelungen ist.“

      „Was soll das denn nun schon wieder heißen? Wie würdest du es denn bezeichnen, wenn du mit deinem Mann – so du denn einen hättest – zufrieden wärst?“

      „Eben: zufrieden. Wie hört sich das denn an? Mein Auto läuft, ist aber nicht sonderlich toll oder was? Wo ist denn die Leidenschaft geblieben, die wir früher mal empfunden haben? Da haben wir die Dinge nicht nur gemacht, weil sie ganz ok waren, sondern weil wir sie geil fanden. Kommt das in eurem Leben heute noch vor?“

      Sabine hat die ganze Zeit schweigend und leicht amüsiert zugehört, doch nun bekommt das Gespräch eine Wendung, der auch sie sich nicht mehr entziehen kann. „Ich bin froh, dass du das mal ansprichst. Anlässlich meines demnächst anstehenden runden Geburtstages, habe ich mir nämlich genau diese Frage gestellt. Manchmal fühlt es sich so an, als ob das Leben schon vorbei wäre und wir uns in einem zwar nicht unbequemen, aber sehr unspektakulären Raum eingerichtet haben.“

      „Genau.“, stimmt Kerstin ihr zu. „Und wenn ich mich nicht irre, geht es sehr vielen anderen Menschen genauso wie uns. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass vor allem Frauen in unserem Alter in eine Phase kommen, wo sich sehr viel in ihrem Leben ändert. In den letzten Jahren waren die meisten damit beschäftigt, sich um die Familie zu kümmern und die wenigen anderen mit ihrer Karriere. Dabei wurden auch früher wichtige Dinge wie das Liebesleben mal mehr oder weniger auf Eis gelegt. Nun fällt die Aufgabe, sich um andere zu kümmern weg und plötzlich kann man sich wieder mit sich selbst und seinen eigenen Wünschen beschäftigen. Das eigentliche Leben ist scheinbar an einem vorbei gelaufen. Und die Sehnsucht nach mehr Action und Leidenschaft kommt hoch. Jedenfalls ist das bei mir so.“

      „Das hast du gut auf den Punkt gebracht. Ich glaube, das hat nicht wirklich etwas mit Midlife-Crisis zu tun, also mit dem Alter, sondern damit, dass wir uns selbst für viele Jahre in den Hintergrund gerückt haben und uns jetzt aus dieser Ecke wieder hervor zerren müssen, weil nichts anderes mehr da ist, das unsere Aufmerksamkeit beansprucht. Wenn ich mir anschaue, was für ein mickriges Häufchen ich bei mir unter einem Berg von Staub gefunden habe, bin ich nicht besonders stolz auf mich. Wie ist das bei dir, Anja?“

      „Um ehrlich zu sein, habe ich bisher nicht so intensiv darüber nachgedacht, aber ich glaube, ich kann das auch nicht so ganz von mir weisen. Jahrelang hat sich mehr oder weniger alles um Rainers beruflichen Aufstieg und um die Kinder gedreht. Die sind jetzt langsam so weit, dass sie ihre eigenen Wege gehen und ganz nebenbei das Hotel Mama in Anspruch nehmen. Wäsche waschen und putzen ist aber wirklich keine Erfüllung. Allerdings möchte ich dazu auch anmerken, dass meine Ehe mit Rainer wirklich ganz gut ist und ich mir bis heute keine Gedanken gemacht habe, ob das schon alles war. Hoffentlich habt ihr da jetzt nicht irgendetwas in mir in Gang gebracht, was ich gar nicht will. Natürlich ist so eine Ehe nach über 20 Jahren nicht mehr wie frisch verliebt, aber dieses Gefühl nutzt sich auch in einer neuen Beziehung ab. Und ob dann noch so viel übrig bleibt, wie es bei Rainer und mir der Fall ist, das halte ich doch zumindest für fragwürdig.“

      Diese Bemerkung lässt das Trio in ein nachdenkliches Schweigen fallen, das Sabine schließlich bricht. „Ich hoffe auch, dass wir bei dir jetzt nicht ein Samenkorn für den Zweifel gelegt haben. Wenn du bisher mit deinem Leben zufrieden warst, solltest du dir wirklich nicht den Kopf darüber zerbrechen. Dann sei froh, dass es so ist. Es muss doch auch positive Beispiele für die Ehe geben. Vielleicht seid ihr beide das ja.“

      „Ja, aber reicht „vielleicht“?“, fragt Anja nachdenklich.

      „Das muss wohl jeder für sich selbst beantworten.“

      Wieder versinken alle in ihren eigenen Gedanken. Nach einer Weile bricht Kerstin das Schweigen: „Habt ihr noch Sex?“

      Die Köpfe der anderen beiden schießen hoch als hätte Kerstin einen Revolver abgefeuert.

      „Meinst du nicht, dass das ein bisschen indiskret ist?“, fragt Sabine empört.

      „Nein, im Gegensatz zu euch finde ich, dass man über solche Dinge mit seinen besten Freundinnen durchaus sprechen kann, ohne intime Details auszuplaudern. Aber keine Sorge, ich möchte gar keine Antwort darauf haben, sondern möchte euch einfach mal dazu anregen, das für euch selbst zu überlegen. Meiner Meinung nach ist das ein ziemlich wesentlicher Bestandteil einer glücklichen Beziehung. Bei mir war es jedenfalls immer so, dass sich mit dem Sex auch das Gefühl des Glücks aus meinen Beziehungen verabschiedet hat.“

      „Oh!“, antworten Sabine und Anja unisono und werden zu Kerstins Begeisterung rot. Die beiden haben manchmal wirklich etwas Verklemmtes an sich, weswegen Kerstin es auch liebt, sie zu provozieren. Sie will es aber nicht übertreiben und hakt lieber nicht genauer nach.

      Nach einer nachdenklichen Pause nimmt Anja das Gespräch wieder auf: „Ich glaube, du hast nicht ganz unrecht, Kerstin. Wir sollten wirklich jede für sich genauer darauf schauen, wann Beziehungen bei uns gekippt sind. Nun aber genug von der inneren Nabelschau. Zu einem gemütlichen Abend gehört bei uns doch auch immer ein bisschen Klatsch und Tratsch. Also, habt ihr schon gehört, dass sich Rosie und Fred trennen wollen?“

      „Rosie und Fred wollen sich trennen? Das gibt’s doch nicht. Die machten doch immer voll auf glückliches Paar.“, wirft Kerstin verwundert ein.

      „Da kann man mal sehen, dass Dinge oft ganz anders sind als sie scheinen.“, bemerkt Sabine trocken. „Weißt du, warum die sich trennen wollen, Anja?“

      „Wenn