Der Plethora-Effekt. Jon Pan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jon Pan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847661313
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also nicht mit einer Hitzeentwicklung verbunden.

      Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich ja ganz normal atmen konnte. Ich hatte das bisher nicht in Frage gestellt. Nun aber, da ich wusste, wo ich mich jedenfalls mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit befand, fiel mir das auf.

      Nachdem ich, wie zur eigenen Demonstration, einige Male kräftig die Luft durch Nase und Mund eingesogen und ausgestoßen hatte, drehte ich mich um und schritt auf den Durchgang zu. Die fünf Männer auf den Würfeln beachteten mich nicht. Wie ich vor dem Durchgang stand, wandte ich ihnen, mit einer halben Drehung des Oberkörpers, nochmals das Gesicht zu. Keiner zeigte auch nur das geringste Interesse an mir. Also verließ ich den Raum.

      Ich ging den Weg, auf dem ich den drei Männern vorhin gefolgt war, zurück. Dabei tastete ich fast ununterbrochen nach der Wand, um zu überprüfen, ob sie sich hier genauso anfühlte wie in dem Raum mit den rötlichen Würfeln. Ich stellte, bis auf eine teilweise porösere Beschaffenheit, keinen Unterschied fest. Obwohl mir schwindelig war, fühlte ich neue Kraft in mir aufsteigen. Diese Männer – nein, ich durfte nun mit ziemlicher Gewissheit diese Außerirdischen sagen –, also diese Außerirdischen nahmen mich aus irgendeinem Grund einfach nicht zur Kenntnis. Lag nicht gerade darin meine Chance? Vielleicht hatten sie geglaubt, in mir jemand anderes festzunehmen, und nun, nachdem es sich als Irrtum entpuppt hatte, wollten sie nichts mehr von mir wissen? Und da wir schon unterwegs waren, konnten oder wollten sie das Raumschiff nicht mehr stoppen. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, meinetwegen eine Mission zu unterbrechen. Die verrücktesten Geschichten reimte ich mir zusammen. Und gleichzeitig ging ich umher, tastend nach dem leuchtenden Stein, wie ein Kind, das sich an seiner nächsten Umgebung zu orientieren versucht, begleitet von einer Mischung aus Faszination und Angst.

      Ich kam wieder in dem Raum an, in dem ich aus meiner ersten Bewusstlosigkeit erwacht war.

      War ich der einzig Mensch in diesem Raumschiff, in dem es keinerlei Technik – zumindest keine für mich ersichtliche – gab. Dieses Vibrieren allerdings, das ich in diesem Raum wieder stärker wahrnahm, musste von einer technischen Apparatur stammen. Was mich allerdings erstaunte, war die Rechteckigkeit der Räume. Entsprach das der funktionstüchtigen Form eines Raumschiffs? Konnte damit überhaupt geflogen werden? Im All herrschte zwar kein Luftwiderstand. Doch mussten wir von der Erde gestartet sein. Eine andere Erklärung fand ich nicht.

      Diese Fragen an mich zu stellen, beruhigte mich ein wenig. Ich fing an, mich systematisch mit den neuen Umständen auseinander zu setzen. Vier Räume hatte ich nun kennengelernt. Im vordersten saßen die fünf Männer auf ihren Würfeln. Dort konnte man durch ein Quadrat im Boden, dessen war ich mir sicher, in den Weltraum hinausblicken. Alle vier Räume waren gleichgroß. Und alle aus demselben Material. Das stand einmal fest. Doch das allein machte mit Bestimmtheit noch nicht das ganze Raumschiff aus. Bis jetzt hatte ich nur die Durchgänge, die die vier mir bekannten Räume miteinander verbanden, passiert. Es musste aber noch weitere solcher Durchgänge geben. Das bewies mir schon die Tatsache, dass ich den drei Männern nicht mehr begegnete. Wo hielten sie sich auf? Das helle Licht der Wände hatte mich schon einmal getäuscht. Das Schwarze Quadrat im vordersten Raum zeigte mir an, dass ich mich so ziemlich sicher in der untersten Zone aufhielt. Also vermutete ich seitlich oder über mir noch weitere Räume. Ich fasste den Entschluss, mich auf die Suche zu machen.

      Möglichst ruhig schlich ich mich voran. Im zweiten Raum suchte ich Wände und Decke ab. Dabei berührte ich nichts mit meinen Händen, obwohl ich die Ungefährlichkeit des Steins vorhin ja selbst überprüft hatte. Doch er konnte andere, mir noch nicht bekannte Gefahren in sich bergen. Nirgends sah ich aber eine zusätzliche Öffnung. Ich kam in den dritten Raum, wobei ich mich nicht darum kümmerte, dass mich die fünf Männer, die im vierten Raum auf ihren Würfeln saßen, durch den Durchgang vielleicht sehen konnten.

      Das helle Licht ergoss sich über die Wände und ließ sie ohne Lücke erscheinen. Aber es musste eine Lücke geben. Wenn nicht in der Wand, dann in der Decke. Angestrengt schaute ich hoch, bis mir der Nacken schmerzte. Ich fand nichts. Zwanghaft kniete ich mich auf den Boden und suchte dort auf allen vieren weiter.

      Was war mit Martina geschehen? Hielt sie sich vielleicht auch hier im Raumschiff auf? Dieser Gedanke erwärmte mich für einige Sekunden. Niemals, Martina durfte nicht hier sein, schoss es mir durch den Kopf, denn das wäre ihr sicherer Tod. Wenn es mir schon enorme Mühe bereitete, mit diesen unfassbaren Umständen fertig zu werden, wie würde es da erst Martina ergehen! Ich beschwor mich selbst, eisern daran zu glauben, dass sie sich keinesfalls im Raumschiff befände. Damit konnte ich mich wirklich nicht auch noch belasten.

      Ich legte mich auf den Boden, streckte mich aus, starrte zur Decke empor, die nicht besonders hoch und ebenfalls weiß war. Diese Eintönigkeit wirkte immer unangenehmer auf mich. Das Weiß drang in mich ein, schien mich von innen her auszubleichen. Unerwartet und mit absoluter Dringlichkeit fragte ich mich nach der Zeit in Stunden und Minuten. Wie spät war es? Natürlich, ich besaß ja eine Armbanduhr. In auf dem Boden liegender Stellung verharrend, hob ich den Arm hoch. Die Uhr befand sich noch an meinem Handgelenk. Ich drehte mir das Zifferblatt zu. Das Glas war an mehrere Stellen zersprungen, die Zeiger abgebrochen. Ging das auf den Kampf im Feld unten zurück? Oder hatte es andere Gründe? Doch es war sowieso unsinnig, mich im Weltall um die Tageszeit zu kümmern.

      Würde es mir etwas nützen, zu wissen, dass es 22.30 Uhr ist? Mit zwei Fingern der anderen Hand griff ich unter das Lederband, mit dem die Uhr an meinem Arm befestigt war, und riss sie mit einem kräftigen Ruck weg. Den Schwung, sie gegen die Wand zu schleudern, konnte ich gerade noch abstoppen. Ich ließ sie, mit einer Geste der Gleichgültigkeit, neben mir auf den Boden fallen. Dann erhob ich mich, betrat den vierten Raum und schritt auf das schwarze Quadrat zu. Die Außerirdischen hatten ihre Köpfe darüber gebeugt.

      Laut und deutlich fragte ich: »Wo bin ich hier?«

      Meine Stimme klang seltsam dumpf in dem steinernen Raum. Einer der Außerirdischen hob den Kopf hoch, lauschte, zeigte dann mit ausgestrecktem Finger nach oben zur Decke.

      »Was wollt ihr von mir?«, sagte ich weiter.

      Ein anderer, und zwar der, der auf dem mittleren der fünf Würfel saß, sprach, ohne den Kopf hochzunehmen, einige Laute in dieser für mich unverständlichen Sprache. Meine Annahme, sie würden nun in irgendeiner Weise auf mich reagieren, verflog, denn sie vertieften sich gleich wieder ins schwarze Quadrat. Damit fand die ganze Aktion ihr Ende.

      Verstanden sie mich nicht? Natürlich, sie unterhielten sich ja in einer eigenen Sprache, die sich von der meinen stark unterschied. Doch das allein konnte nicht der Grund für ihr Benehmen sein. Sie wollten offenbar nichts von mir wissen. Aber warum? Oder durften sie sich nicht mit mir abgeben? Ein Befehl von einer höheren Stelle, die anordnete, mich in Ruhe zu lassen?

      »Könnt ihr mich verstehen?«, sprach ich die Außerirdischen nochmals an. »Oder dürft ihr nicht mit mir reden?« Es war Unsinn, was ich da tat. Sie starrten hinaus in den Weltraum, ohne sich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde um mich zu kümmern. Der eine hatte aber vorhin nach oben zur Decke gezeigt. Bedeutete das nicht, dass sich dort etwas befand, das mit mir im Zusammenhang stand? Ich fragte mich zu viel. Wie sehr hätte es mich beruhigt, wenigstens mit einem der Außerirdischen sprechen zu können. Doch da war wohl nichts zu machen.

      Ich drehte mich um, blieb noch eine Weile stehen, den Rücken dem schwarzen Quadrat zugewandt, bevor ich den Durchgang passierte. Dann blieb ich erneut stehen, ja, ich erstarrte.

      Die Uhr? Wo war die Uhr? Sie lag nicht mehr auf dem Boden. Ich sackte in die Knie, streckte mich aus, die Arme weit nach vorne. Meine Finger griffen an der Stelle, wo ich die Uhr fallen gelassen hatte, ins Leere. Sie war nicht mehr da.

      »Was habt ihr mit mir vor?«, rief ich laut.

      Niemand gab mir eine Antwort.

      Der Gedanke, noch längere Zeit hier in diesen Räumen verbringen zu müssen, erfüllte mich mit Schrecken, aber auch mit einer enormen Wut. Mein ganzer Körper fing zu zittern an, und das hatte nichts mit dem Vibrieren zu tun, dem ich nach wie vor ausgesetzt war. Warum geschah nichts? Hatte ich die ganze Zeit vorhin noch über dem Abgrund gehangen, den Blick zwar schon in die Tiefe gerichtet, so stürzte ich jetzt hilflos ab. Die Unerträglichkeit der