Schön, dich gesehen zu haben. Robin Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robin Lang
Издательство: Bookwire
Серия: Hier und Jetzt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081268
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nicht sentimental. Du bist viel zu jung für solche Gedanken!“

      Lucca sagte lange nichts, sie sah mich nur an, saß völlig still in ihrem Rollstuhl und beobachtete mich. Sie hatte so eine Art, einen anzugucken, dass man das Gefühl hatte, sie würde direkt in einen hineinschauen und die innersten Gedanken lesen können. Sie wusste genau, dass sie mich damit nervös machte.

      Wir kannten uns jetzt ein bisschen länger als sieben Jahre – seit sie mir in einer verregneten Nacht auf der Flucht vor ihrem Freund vors Auto gelaufen und von mir angefahren worden war. Seitdem saß sie im Rollstuhl und wir waren sowas wie Freunde. Sie war 15 Jahre jünger als ich, aber wenn man ehrlich war, dann war sie – neben meinen Eltern – der einzige Mensch, der meine Geschichte kannte. Wir waren im Laufe der letzten Jahre zu besten Freunden geworden. Wenn ich ehrlich war, dann war sie mein einziger Kontakt hier – sah man von meinen Kunden ab. Aber zu denen baute ich keine echten Sozialkontakte auf. Das hielt ich immer komplett professionell. Zwar hatte schon mal die eine oder andere Kundin versucht, mit mir zu flirten oder mich einzuladen, aber danach stand mir nicht der Sinn. Ich wollte meine Ruhe, das war's!

      Oh – meine Gedanken waren abgeschweift und Lucca sah mich immer noch an.

      Was sie wohl sah – oder glaubte zu sehen, wenn sie mich so beobachtete?

      „Max, ich habe Angst …“

      Das war nun nicht, womit ich gerechnet hatte.

      Ich kniete mich neben ihr auf den Boden.

      „Wovor hast du Angst, Kleines? Vor dem Umzug und der Umstellung?“

      „Nein, ich habe Angst um dich …, Angst, dass du dich völlig vergräbst, wenn ich nicht mehr hier bin und dass du immer weniger unter Menschen kommst.“

      Ich legte den Arm um sie und drückte sie an mich.

      „Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich komme schon klar und ich gelobe dir Besserung. Ich werde dich besuchen kommen und wenn du deine Traumwohnung gefunden hast, dann bau ich dir die tollste Küche der Welt. Und wer weiß, was die Zukunft für uns beide bereit hält?“

      „Ich nagle dich darauf fest, du wirst wieder anfangen zu leben, und wenn es das Letzte ist, wofür ich sorge!“

      Das klang in meinen Ohren schon fast nach einer Warnung …

      Ich meldete mich am nächsten Tag kurz bei ihr, denn ich hatte beim Einkaufen direkt zwei Dinge aufgeschnappt – Fluch und Segen eines kleinen Dorfs.

      Man redete darüber, dass ein paar sehr dubiose Typen mit einem schwarzen Transporter bei Luccas Eltern aufgetaucht waren, um „das Mädchen“ abzuholen und, dass Tobi, Luccas Exfreund, aufgetaucht war und von denen vertrieben worden sei.

      „Stellen Sie sich das mal vor, da geht der liebe Junge hin, um seiner Exfreundin einen guten Start mit ihrer neuen Stelle zu wünschen und dann steigen da so ein paar Schlägertypen aus dem Auto und vertreiben ihn. Kein Wunder, dass er sich jetzt Sorgen um die arme Lucca macht. Ja, ich habe ja sowieso nicht verstanden, dass sie damals nach ihrem Unfall mit dem armen Tobi Schluss gemacht hat, das war so ein guter Fang. … Diese Jugend von heute weiß einfach nicht mehr, was gut für sie ist!“

      Ich war schnell weitergegangen, zum einen sollte man nicht lauschen, zum anderen würde ich mein Temperament nicht zügeln können, wenn ich noch mehr Lobreden über dieses Arschloch hören würde. Außer Lucca, mir und natürlich Tobi wusste niemand, was in jener Nacht vor über sieben Jahren wirklich passiert war. Warum Lucca so abgelenkt gewesen war, dass sie mir vors Auto gelaufen und damit im Rollstuhl gelandet war. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich den Typen damals zur Rechenschaft gezogen, aber Lucca war strikt dagegen und außerdem war ich noch so mit meinem Verlust und diesem Unfall beschäftigt, dass ich nicht klar denken konnte. Sonst wäre ich zur Polizei gegangen und hätte ihn angezeigt.

      So schrieb ich Lucca nur kurz eine Nachricht - persönlich verabschieden wollte ich mich aus zwei Gründen nicht.

      Zum einen war ich bei Luccas Eltern nicht gerne gesehen, sie gaben mir immer noch die Schuld an Luccas Unfall und zum anderen wusste ich, dass ich zu emotional reagieren würde, wenn ich Lucca jetzt treffen würde. Dieses 15 Jahre jüngere Mädchen, das mittlerweile eine junge Frau geworden war, ohne dass ich es richtig mitbekommen hatte, bedeutete mir sehr viel. Sie war meine beste Freundin, meine kleine Schwester, mein ruhiger Pol. Sie hatte mir mit ihrer Freundschaft in den letzten Jahren so viel gegeben und mich das eine oder andere Mal davon abgehalten, durchzudrehen, wenn mir meine beiden Frauen mal wieder zu sehr fehlten. Und nun ging sie weiter, lebte ihren Traum, wagte den Schritt in die Welt hinaus und ich freute mich für sie – und war nachdenklich, denn sie machte etwas, wovon ich kaum zu träumen wagte: Sie lebte.

      Und während sie das Dorf verließ, stand ich in meiner Werkstatt und baute eine maßgefertigte Wiege für ein ungeborenes Kind. Eine der vielen Bestellungen aus meinem Onlineshop – ich wünschte den Eltern von Herzen alles Gute mit jedem Handgriff, den ich tat und kämpfte mit den Tränen!

      - Eva -

      Nebenan tat sich was.

      Meine Nachbarn waren ausgezogen und ich hatte sie heute mit einer Frau am Haus gesehen, die sich jede Menge Notizen auf einem Klemmbrett gemacht hatte – mit Sicherheit eine Maklerin. Ich war wirklich gespannt, wer dort einziehen und wie lange das Haus leer stehen würde.

      In meinem Leben tat sich nichts.

      Der ewig gleiche Alltag, ab und zu ein Abendessen mit Thomas, ansonsten viel Zeit mit zwei Kindern, dem Haus, dem Garten. Ich machte das Beste daraus.

      Peter hatte die Kinder dieses Wochenende eher widerwillig genommen. Also war ich alleine. Ein komisches Gefühl so ganz ohne Kinder.

      Thomas hatte viel zu tun und war von Freitag auf Samstag zu einem Seminar unterwegs. Er würde erst heute Abend wiederkommen, dann wollten wir schick essen und anschließend ins Theater gehen.

      Als ich Leonie von diesen Plänen erzählt hatte, lachte sie nur und meinte: „Irgendwie kann ich mir dich eher in einer Kneipe oder einem Konzert vorstellen als in einem Theatersaal.“ Damit tat sie mir ein bisschen Unrecht – ich mochte beides! Nur hatte ich lange niemanden gehabt, mit dem ich das eine oder andere hätte unternehmen können. Und ein Abend im Theater war zumindest mal eine Ablenkung zu Krimiserien und Kuscheldecke.

      Leonie und Juri hatten in den letzten Wochen öfter angeboten, dass ich mit ihnen etwas unternehmen könnte, zum Beispiel einen Auftritt von Juris Band besuchen oder mit in eine der unzähligen Kneipen in unserer kleinen Universitätsstadt kommen. Aber mal ganz ehrlich – ich war 15 Jahre älter als die beiden oder zumindest als Juri, ich war geschieden, hatte zwei Kinder, stand „mitten im Leben“, was sollte ich da mit einer Horde Studenten ausgehen? Ich käme mir nur noch älter vor! Also schob ich immer Vicci und Paul als Gründe vor, warum ich abends eben nicht spontan weg könnte – wobei mir die beiden schon mehrfach signalisiert hatten, dass sie nun wirklich groß genug wären, dass ich sie mal für ein paar Stunden am Abend alleine lassen könnte. Ich glaube, Vicci hoffte sogar, dass ich einen anderen Mann als Thomas finden würde. Und auch Leonie durchschaute meine Ausreden. Sie guckte immer nur mit hochgezogener Augenbraue und wiegte missbilligend den Kopf.

      Ich wollte doch nur meine Ruhe und keine Aufregung. Lieber alles sortiert und geregelt – Aufregung hatte ich mit Peter genug gehabt. Das Drama reichte mir für mein ganzes Leben. Dann lieber vorgeworfen bekommen, dass ich nur halbherzig lebte, mich mit zu wenig zufrieden gab und mein Leben vergeudete. Die Leute, die einem das vorwarfen, hatten mit Sicherheit keinen Vollzeitjob, einen unzuverlässigen Exmann und eine Tochter in der Pubertät!

      Die Unzuverlässigkeit meines Exmanns bekam ich Sonntagmorgen zu spüren – denn statt wie eigentlich besprochen die Kinder gegen 15 Uhr zurückzubringen, stand er mit ihnen um zehn Uhr vor der Tür.

      „Deine Kinder waren der Meinung, dass mein Angebot an Frühstückszutaten nicht das richtige sei.“ („Meine Kinder??“ - Hallo, wenn ich mich richtig erinnerte, dann war er auch nicht unbeteiligt gewesen an deren