Max nickte leicht und meinte: "Ja, das Problem mit lauten Nachbarn haben nicht nur die in Mehrfamilienhäusern Lebenden, sondern auch wir Eigenheimbesitzer. Dabei bin ich nicht gerade pingelig und denke, dass meine Toleranzgrenze auch ziemlich großzügig ist. Links und rechts von unserem Grundstück wohnen feierwütige Deppen. Beide Parteien haben die Häuser nur gemietet, tun aber so, als ob es die eigenen sind. Vom Frühjahr bis zum Herbst ist fast jedes Wochenende eine lautstarke Fete angesagt - es wird geschrien und gegrölt. Ich habe mehrfach versucht, mit denen darüber zu reden, es ist völlig sinnlos. Die kommen dir nur blöd, so nach dem Motto: "Wenn du Ruhe haben willst, dann lege dich auf den Friedhof!" Nach meinem ersten Gesprächsversuch wurde bei der nächsten Feier etwas gegrölt, das ungefähr so ging: Ist es auch schon zehn, wir werden trotzdem nicht gehn, und kommt die Polizei, wir bleiben trotzdem dabei. Nun, ich habe das mit der Polizei getestet: Der erste Besuch bei unseren links von uns wohnenden Nachbarn war noch kostenlos, der zweite nicht mehr - ich glaube, die haben dafür über neunzig Euro zahlen müssen. Seitdem geht es so halbwegs, warum aber immer nur mit Druck? Weshalb schalten denn diese Leute nicht auch mal ihr Hirn zum Nachdenken ein? Ich weiß nicht, wo diese massenhafte Rücksichtslosigkeit nur herkommt, die Menschen leben doch nur noch das Wort 'Egoismus'. Ohne lautstarke Brüllerei scheint wohl keiner mehr leben zu können. Und nicht nur die Lautstärke nervt meine Frau und mich. Sondern auch das Nachgeäffe: Fängt einer in der Straße an, den Rasen zu mähen, fühlen sich alle anderen bemüßigt, es ihm nachzutun, unabhängig davon, wie lang oder kurz das Gras wirklich ist. Fängt einer an, sein Auto auf der Straße zu waschen, ziehen andere nach - als ob in jedem Haus ständig einer hinter der Gardine sitzt und beobachtet, was sich auf der Straße tut. Mir scheint es so, dass der Großteil der Menschheit immer verrückter und überheblicher wird. Da muss uns doch dann irgendwann der Zorn Gottes treffen!"
Ole kam nochmals auf das Anfangsthema zurück: „Und wie kommt ein Jugendlicher zu einem Facebook-Account, ist das denn erlaubt?“
Klaro antwortete: „So viel ich weiß, kannst Du wohl ab einem Alter von dreizehn Jahren einen eröffnen. Und wenn Du noch nicht dreizehn Jahre alt bist, gibst Du halt ein anderes Geburtsdatum an. Das kontrolliert doch keiner!“
„Und genau das könnte Facebook mal rechtlich gesehen auf die Füße fallen. Ich halte diese Vorgehensweise für ziemlich lasch“, äußerte Toni seine Meinung dazu. „Aber wie will man das anders machen?“ Diese Frage blieb unbeantwortet im Raum stehen.
Danach wandte sich Ole nochmals an Torsten: „Wann genau bist Du im Urlaub und mit welcher Gesellschaft werdet ihr fliegen?“
„Wir sind vom 3. - 17.11. weg - ich werde also keinen Stammtisch verpassen, höchstens ein paar nächtliche Ruhestörungen“, grinste Torsten. „Fliegen werden wir mit Daedalus Air Burgas - den Namen hatte ich vorher noch nie gehört. Das sind Bulgaren, die ausgemusterte Maschinen von Lufthansa und Condor aufkaufen. Allerdings werden diese weiterhin durch Lufthansa gewartet - das war das Einzige, was mich da etwas beruhigte. Bei dem Pauschalangebot kannst du dir halt nicht die Fluggesellschaft aussuchen. Ich habe aber lieber einen normalen Bulgaren im Cockpit als einen psychisch kranken Deutschen“, spielte er auf das Germanwings-Unglück im Frühjahr des Jahres 2015 an. „Vielleicht kommt dieser Urlaub ganz richtig - wir werden etwa 4 - 5 Tage, in der Nähe der Kapverden, keine deutschen Fernsehsender empfangen können. Da hat man die Möglichkeit, sich mal nicht jeden Tag über unsere Politiker aufregen zu müssen!“
Anton versuchte, Trost zu spenden: „Vielleicht ist das auch alles zu Ende, wenn ihr wieder zurück seid.“
Klaro schüttelte energisch den Kopf: „Da kennst Du die Merkel aber schlecht, die bleibt stur bei ihrem Kurs - und wenn die Welt einstürzen sollte! Frau Merkel macht doch nie einen Fehler, jedenfalls keinen, den sie zugeben würde.“
Max erhob sein Glas: „Hoffen wir, dass unsere Welt noch etwas hält. Und ihr solltet versuchen, euren Urlaub zu genießen. Prost!“
Ole hatte noch eine weitere Frage: "Ich war zwar noch nie auf solch einem Kreuzfahrtdampfer, habe aber mal gehört, dass sehr viele Asiaten, darunter speziell welche von den Philippinen, auf den Schiffen schuften sollen. Hast du denn keine Angst, dass da mal ein Anhänger der Abu Sayyaf darunter sein könnte?" Torsten schüttelte den Kopf: "Darüber hatte ich mich nach unserer Südamerika-Kreuzfahrt informiert. Also, die reine Mitgliederzahl der Gruppe liegt wohl bei etwa zweihundert Leuten. Dazu kommen noch ungefähr zweitausend Sympathisanten, die aber selbst keine Entführungen oder andere terroristische Aktionen durchführen. Es ist also eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass von den zweihundert Kämpfern einer auf dem Schiff angestellt wird. Hinzu kommt, dass die Besatzungsmitglieder, genau wie die Passagiere, nur durch die Schleuse an Bord kommen und dort wird echt kontrolliert. Da müssten schon mehrere von denen auf dem gleichen Schiff angeheuert haben, um Waffen an Bord zu schmuggeln. Und was ich noch gelesen habe, ist, dass die Abu Sayyaf die Philippinen zu einem muslimischen Gottesstaat machen wollen; von Aktionen außerhalb ihres Landes habe ich noch nie etwas gehört."
Ole hob sein Glas: "Dann wünsche ich Euch einen schönen und erholsamen Urlaub."
Kapitel 3 - Die Reise beginnt
Die alte Boeing 737 der „Daedalus Air Burgas“ bot einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Der Sitzabstand war noch deutlich größer als bei neueren Modellen. Die Stewardessen sprachen nur gebrochen Deutsch. Wo sie mit ihren Sprachkenntnissen nicht weiter kamen, wurde auf Englisch weitergemacht. Knapp fünf Stunden sollte der Flug dauern, doch schon vor dem Start gab es eine Verzögerung: Die Maschine wurde mit einer braunen Enteisungsflüssigkeit besprüht. Das dauerte etwas.
Der Flug war relativ ruhig, ein einziges Mal kam das Anschnallzeichen wegen Turbulenzen, die aber nicht auftraten oder vom Piloten umflogen wurden.
Klarmanns saßen rechts noch vor der Tragfläche und sahen immer wieder nach unten - seit Längerem war nur noch das Wasser des Atlantiks zu sehen. Auf dem dritten Sitz am Gang saß eine Oma aus Österreich, die eine Gurtverlängerung benötigte. Deshalb wurde es auch auf dem Mittelsitz etwas enger als sonst. Aber Torsten Klarmann konnte damit leben.
Nach einem Toilettenbesuch tauschte er mit seiner Frau die Plätze. So saß er am Fenster und Gudrun konnte sich ungestört mit der freundlichen Oma unterhalten. Diese hatte schon die turbulentesten Flüge erlebt und wusste anschaulich davon zu berichten. Trotzdem flog sie immer noch sehr gern. Dagegen fühlten sich Klarmanns im Flieger nicht allzu wohl. Sicherlich genossen beide immer wieder diese wunderbare Perspektive auf die Erde, aber ein leichtes Gefühl des Ausgeliefertseins ließ sich nicht dauerhaft unterdrücken, ohne dass man es schon als Flugangst bezeichnen könnte.
Die Oma würde allerdings nicht mit auf die „Atlantico“ kommen, im Flieger saßen Urlauber von vier verschiedenen Veranstaltern. So hielten die Stewardessen beim Verteilen der Snacks Sitzplatzlisten in den Händen, denn nicht jeder Veranstalter hatte einen Flug mit Snack gebucht. AHOS wollte seine Gäste wohl keine fünf Stunden ohne Essen lassen und so bekamen Klarmanns auch je einen Snack und Keksriegel. Dazu gab es mehrfach alkoholfreie Getränke.
Etwa zwanzig Minuten vor der Landung kam der Teide in Sicht: völlig frei von oben bis unten zu sehen, allerdings ohne die von Klarmanns gewünschte Schneekappe. Mit einem „Sahnehäubchen“ fanden sie Vulkane irgendwie schöner. Als