So war die Reise mit ihm von meiner Seite aus hauptsächlich zweckmäßiger Natur: Alleine wollte ich nicht auf die große Reise ans andere Ende der Welt gehen.
Wir gerieten, nachdem es einige Stunden nicht mehr geregnet hatte, in einen monsunartigen Regenfall und kamen klatschnass zurück ins Hotel. Wer schon einmal länger als 24 Stunden am Stück wach geblieben ist, wird mich bestätigen können, dass nach einer Phase enormer Müdigkeit wiederum eine Phase voller Wachheit folgt, sodass ich trotz der langen Reise eine sehr durchwachsene Nacht hatte. Zudem war es meine erste Begegnung mit dem ominösen Jetlag, dass ich in den gesamten Tagen auf Bali nicht ganz überwinden konnte. Besonders die schwüle Hitze und die Moskitos machten mir zu schaffen. Ein paar Stunden Schlaf konnte ich mir schlussendlich erkämpfen. Vor dem Start meines eigentlichen „Programms“, blieben noch zwei Tage um die Insel zu erkunden.
Den Anfang machte ich am nächsten Morgen mit einem kurzen Erkundungsspaziergang nahe dem Hotel. Schnell war ich von dem strahlenden Sonnenschein bereits um halb sieben am Morgen überwältigt, wie auch von dem grünen Leuchten der Reisfelder und der restlichen Umgebung, die hier nur vor Leben und Vitalität strahlte.
Das Hotel lag direkt an der langen Hauptstraße „Jalan Hanuman“. Jalan bedeutete Straße und Hanuman war einer der wichtigsten Götter des Hinduismus. Der Affengott symbolisierte große Kraft und Hingabe. Für mich wurde es zu einem täglichen Ritual mit meinem MP3 Player die Hanuman Chalisa (eine Hymne zu Ehren Hanumans) singend die Straße entlang zu gehen. Am Vortag hatte ich nur wenig von der Umgebung gesehen, bei grellem Sonnenschein war das etwas anderes. Der Kulturschock war vorprogrammiert.
Der Gehweg entlang der Straße war nur teilweise vorhanden.
Ohne Vorwarnung befand sich zwischen den Pflastersteinen einfach mal ein zwei Meter tiefes Loch und entlang der Straße befanden sich abenteuerliche Bauten, größtenteils aus Bambus mit Strohdächern, nur wenige aus Stein.
Wie ich schnell erkennen konnte, war Ubud tatsächlich die künstlerische Hauptstadt Balis und ein Touristenmekka, wo es in jedem zweiten Laden aus China importierte Massenware zu erwerben gab. Viele der Touristen kamen aus Japan und Australien. Zudem war Ubud ein attraktiver Ort für Aussteiger. So überraschte es nicht, dass viele Läden und Einrichtungen in westlicher Hand und in modernen Stil gestaltet waren. Besonders das „KAFE“ wurde für uns an den ersten Tagen eine Anlaufstätte. Es war ein alternatives Café mit vielen westlichen Speisen, speziell auf die Zielgruppe der „spirituell Reisenden“ ausgerichtet:
Mit einer großen Auswahl an Bio-Speisen, vegetarischen Gerichten und Rohkost in vielen Variationen.
Auch Supermärkte entdeckte ich entlang der Straße, die aber außer Lindtschokoladen und den üblichen Weltmarken (Coca-Cola und Co.) nur wenig Bekanntes oder Vertrauenerweckendes verkauften.
Meine Strategie zum Überleben in dieser fremden Umgebung lautete: beobachten, erkunden, die wichtigsten Orte geistig notieren und gedanklich in die entsprechenden Schubladen ablegen.
Bali war im Unterschied zum Rest Indonesiens stark durch den Hinduismus geprägt. Das war vielerorts zu erkennen: an den Straßennamen, den großen hinduistischen Statuen und Tempeln und besonders durch die morgendlichen Opfergaben der Balinesen vor ihren Häusern. Diese bestanden meist aus mit Liebe zum Detail geformte Schalen aus Palm- oder Bananenblättern, in denen Räucherwaren, Blumen, Reis oder auch Obst als Geschenk für die Götter arrangiert waren.
Wir hatten uns für den Rest des Tages einen Fahrer gemietet, der uns zu einigen der schönsten Orte und Sehenswürdigkeiten der Insel fuhr. Unser Hauptziel war einer der Vulkane der Insel im Hochland.
Leider war es an diesem Tag trüb und neblig, sodass wir kaum etwas vom Vulkan sehen konnten. Dennoch war es ein imposanter Anblick und wir lernten ein paar Einheimische kennen: einen älteren Maler, der am Vulkan seine Bilder verkaufte und uns unterhaltsame Anekdoten von seinen Erlebnissen mit anderen Touristen erzählte und Fischer, die uns zeigten, wie sie dort Fische fingen. Wir schauten uns auf der Route zwei der unzähligen Tempelanlagen Balis an.
Beide hinterließen durch ihre imposante und gut erhaltene Architektur bleibenden Eindruck. Es war Pflicht vor dem Betreten der Tempel einen Sarong anzuziehen: einen langen Wickelrock, der gegen eine kleine Spende am Eingang auszuleihen war.
Einerseits war ich von dieser fremden Religionskultur und Spiritualität fasziniert, andererseits bin ich über die Jahre zu der Überzeugung gelangt, dass alle Religionen durch ihre verschiedenen Bilder, Ikonen und Götter letztendlich ein und dasselbe ausdrücken: Es gibt eine höhere Kraft, Macht, Energie, oder wie man es auch immer bezeichnen möchte, die über unserer Realität steht. Einer der Tempel war der Goa Gajah Tempel, auch die Elefantenhöhle genannt. Hier wurde einer der großen Götter des Hinduismus, Ganesha, der Beseitiger aller Hindernisse, verehrt. Das mochte ich an dieser Religion sehr:
Je nach „Problem“ gab es eine Form des Göttlichen, die man anbeten und sich ihr hingeben konnte.
Rund um die Tempelanlagen zeigte sich ein zwiespältiges Bild: Geschickt am Ausgang positionierte Souvenirverkäufer, die mehr oder minder aufdringlich ihre Waren an Mann und Frau bringen wollten und wahre Meister in Sachen Feilschen und Preisverhandlungen waren. Daneben die Mönche und Gläubigen, die hier nur darauf bedacht waren, ihre Gebete und Rituale auszuüben. Auf den Parkplätzen tummelten sich entstellte, ausgehungerte und behinderte Menschen, die um Spenden baten oder sich durch den Verkauf von Babybananen Geld verdienen wollten. Dazu gab es noch Verkaufsstände mit gerösteten Maiskolben und den von mir so geliebten Kokosnüssen mit dem perfekten, natürlichen Erfrischungsgetränk: Kokoswasser. Schon zu Hause hatte ich mir häufig die grünen Kokosnüsse gekauft und im Vorfeld gelesen, dass sie hier im Übermaß und unglaublich günstig erhältlich waren. Zudem hatte ich gelesen, dass Kokoswasser wegen seines Elektrolytreichtums in Krisenzeiten in den Tropen direkt als Infusion gegeben wird. Wir tranken nahe einem der Tempel genüsslich ein paar Kokosnüsse, auch wenn ich im Vorfeld wegen der mangelnden Hygiene davor gewarnt worden war.
Unser letzter Stopp war ein Bauernhof im Hochland. Streng genommen war es ein riesiger Obst-, Gemüse- und Gewürzgarten, der für Touristen geöffnet war. Durch das Klima auf Bali gab es einiges zu bestaunen:
Hier gedieh alles, was angepflanzt wurde. Kakaobäume, Kaffeesträucher, Vanille, Ananas, Papayas, Kokospalmen, Zitronen, Bananen und vieles mehr.
Ich konnte mich kaum sattsehen.
Die freundlichen Bauern luden uns ein, den frischen Kakao und Kaffee zu probieren. Wir genossen die Ruhepause und den Geschmack der Getränke, eng zusammengerückt auf massiven Holzbänken unter einem kleinen Strohdach. In der Mitte des Farmlandes befand sich ein kleiner Laden, der die verschiedensten Erzeugnisse der Bauern, darunter ätherische Öle und Gewürze, im Angebot hatte. Ein junger Balinese hatte uns über die Farm geführt und im Laden hielten wir Small Talk. Er war wohl ein paar Jahre älter als ich es war, durchtrainiert und sprach gutes Englisch. Er fragte:
„Was machst du auf Bali?“
„Ich bin hier für ein Yoga Retreat.“
„Oh, sehr interessant. Ich habe einen Guru in der Stadt und mache auch Yoga (..) Es gibt viel zu wenige Lehrer und du solltest auch Yogalehrer werden.“
Wir zeigten uns gegenseitig ein paar Yogapositionen und ich verließ die Farm, bestärkt im Streben nach dem Ziel, dass ich mir kurz vor der Balireise gesetzt hatte: Yogalehrer werden.
Der nächste Morgen glich dem vorherigen: Strahlender Sonnenschein, sommerliche Temperaturen und viel Zeit, um noch mehr von Ubud zu erkunden. Abseits der Hauptstraße in den Nebengassen zeigte sich Ubud von einer anderen Seite:
Sehr schöne Häuser mit wundervollen Gärten, Hunde und Katzen auf der Straße, die eine ungemeine Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlten, wie fast alle Lebewesen auf dieser Insel. Im Laufe des Tages entdeckten wir ein Café namens „Bali Buddha“. Es ähnelte dem „KAFE“, wobei es hier etwas gab, was ich