Diese Enuma Elish-Interpretation von Sigdell, der sich ggf. zwar gut ein so orientiertes gnostisches Christentum anschließen könnte, widerspricht nun deutlich der Sitchin-Sichtweise, die hier eine völlig andere, weniger spirituelle, dafür aber eine gute astronomisch-materielle Grundlage besitzt. Denn "Tiamat" ist hier der Name des einstigen, "explodierten" Planeten zwischen Mars und Jupiter und Apsu offenbar auch eine Bezeichnung für unsere Sonne (die man aber auch als "Sonnengott" betrachten kann). Da aber nur eine der beiden Interpretationsrichtungen (oder eine Synthese/Negation beider Komponenten ?) zutreffen kann, sollte man hier genau abwägen. Dabei dürfte die Sitchin-Variante wohl letztlich etwas glaubhafter die Entstehungsgeschichte der Anunnaki widerspiegeln können, denn die Herkunft dieser außerirdischen Zivilisation wird dadurch irgendwie fassbarer und bildlicher. Dass gewisse zeitgenössische Wissenschafts-Koryphäen diese mit der Asteroidenbildung verbundenen These auch aus vielen anderen Gründen bzw. Vorurteilen ablehnen, muss ja nichts sagen und war ja auch zu erwarten.
Ob und wie dadurch der legendäre Nibiru aus den planetaren Tiamat-Bruchstücken entstanden sein kann, ist ja ebenso wie die These, dass sich daraus auch Erde und Erdmond entwickelten, eher ein sekundäres Thema, bei dem eine gewisse Portion Skepsis sicher nicht unangebracht ist. Denn das es tatsächlich astronomisch - bahnmechanisch in unserem Sonnensystem damals genau so abgelaufen ist, wie es Sitchin aus den Texten heraus wörtlich bzw. im Detail interpretiert, dürfte leider aus heutiger wissenschaftlicher Sicht extrem unwahrscheinlich sein. Aber die so angedachte Explosion des Tiamat-Planeten ist, wenn auch sicher kein "positiver", aber doch ein logischer, einigermaßen erklärender Ansatz, der offen lässt, dass und wie eine Raumfahrt betreibende Spezies die Katastrophe irgendwie überstanden haben könnte. Die Ursachen und der Ablauf der Katastrophe ließe sich ja auf Analogiebasis aus dem Enuma Elish durchaus bei kreativer Phantasie und gutem Willen irgendwie zurechtkonstruieren; jedenfalls muss es keine reine "Kollisionstheorie" sein (Sigdell bezeichnet Sitchins Theorie als "Kollisionstheorie", obwohl das ja bestenfalls die halbe Wahrheit ist). Denn das Szenario beschreibt ja keinen bahnmechanisch erklärbaren, neutralen Schicksalshintergrund, sondern die Ursache war wohl eine Konfrontation, eine Art Sternenkrieg zwischen einigen hochtechnologisch entwickelten Mächten, wahrscheinlich sogar innerhalb der Anunnaki-Spezies. Dass die Anunnaki offenbar schon immer ziemliche Kriegstreiber und Gewaltherrscher mit Versklavungsambitionen waren (und sind ?), ergibt sich ja faktisch aus fast jeder entsprechenden Zivilisations/Gesellschaftsanalyse, egal aus welchem Blickwinkel sie erfolgt.
Andrerseits gibt es ja bei Sigdell ein Menge grundsätzlicher Übereinstimmung mit der Sitchin-Tellinger-Sichtweise, sei es nun bezüglich des gentechnologischen Experiments oder die grundsätzliche Bestätigung des Anunnaki-Sintflutdramas, auch mit all seinen Ursachen und Nebenwirkungen. So dass die Unterstellung, das Buch Enki (das ja ähnliches beinhaltet), sei grundsätzlich nur ein Phantasieprodukt, sich schon in diesem Zusammenhang als falsch erweisen dürfte.
Auch wenn in der Sitchin/Tellinger Interpretationsrichtung noch eine Menge Ungereimtheiten auftreten, sind sie aber mit einer gewissen kreativen Phantasie alle irgendwie prinzipiell lösbar. Dagegen dürfte der andere konzeptionelle Weg von Sigdell, der in den genannten Namen des Keilschrift-Textes statt realer Himmelskörper "nur" spirituell-mythologische "Welterschaffungsinstanzen" vermutet, weit mehr Tücken bzw. Kardinalfehler aufweisen. Das fängt schon dadurch an, dass jene Mummu-Wesenheit, die ja auch quasi die "Planstelle" eines Christus hat, Komplize von Apsu wird, als dieser seine eigenen Nachfahren (weil sie stören ?) umbringen lassen will. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dies (offenbar von Enki) rechtzeitig erkannt und verhindert wird. Verständlicherweise kommt es dadurch zu einer "Rebellion" des jungen Göttergeschlechts gegenüber den "Alten" und wir finden eine entsprechende Parallele ja auch in den griechischen Göttersagen bei Zeus und Uranos. Darüber hinaus war Mummu ja laut dem Text nicht nur Komplize und Wesir von Göttervater Apsu, sondern er riet ihm - selbst als Mutter Tiamat Einspruch erhob - sogar zum Fortfahren der Vernichtungsaktion. Also ein ziemlich "unchristliches" Verhalten, das weder zum Anspruch noch zum Konzept passt.
Innerhalb dieser offensichtlichen Legende wirkt es auch recht kurios, dass jener Enki, der ja der Sohn von Anu war, Ururgroßvater Apsu und Mummu durch Beschwörungen eingeschläfert und dann Apsu getötet haben soll. Wäre nicht jemand, der quasi als Urschöpfer von Allem, der sogar das Universum erschaffen haben soll, eigentlich mit unendlicher Existenzdauer gesegnet und somit "untötbar" ? Ein ziemliches Kuriosum also und man bräuchte schon eine Menge Phantasie, um hier einen "Erklärbär" auszumachen, der in diesem Mord evtl. eine mythologische Parallele zu einem physikalischen Umwandlungsprozess (Materie in "Geist" oder Antimaterie) erkennt. Bei diesem konkreten "Mord der Göttergenerationen" ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass hier die menschliche Phantasie etwas reinbrachte oder durcheinanderbrachte, bei der es sich eher um "Legenden aus der Frühgeschichte" (seien es nun menschliche oder Anunnaki-Wurzeln), als um wahrhaftige Abläufe handelte. Mit einer tatsächlichen "Weltentstehungskosmologie" - bei der dann auch Jesus/Christus irgendwie konzeptionell beteiligt wäre - haben diese Legenden, die bestenfalls einen sehr versteckten historischen Kern besitzen könnten, dann wohl nichts zu tun. Sigdell wirft Sitchin vor, diesen "Göttermord unterschlagen" zu haben; möglicherweise liegt das daran, dass diese Tat (wäre sie tatsächlich so geschehen) kaum zum sonstigen "Täterprofil" von Enki passt und deshalb, weil hier Täuschung zu vermuten ist, nachvollziehbar schlicht ausgeklammert bzw. weggelassen wurde.
Sigdell erkennt natürlich auch, dass ein Mord an einer derartigen Gottesinstanz (weder bei Apsu, noch bei Tiamat) so nicht wirklich real geschehen sein kann und auf Grund dieser offensichtlichen Irrealität deutet er den im Text gewählten Begriff der "Tötung" deshalb verharmlosend als "örtliche Trennung" der einen von der anderen Komponente. Dieser Deutungs- bzw. Verharmlosungsversuch ist aber nicht sonderlich überzeugend, denn Tötungs- und Trennungsabsicht sind ja zwei völlig unterschiedliche moralische Qualitäten.
Innerhalb der spirituell-mythologischen Interpretationslinie von Sigdell baut sich Enki nach seiner Machtübernahme eine "Neue Schöpfung"; sinngemäß erfolgt ja Ähnliches bei Sitchin, als die Anunnaki nach der Erdlandung dort Kolonien errichten. Auch Enkis Sohn hat ja in beiden Varianten den gleichen Namen: Marduk. Er soll lt. Sigdell sogar der eigentlich Ausführende von Enkis Plan der Machtübernahme durch das neue Göttergeschlecht gewesen sein und durch ihn sollte Marduk auch zum künftigen Herrn über die Erde werden. Im Keilschrift-Text ist demnach auch konkret beschrieben, wie Marduk sich Tiamat nähert, diese dann "brüllt" und er sie nach einer polemischen Überheblichkeits-Anklage schließlich tötet und "ihren Schädel spaltet", damit die Anunnaki, also die Kinder Anus, nun ihren Machtanspruch durchsetzen können.
Die so beschriebene Situation wird nun sicher dadurch etwas verwirrt, dass der Tiamat-Zerstörer bei der Sigdell-Interpretation zwar "Marduk", bei Sitchin aber "Nibiru" heißt. Könnte diese Verwirrung vielleicht durch die Annahme aufgelöst werden, dass auch die Namen Nibiru und Marduk letztlich miteinander identisch sind ? Innerhalb des Sitchin/Buch Enki - Szenarios wird diesbezüglich ja eine weitere Doppelbedeutung erkennbar, weil nicht nur der Tiamat-Zerstörer, sondern auch einer der daraus entstandenen Himmelskörper nun den Namen "Nibiru" erhält. Etwas merkwürdig wäre ja so eine, den Übeltäter noch verherrlichende Praxis; sie erklärt sich aber leicht daraus, dass der "Sieger" ja auch bei uns nicht nur stets die Geschichtsbücher, sondern auch die Namenseinträge diktiert.
Wenn man mal das ganze Spektrum von Marduks Taten, die er lt. Sitchin beging, verallgemeinernd betrachtet, dann wird dort ziemliches "Rowdytum" erkennbar, so dass man ihm einen atomaren Vernichtungsschlag gegen seinen eigenen Heimatplaneten durchaus zutrauen könnte. Obwohl er andrerseits beim damaligen Atomschlag auf dem indischen Subkontinent nicht Täter, sondern lediglich der Anlass gewesen sein soll.
Im Keilschrift-Text wird Marduk immerhin mit 4 Augen und 4 Ohren beschrieben. Nun weiß man ja nicht, ob damit tatsächlich 4 physisch/biologische Augen und Ohren gemeint sind oder ob das nur eine spontane, zeitgemäß-menschliche Beschreibung war, bei der z.B. eine Brille zwei zusätzliche Augen und ein Kopfhörer zwei zusätzliche Ohren bedeuten kann. Immerhin wäre so was denkbar, die Indianer sollen damals ja auch Brillenträger vereinfachend als "Vierauge" bezeichnet haben. Dazu käme ja das