John K. Rickert. Gabriele Steininger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriele Steininger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738062762
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was sich in unserem Garten bewegt?" Misses Kinley wurde wütend. Auch sie litt unter den neuerlichen Ereignissen. Kaum ein Tag war vergangen, an dem sie nicht auf die Geisterscheinung ihrer verstorbenen Arbeitgeberin angesprochen wurde.

      "Woher wollen sie denn wissen, dass es sich bei der Augenzeugin um Celeste Brown handelt?", wollte der Mann von der Presse wissen.

      "Weil es sonst niemanden gibt, der sich solch eine haarsträubende Geschichte ausdenken würde." konterte die Haushälterin.

      "Die Vergangenheit dieses Hauses erzählt uns aber eine andere Geschichte, Misses Kinley. Es ist eine Tatsache, dass hier immer wieder mysteriöse Todesfälle passiert sind."

      "Solche Geschichten werden sie beinahe über jedes größere Anwesen in ganz Irland finden, wenn sie nur tief genug graben."

      James O'Brian betrat den Raum, in dem sich außer Misses Kinley und dem Redensführer noch ein weiterer Herr befand. Das Gesicht des Fragenstellers war jünger, als die Stimme es hätte vermuten lassen. Ein frecher, moderner Haarschnitt über einem frechen, jugendlichen Gesicht. Clubpullover und ausgewaschene Jeans, dazu nicht gerade saubere Turnschuhe. Der zweite Mann war wesentlich älter. Mit dem Anzug und der Krawatte wirkte er souverän. Genauso gut hätte er hinter dem Schalter einer Bank stehen können.

      "Fragen wir doch ganz einfach den Hausherren." schwenkte der junge Mann das Gespräch auf James. "Was sagen sie, als Hauptfigur des Ganzen, zu den Vorwürfen?" Breit grinsend hielt er ihm das Diktiergerät unter die Nase, mit dem er zuvor schon Misses Kinley interviewt hatte. O'Brian stand mit geballten Fäusten vor dem Reporter. Er war blass und die Knöchel seiner Finger traten weiß hervor.

      "Sie werden jetzt in den nächsten zehn Sekunden mein Haus verlassen." presste er aus zusammengebissenen Zähnen hervor.

      "Würden sie uns sonst umbringen? So wie sie ihre Frau umgebracht haben?" Keck sah er Mister O'Brian direkt in die Augen. Das war zuviel für ihn. James O'Brians Geduld war zu Ende. Kurzerhand packte er den Reporter am Kragen und zog diesen unter heftigem Protest unsanft zur Haustür, wo er ihn hinausmanövrierte. Der Kollege des frechen, jungen Mannes folgte ihnen eilig. Er versuchte sich für das Benehmen seines Partners zu entschuldigen, der jetzt laut schimpfend auf dem Treppenabsatz stand.

      "Es tut mir wirklich leid." versuchte er die Wogen zu glätten.

      "Verschwinden sie!", brüllte James ihn an. "Verschwinden sie und lassen sie sich hier nie wieder blicken!" Mit lautem Krachen flog die Tür ins Schloss. Eine hitzige Debatte schien zwischen den Reportern loszubrechen. Der Streit entfernte sich von der Tür, an der James mit dem Rücken lehnte. Diese Aasgeier hatten einfach nicht den Anstand einen Trauernden in Ruhe zu lassen. Mary war noch keine vierundzwanzig Stunden unter der Erde und diese Menschen hatten nichts Besseres zu tun, als sich um Hirngespinste zu kümmern. Mary. Seine Mary. Ein tiefer Schmerz erfasste ihn. Weder den sich entfernenden Disput vor seiner Haustür, noch das Geräusch der Reifen auf dem Kies, welches der abfahrende Kleinbus verursachte, drangen in sein Bewusstsein. Auch die Frage der Haushälterin, ob sie den Lunch im Esszimmer servieren solle, ging an ihm vorüber. Tief in schmerzliche Gedanken versunken schritt er an ihr vorbei in die Bibliothek.

      Misses Kinley bereitete ihm ein paar Sandwichs und brachte sie zusammen mit einer Tasse schwarzen Tees in die Bibliothek. Sie stellte die Köstlichkeiten vor ihm auf dem niederen Tischchen ab.

      "Mister O'Brian, auch wenn sie nicht mit mir reden wollen, essen müssen sie doch etwas." Sie sah ihm dabei fest in die Augen. Als er nach geschlagenen zwei Minuten immer noch nicht reagierte, drehte sie sich seufzend um und wollte gehen. An der Tür des Raumes drehte sie sich noch einmal zu ihm.

      "Kann ich ihnen irgendwie sonst helfen?", fragte sie mit einem mütterlichen Unterton in der Stimme.

      "Wo sind eigentlich die anderen?", fragte er.

      "Ihre Schwester ist mit Tessa zum Bummeln gefahren. Ihr Bruder und Tobias sind Essen gegangen und Edward scheint eine Verabredung zum Lunch mit einer netten jungen Frau zu haben."

      "Die Ratten verlassen das sinkende Schiff." murmelte er vor sich hin.

      "Wie bitte?", fragte Misses Kinley nach. Sie hatte ihn nicht verstanden.

      "Nichts. Sie können gehen. Nehmen sie sich für den Rest des Tages einfach frei. Ich brauche sie heute nicht mehr und wenn die anderen etwas wollen, dann können sie es auch selbst tun." Die Haushälterin verließ das Zimmer. James brütete weiter vor sich hin. Er überlegte, ob er das Richtige tat, wenn er diesen Detektiv einschaltete.

      "Was liest du da?", fragte John und betrat die kleine Bibliothek.

      "Etwas, das du nie lesen würdest." gab Bernard spitzbübisch zurück.

      "Ich hoffe, es ist nicht wieder ein Krimi von diesem furchtbaren Autor." zog John ihn auf.

      "Nein, ist es nicht. Es ist ein Krimi von einer Autorin. Ganz neu auf dem Markt."

      "Modern?", wollte John wissen.

      "Nein, nicht wirklich. Ich würde sagen nostalgisch."

      "Also eine nostalgische neue Krimiautorin." John schmunzelte und setzte sich auf die Chaiselongue. Er wartete darauf, dass Bernard ihm von der Geschichte erzählen würde, so wie immer. Früher oder später würde sein Freund an eine Stelle geraten, an der er ihn nach einem Tipp den Mörder betreffend fragen würde. Es reichte, wenn er einfach nur da saß und so tat, als würde es ihn nicht weiter interessieren. Plötzlich klappte Bernard das Buch zu und legte es mit Nachdruck auf den kleinen Abstelltisch neben dem Ohrensessel.

      "Ich weiß genau worauf du wartest." sagte er zu John.

      "Worauf warte ich denn?", fragte dieser mit gespielter Unwissenheit.

      "Du wartest darauf, dass ich dir erzähle was in diesem Buch passiert. Aber dieses Mal nicht."

      "Was meinst du mit dieses Mal nicht?"

      "Dieses Mal wirst du mir nicht schon vorher sagen wer der Mörder ist. Dieses Mal werde ich das Buch einfach zu Ende lesen." konterte Bernard. Mit einem zufriedenen Lächeln sah er den Detektiv an.

      "Du irrst dich." sagte John.

      "Nein, John. Das tue ich nicht. Ich werde das Buch einfach dann lesen, wenn du nicht in der Nähe bist. Und ich werde dich erst dann fragen, wer der Mörder ist." erklärte er.

      "Dann hast du die nächsten Stunden dazu Gelegenheit, denn ich werde in einer viertel Stunde nicht mehr im Haus sein." lachte John.

      "Wieso? Wo willst du denn noch so spät hin? Es ist doch schon nach acht." erkundigte sich Bernard.

      "Genau die richtige Zeit für einen Detektiv sich in Ermittlungsarbeiten zu stürzen." meinte er geheimnisvoll.

      "Soll das heißen, du hast einen interessanteren Auftrag als einen untreuen Ehegatten?" Der Anwalt zog die Augenbrauen hoch.

      "Ich weiß noch nicht, ob es mein Auftrag wird. Es hat sich interessant angehört."

      "Darf man denn wissen worum es geht?"

      "Ich sage es dir, wenn ich weiß wer der Mörder ist." scherzte John.

      Die Meldungen über wandelnde Geister auf dem Anwesen der O'Brians waren nach einer Woche nicht mehr von Bedeutung. Die Revolverblätter brachten eine Sonderserie heraus, in der sie sich mit ungewöhnlichen Todesfällen aller größeren, älteren Hauser in Irland beschäftigten. Schlagzeilen über kopflose Reiter, eingemauerte Jungfrauen und mit Ketten rasselnden Gutsherren prangten über den Texten der Zeitungen und Journale. Nach weiteren drei Wochen erregte der Fall jedoch erneut das öffentliche Interesse. Die Nacht des dreißigsten Novembers war schicksalsträchtig für James O'Brian. Es war der Geburts- und zugleich der Todestag seines Sohnes. Damals hätte er auch Mary beinahe verloren, die schwer angeschlagen von den Anstrengungen der Geburt und des Todes des kleinen William, mehrere Wochen hatte das Bett hüten müssen. James schlief kaum in dieser Zeit, da es um Mary so schlecht gestanden hatte. Auch seit ihrem Tod schien er keinen Schlaf mehr zu brauchen. Nacht für Nacht saß er brütend in der Bibliothek. Ein Schatten seiner selbst, stark abgemagert und das Haus auch am Tag nur selten verlassend,