OMMYA - Freund und Feind. Dennis Blesinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dennis Blesinger
Издательство: Bookwire
Серия: OMMYA
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738094695
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schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass es für beide besser wäre, wenn sie nicht zusammen arbeiten würden, speziell nicht, wenn René ihr Vorgesetzter war. Früher oder später wäre es wahrscheinlich zu ernsthaften Handgreiflichkeiten gekommen.

      Eigentlich war ein derartiges Beschäftigungsverhältnis nicht möglich, aber da Rebecca bereits einen Job bei einer Behörde hatte, waren sie überein gekommen, sie zu einer inoffiziellen Verbindungsoffizierin zu machen, ohne allerdings der Polizei an sich oder ihren Vorgesetz­ten im Speziellen etwas davon zu sagen. Auch das Mili­tär hatte bis heute nichts von dieser Vereinbarung er­fahren. Entsprechend tat sie nach wie vor ihren Job als Kriminalkommissarin und hatte nebenher ein Auge und ein Ohr auf alles, was unter die Kategorie 'Ungewöhn­lich' fiel. Die Entscheidung hatte allen gut getan.

      Seit den Geschehnissen von damals waren fast neunzehn Monate vergangen und René und Rebecca hatten, wider Erwarten, eine Freundschaft entwickelt, die René wichtiger war als eine Beziehung.

      René stand auf, verließ sein Büro und schlenderte langsam durch die Zentrale in Richtung Lager. Das Lager bestand aus mehreren Ebenen von Höhlen und Kavernen, die im Laufe der Jahre ausgebaut und befestigt worden waren. Mittlerweile brauchte man eine Karte, um sich dort zurechtzufinden. René hätte seinen Weg jedoch mit verbundenen Augen durch das Labyrinth ge­funden. Seit Jahren bestand seine letzte Amtshandlung des Tages darin, einen Rundgang durch eben dieses Lager zu machen. Der Rundgang hatte mehrere Gründe, aber einer davon war, dass er nach einem Rundgang durch die stillen Hallen immer ausgeglichener war als vorher.

      Ein Klangkonglomerat schlug ihm entgegen, als er durch das Tor schritt, das das Lager von der Zentrale trennte. Es erinnerte ihn daran, dass die Quartalsinventur lief. Offensichtlich war dieser Teil des Lagers jedoch schon bearbeitet worden. Zumindest waren die Artefakte mehr oder weniger wieder dort abgestellt worden, wo sie vorher gestanden oder gelegen hatten und nichts verstellte den Gang, weder Menschen noch Gegenstände.

      Er bog um die Ecke und wäre beinahe gegen das Holzgestell eines Bettes gelaufen. Er wusste, dass es hier stand, allerdings war es normalerweise etwas weiter am Rand platziert. Dornröschens Bett und die dazu gehörige Spindel waren nur zwei der vielen Gegenstände, die urplötzlich in den Hallen von OMMYA aufge­taucht und dann hier eingelagert worden waren.

      Mit einem Grummeln schob René das Bett an den Rand, vergewisserte sich, dass die Spindel sicher verkorkt war, und war drauf und dran, weiterzugehen, als etwas Schwarzes seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er machte einige Schritte zur Seite und zog das betreffende Etwas langsam unter der Bettdecke hervor. Er be­trachtete es ein paar Sekunden lang fasziniert. Eine kur­ze Suche unter der Bettdecke ergab keine weiteren Fun­de, wofür er dankbar war. Er faltete das schwarze Stück Stoff sorgsam zusammen, steckte es in die Innentasche seiner Jacke und ging weiter. Ein kurzer Blick nach oben zeigte eine der Überwachungskameras, die überall im Lager installiert waren. Er merkte sich die Nummer der Kamera, schlenderte um die nächste Ecke und verzog das Gesicht.

      Gabelstapler fuhren herum und bewegten Kisten, Truhen und dergleichen, während ein Dutzend Mitarbeiter den Inhalt von allen Vitrinen, Schränken und Re­galen katalogisierte und das Ergebnis mit den Daten im System abglich. Was um diese Uhrzeit normalerweise ein ruhiges und friedliches Umfeld darstellte, war ein einziges lautes und hektisches Durcheinander.

      Missmutig beobachtete er einige Personen dabei, wie sie vor mehreren Kisten standen, die mit einem Strichcode versehen waren und rätselten, was nun genau drin war und ob es gefährlich war, sie hochzuheben. Die Sorge war berechtigt. Einige der Artefakte, die hier eingelagert waren, waren mit Vorsicht zu genießen. Normalerweise waren alle Artefakte, Gegenstände und Übergänge mit einer eigenen autarken Alarmanlage ge­sichert, die es beinahe unmöglich machte, sich ohne vorherige Genehmigung an den entsprechenden Objek­ten zu schaffen zu machen, oder sich ihnen – bei gefähr­lichen Gegenständen – auch nur zu nähern. Während der Inventur, die vier Mal im Jahr erfolgte, waren diese Sicherheitsmaßnahmen jedoch aus praktischen Gründen deaktiviert.

      »Darf ich fragen, was das hier werden soll?«, fragte René, während er auf die Gruppe Arbeiter zuging, die um eine Kiste herumstanden und offensichtlich beratschlagten, wie sie mit ihr verfahren sollten. Vier Perso­nen drehten sich um und blickten ihn verwirrt an.

      »Ähm, wir haben ein Problem«, meinte einer von ihnen schließlich. René wartete geduldig. »Der Strichcode ist zerkratzt und wir sind am überlegen, ob wir die Kiste aufmachen sollen.«

      »Sind Sie nicht ganz dicht?«, entfuhr es René, der genau wusste, was sich in der unscheinbaren Holzkiste be­fand.

      »Naja, aber wir müssen doch sichergehen, dass der Inhalt der Kiste mit dem übereinstimmt, was auf der Liste steht.«

      »Ja«, entgegnete René ungehalten. »Das weiß ich. Aber vielleicht sollten Sie mal gucken, was denn genau darin sein sollte. Ich meine, dafür haben wir ja diesen blöden Ausdruck gemacht.«

      Der Ausdruck der Inventur umfasste etwas mehr als 3000 Seiten und war genau für Fälle wie diese gedacht. Jedes Artefakt, das eingelagert war, war dort aufgelistet. Ebenfalls war dort eine kurze Beschreibung der Fol­gen zu lesen, die das Benutzen, Öffnen, Tragen oder Schief-Angucken des Stückes zur Folge haben konnte. In diesem Fall stammte der Eintrag von René persönlich und lautete: Gemeingefährlich! Finger weg! Unter gar keinen Umständen öffnen!

      Der Mitarbeiter blickte auf die Liste, dann zu René. »Hier steht … ähm … hier steht: 'Das Übel der Welt'. Dann steht hier noch – «

      »Ja.« René nickte. »Das ist eine ziemlich akkurate Übersetzung der Hieroglyphen, die auf der kleinen Kiste stehen, die sich da drin befindet.« Er zeigte auf die große Holzkiste. »Das ist die Büchse der Pandora. Also nicht die Holzkiste. Die Büchse ist da drin. Und wenn Sie sich mal die Mühe machen, den Text bis zum Ende zu lesen, dann werden Sie merken, dass der besagt, dass das Ding nur halbleer ist. Darüber hinaus werden Sie ihr blaues Wunder erleben, wenn sie die Kiste aufbrechen. Oder glauben Sie, dass wir darauf vertrauen, dass niemand in Versuchung kommt, sich an dem Ding zu schaf­fen zu machen?«

      Vor langer Zeit waren René und Jochen zu dem Entschluss gekommen, dass früher oder später jemand ge­nau dies tun würde, und sei es aus schierer Langeweile. Entsprechend hatten sie die Büchse nicht nur in ein spe­zielles, feuerfestes und nahezu unzerstörbares Epoxid­harz gegossen und dann in eine mit Zement gefüllte Holzkiste verfrachtet, sondern besagte Kiste auch mit einer Sprengfalle versehen. Dem unautorisierten Neu­gierigen würden einerseits die Arme abgerissen, ande­rerseits würden die Büchse und der Schutzmantel darum herum nicht beschädigt werden. Dies war jedoch erst dann der Fall, wenn jemand auf die Idee kommen würde, alle einhundertdreiundvierzig Nägel zu entfer­nen, mit denen der Deckel der Kiste vernagelt war.

      »Ja, aber – «

      »Nichts aber«, unterbrach ihn René schroff. »Sind hier vielleicht alle tot?« Der Mitarbeiter blickte ihn verwirrt an.

      »Nein. Wieso?«

      »Dann ist die Büchse auch da drin und geschlossen. Benutzen Sie ihr Hirn, verdammt!«

      »Wieso halbleer?«, erkundigte sich einer der anderen Männer vorsichtig. »Was ist mit der anderen Hälfte passiert?«

      René stieß ein Schnauben aus. »Im Umlauf, wenn man so will. Was glauben Sie, woher Ebola und Aids kommen?«

      Es hatte Jahre gebraucht, der Öffentlichkeit weiszumachen, dass das eine natürlichen Ursprunges und das andere höchstwahrscheinlich auf illegale biologische Tests an Affen zurückzuführen war. Sollten die falschen Personen Wind davon bekommen, dass Pandoras Büch­se wirklich existierte und sich nach wie vor etwas darin befand, so hätten sie hier Selbstschussanlagen mit Gat­lings und Railguns installieren müssen.

      »Also: Abhaken und weitermachen.« Er wandte sich ab und ging den Gang hinunter, bis er ein bekanntes Gesicht sah. Jochen, seines Zeichens offiziell Brigadegeneral und Renés Stellvertreter, koordinierte gerade den Transport von mehreren Truhen. Als er René erkannte, warf er ihm einen müden Blick zu. Sein sonst so heiterer Gesichtsausdruck hatte sich gerade irgendwohin verzo­gen, um sich scheinbar einmal ordentlich auszuruhen.

      »Ich