Das ungeteilte Vertrauen. Norbert Johannes Prenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Johannes Prenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738082258
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an, setzte den beigen Hut auf und lief die Treppen hinunter. In der Trafik an der Ecke herrschte bereits heller Aufruhr. „Morgen“, sagte Erich, als er eintrat. „Ah, der Herr Doktor! Dringend Nachschub auf den Schock, was?“, fragte ihn der Trafikant. „Na und? Was machen wir jetzt mit den Kommunisten im eigenen Lande?“, raunte er Erich zu. „Zwei Schachteln Memphis, bitte“, antwortete dieser und zuckte mit den Achseln. Zwei Damen aus dem 2. Stock unterhielten sich angeregt mit dem Hausmeister, dennoch, obwohl kaum Platz in dem kleinen Verkaufsraum für so viele Leute war, dachte niemand von ihnen daran, die enge Stätte in nächster Zeit zu verlassen, so groß war die Empörung und die Angst vor dem Ungewissen. Erich öffnete ein Päckchen, zündete sich eine Zigarette an und hörte zu, was geredet wurde. „Na also, jetzt haben wir wieder die harten Fronten. Korea ist ein wichtiges Sprungbrett, das sag´ ich euch. Von dort ist es nach Japan nicht weit. Was das heißt, kann man sich gar nicht vorstellen, stimmt´s Herr Doktor?“ fragte der Hausmeister aufgeregt. Erich blies den Rauch durch Mund und Nase und nickte beipflichtend.

      „Sicherlich. Das ist die eine Seite des Problems. Die andere ist die, dass man Südkorea in dieser Lage einfach nicht allein lassen kann, sonst müssten die Amerikaner und Franzosen gleich auf Indochina verzichten. Was sich dann in der Folge dort abspielt, möchte´ ich nicht wissen“, sagte er nachdenklich. „Sie sehen das vielleicht im größeren Rahmen“, meinte der Trafikant, „vielleicht könnten Sie Recht haben, weil, was für uns der Adolf war, sind für die Koreaner jetzt die Kommunisten!“ „Genau“, setzte der Hausmeister hinzu „aber gelernt haben sie alle vom Hitler, die einen, wie man ihn nachmacht, die anderen, wie man´s besser macht“, und lachte. „Gehn´S, Sie immer mit ihren Vergleichen“, ärgerte sich Frau Pesek, „wenn Sie nur politisieren können, dann sind´s glücklich, was? Haben Sie sich schon einmal die zweier Stiege näher angesehen in letzter Zeit? Wenn´s dort einmal aufwaschen täten, hätten wir alle was davon, das ist nämlich nicht so weit wie Korea!“ „Aber genau!“, pflichtete ihr Frau Bratke sofort bei.

      Der Hausmeister wich jäh zurück. “Hier verkennt man ganz eindeutig, was für ein politischer Kopf ich bin, Herr Doktor, finden Sie nicht auch?“, empörte er sich, „ich bin für diese niederen Tätigkeiten eindeutig überqualifiziert, so schaut´s aus!“ Erich lächelte. „Aber stimmen tut´s“, sagte der Trafikant, „das hätten sich die Herren Kommunisten so gedacht, dass ihnen bei ihren miesen Tricks keiner zuschaut. Aber diesmal wird das nicht so leicht gehen, weil die UNO auch noch ein Wort mitzureden haben wird, glauben´s mir, Herrschaften!“ „Und wo war Ihr berühmter Völkerbund damals, im 18er Jahr?“, fragte Frau Bratke. „Der Völkerbund, der Völkerbund! Das war was ganz anderes, Sie! Hören Sie, man kann doch die UNO heute nicht mit dem Völkerbund vergleichen, das ist ja absurd ist das!“, fuhr sie der Hausmeister an. „Die glauben, das geht so leicht wie bei uns damals im 38 Jahr“, krähte Frau Pesek dazwischen. „Das werden die mit den Amis nicht machen können,“ rief Frau Bratke. „Dass es so viele g´scheite Leute gibt in unserem Haus“, wunderte sich der Hausmeister und schüttelte grinsend seinen Kopf.

      „Ich weiß nicht, was noch alles passieren muss, dass ihr einmal ernst bleibt!“, rief Frau Pesek, „zwei Atombomben waren euch wohl noch zu wenig, wie?“ Erich schüttelte verwundert den Kopf. „Na, dann, grüß euch Gott“, sagte er, „ich muss wieder“, und trat auf die Straße, um über den Nebeneingang wieder in die Redaktion zurückzukehren. Beinahe jedoch wäre er, unmittelbar vor dem Haustor, mit einer Dame zusammengestoßen, die aufgeregt einem sowjetischen Offizier auf der gegenüberliegenden Straße winkte und diesem etwas zurief. Zur selben Zeit trat Carl aus dem Haus auf die Straße. „Bis morgen,“ sagte er, „mein Lieber, bis morgen! Ich hab´s eilig“, um plötzlich wie angewurzelt stehen zu bleiben. „Da schau her! Die kennen wir doch. Das ist doch die aus dem Bräunerhof damals, erinnerst du dich?“, flüsterte er. „Siehst du, was ich sehe“, raunte ihm Erich zu, „geh´ bitte, geh weiter, oder komm mit mir kurz herein“. Erich schob Carl in den Flur des Redaktionsgebäudes. „Sie haben uns bemerkt“, sagte Carl. Erich nickte. „Die große Geheimnisvolle und unsere hochverehrten russischen Besatzer. Mir schwant Furchtbares“, sagte Carl. „Ich hab´ geglaubt, du hast keine Zeit, rennst mich über den Haufen, und jetzt? Stattdessen stehst du da herum und starrst fremde Leute an.“

      „Ein Journalist, Herr Kollege, ist immer im Dienst. Das solltest du eigentlich wissen. Ich beobachte, wenn du es genau wissen willst. Und das sieht man auf einen Blick, dass die beiden da was zu Mauscheln haben, oder etwa nicht?“ „Du kannst so wunderbar logisch sein, Carl. Vielleicht hast du Recht, und die kochen was aus zusammen. Die Kommunisten scharren längste Zeit schon mit den Hufen.“ „Wie auch immer, jetzt muss ich aber weiter. Der Herr Chefredakteur glaubt, ich bin sein persönlicher Bote oder so was Ähnliches. Immer, wenn ich in Arbeit gerade ersticke, darf ich noch Dienstmann spielen. Na ja, diesmal ist es ja für die Allgemeinheit, mein Lieber.“ „Was will er?“, fragte Erich. „Gewerkschaftssache,“ sagte Carl kurz, „dann also, viel Vergnügen!“ Carl stieg in den 5er, der gerade in der Station vorm Haus stand. Erich lief die Treppen hoch.

      Als Carl in Höhe Burggasse einen Blick aus dem Fenster der Straßenbahn warf, fiel ihm das seltsame Paar noch einmal auf. Neben ihnen zwei Männer in Arbeitermützen, jeder einen Packen Zettel in der Hand, auf dem offensichtlich ein Gesicht abgebildet war. Carl konnte nicht erkennen, wer das sein sollte. Bloß die Überschrift, in dicken, schwarzen Lettern geschrieben, konnte er noch schemenhaft erkennen, ehe die Tram wieder losfuhr. Solidarität konnte es heißen, oder so ähnlich. An der Mariahilfer-Straße sprang Carl vom Trittbrett, als ihn beinahe eine große, schwarze Limousine überfahren hätte. Carl drehte sich um und fluchte laut. Da sah er, dass die geheimnisvolle Dame mit ihrem Offizier im Fond des Wagens saß. Am Kotflügel war eine kleine, rote Fahne mit Stern befestigt.“ „Na also“, sagte Carl zu sich, „jetzt macht gar schon der KGB Jagd auf mich. Zeiten sind das!“

      Kapitel 7

       Innenpolitik

      Es war bereits ziemlich spät geworden. Erich rieb seine schmerzenden Augen, schob den Schlitten der schweren Schreibmaschine mit einem Schwung nach links und erhob sich mühsam aus seinem Arbeitssessel. Mit beiden Händen stützte er seinen schmerzenden Rücken, ganz steif vom langen Sitzen, und begab sich schlurfenden Schrittes in Richtung Redaktionsküche, um sich für heute eine letzte Tasse Kaffee zu holen. Währenddessen untersuchten seine geübten Finger das Zigaretten-päckchen in seiner linken Rocktasche nach Rauchbarem und – wurden fündig. In der kleinen Küche brannte noch Licht. „Du bist noch da, Willi?“, fragte Erich den erstaunten Sportredakteur, der bisher auch geglaubt hatte, der letzte hier zu sein und etwas erschrocken schien. „Hast du mich jetzt – also wirklich! Schleichst da so einfach um die Ecke. Aber zu deiner Frage, du siehst mich in voller Größe anwesend, ja! Ich ärgere mich mit einem blöden Artikel herum, seit zwei Stunden, weil mir die Angerer die Mitschriften weggesperrt hat. Jetzt improvisiere ich, wie halt im richtigen Leben auch immer!“

      „Na, da hast du ja ein Glück“, sagte Erich, nahm sich Kaffee aus der Kanne, steckte sich die Zigarette an und blickte schweigend aus dem Fenster. Willi, dem die Ruhe unangenehm wurde, versuchte sie mit dem Satz: “Und, was haben die Kommunisten letztendlich denn schon erreicht?“, zu durchbrechen, „wenn du mich fragst, nichts!“ Erwartungsvoll blickte er auf Erich. Willi fuhr fort: „Immerhin sind die Österreicher geschlossener denn je zusammengestanden, das hat man gesehen. Vom ersten Augenblick an“, fügte er noch hinzu. Stille. „Der Kanzler hätte ihnen nicht in die Augen gesehen, diesen Idioten“, brach Erich endlich sein Schweigen, „und? Was haben sie selber geboten?“, fragte er, „nichts, außer dummes Geschwätz, sich mit Polizisten prügeln, das können sie“, gab er sich selbst die Antwort. Willi nickte artig. „Die Demonstration auf dem Ballhausplatz wäre der Auftakt zu ersten, großen Kämpfen um Lohn und Brot. Lächerlich, das Theater!“ fauchte Erich, nachdem er sich gesetzt hatte. Willi rührte mit dem Löffel nervös in der Zuckerdose herum. Krampfhaft dachte er nach, was er dazu sagen könnte, was Sinnvolles, aber es fiel ihm nichts ein. Erichs Worte hingen wie eine dunkle, schwere Wolke im Raum, nicht bereit, sich in Nebel der Entspannung aufzulösen. Schließlich setzte dieser fort: „Die größte Tat war bisher wohl, dass sie dreiundzwanzig Polizisten krankenhausreif