Schwester und ging dem Schalle nach. Da traf er auf
eine dunkle Höhle. Er ging hinein und fand Räuber
darin, die miteinander sprachen und zu einander sagten:
»Auf, verteilt die Portionen und laßt uns essen!«
Da teilten sie die Portionen, legten sie auf die Erde,
und ihr Hauptmann sprach: »Jeder nehme seine Portion!
« Muhammed mischte sich unter sie und nahm
auch eine Portion. Dadurch blieb einer übrig, der
nichts bekommen hatte, und dieser sprach zu seinen
Genossen: »Ich habe meinen Anteil nicht erhalten.«
Da sprachen sie zu einander: »Laßt uns die Portionen
an die Erde legen und sie zählen!« So geschah's, die
Portionen wurden gezählt, und da Muhammed auch
die seinige zu Boden gelegt hatte, waren es 39. Da
sprach der Hauptmann: »Nehmt, die Portionen sind
richtig.« Muhammed streckte die Hand aus und empfing
wieder eine Portion. Wieder blieb einer übrig
und sprach: »Ich habe meine Portion nicht empfangen.
« Da sprach der Hauptmann (der den Grund
davon merkte): »Wir sichern dir Pardon zu, gieb dich
zu erkennen, der du in unserer Mitte bist, und fürchte
nichts!« Da sprach er zu ihnen: »Ich bin's; ich bin ein
junger Bursch (den ihr nicht zu fürchten braucht).«
Sie fragten ihn, welches sein Gewerbe wäre, da antwortete
er: »Mein Gewerbe ist der Diebstahl; ich
habe euch gesehen und bin zu euch gekommen.« Sie
fragten ihn: »Willst du mit uns nachts oder am Tage
wachen?« Er antwortete: »Warum? Wozu? Laßt mich
hier, damit ich euch diene!« Da waren sie's zufrieden.
Er aber holte heimlich seine Schwester, brachte sie in
einen Winkel der Höhle und versah seinen Dienst
acht Tage lang.
Danach, als sie einmal eingeschlafen waren, nahm
er einem Räuber den Dolch weg, tötete alle 39 und
warf sie in ein Gelaß. Darauf rief er seine Schwester
und sprach zu ihr: »Sieh! ich habe sie alle getötet.
Diese Schätze gehören nun alle dir, meine Schwester.
Ich werde ausgehen und Gazellen jagen, du wirst sie
zubereiten, und wir werden davon essen.« Sie sprach:
»Es ist gut, mein Bruder.« Er ging also auf die Gazellenjagd,
und als er zurückkehrte, fand er zwei kleine
Löwen. Er nahm sie mit, brachte sie seiner Schwester
und sprach zu ihr: »Diese werden dir Gesellschaft
leisten, wenn ich nicht da bin.« Sie antwortete:
»Es ist gut, mein Bruder.« Eines Tages ging er wieder
auf die Jagd. Das junge Mädchen ging in die
Höhle, um sich zu zerstreuen. Da hörte sie die Stimme
eines Menschen, welcher seufzte. Sie öffnete das
Gelaß und sah, daß es ein verwundeter Neger von
den Räubern war, der noch Leben hatte. Da sprach
sie: »Würde doch mein Bruder so getötet, wie er
diese getötet hat.« Sie verband seine Wunden, wusch
sie und gab ihm zu essen, bis er wieder gesund war.
Darauf ließ sie ihn heraus und versteckte ihn in der
Höhle. Ihr Bruder ging täglich auf die Jagd und kehrte
zurück, ohne etwas davon zu merken. Sie vermählte
sich mit dem Neger und schenkte ihm zwei Kinder.
Eines Tages sprach sie zu ihm: »Wir müssen ein Mittel
finden, um meinen Bruder zu töten.« Der Neger
sprach zu ihr: »Stelle dich krank und sag' ihm, du habest
Appetit auf Trauben des Paradieses. Er wird
ausziehen, um sie zu holen, und die wilden Tiere
werden ihn unterwegs fressen.« Sie that wie geheißen,
und ihr Bruder machte sich auf. Als er sechs
Monate in der Wüste gewandert war, begegnete ihm
eine Gule.2 Er sprach: »Essalāmu alêkum3, Mutter
Gute!« Sie dankte und fragte: »Wohin des Wegs, Muhammed?
« Er antwortete: »Ich suche die Trauben des
Paradieses.« Da sprach sie zu ihm: »Wer dich auf
diese Reise geschickt hat, der ist dein Feind.« Er aber
erwiderte: »Nein, es ist eine Freundin, meine Schwester,
meine beste Freundin in der Welt.« Da gab sie
ihm eine Kugel und sprach: »Wirf sie zur Erde und
geh ihr nach, bis du zum Paradiese kommst.« Er
nahm die Kugel, warf sie zur Erde und folgte ihr, bis
er zum Paradiesgarten kam. Da pflückte er die Trauben
und kehrte zu seiner Schwester zurück. Die beiden
Löwen hörten seine Stimme, liefen heraus ihm
entgegen, umarmten und küßten ihn, und er liebkoste
sie gleichfalls. Da sprach seine Schwester zu dem
Neger: »Verbirg dich! Der Unglücksmensch, mein
Bruder, ist wiedergekommen, niemand hat ihn getötet.
« Bei diesen Worten trat er ein, gab ihr die Trauben,
und sie aß. Nun wartete sie eine Woche, dann
sagte sie wiederum zu dem Neger: »Finde für ihn
einen Tod, von dem er nicht wiederkehrt!« Er sprach
zu ihr: »Sag ihm, du würdest nur durch das Wasser
des Lebens gesund werden.« Sogleich stieg er (der
Bruder) auf einen Esel und machte sich auf in die
Wüste zu ziehen. Die beiden Löwen aber liefen ihm
nach, und so oft er sie auch zurückjagte, sie kamen
immer wieder. Da sagte seine Schwester: »So nimm
sie mit dir, sie wollen doch nicht hierbleiben.« Als er
fort war, sprach sie zu dem Neger: »Wenn er wiederkommen
sollte, so wollen wir ihn beide ergreifen und
samt seinen Löwen töten.« So wanderte er denn ein
Jahr in der Wüste umher, bis er das Meer mit dem
Wasser des Lebens fand. Er setzte sich ans Ufer unter
einen Baum. Auf dem Baum saßen zwei Tauben, die
sprachen miteinander und sagten: »Die Tochter des
Sultans ist krank, und die Ärzte können sie nicht heilen.
Jeder Arzt, der sie nicht heilen kann, wird zum
Tode verurteilt.« Die zweite sprach: »Wodurch wird
sie denn gesund?« »Durch das Wasser des