Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. von Held
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763129
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Er stand auf, verließ seine

       Schwester und ging dem Schalle nach. Da traf er auf

       eine dunkle Höhle. Er ging hinein und fand Räuber

       darin, die miteinander sprachen und zu einander sagten:

       »Auf, verteilt die Portionen und laßt uns essen!«

       Da teilten sie die Portionen, legten sie auf die Erde,

       und ihr Hauptmann sprach: »Jeder nehme seine Portion!

       « Muhammed mischte sich unter sie und nahm

       auch eine Portion. Dadurch blieb einer übrig, der

       nichts bekommen hatte, und dieser sprach zu seinen

       Genossen: »Ich habe meinen Anteil nicht erhalten.«

       Da sprachen sie zu einander: »Laßt uns die Portionen

       an die Erde legen und sie zählen!« So geschah's, die

       Portionen wurden gezählt, und da Muhammed auch

       die seinige zu Boden gelegt hatte, waren es 39. Da

       sprach der Hauptmann: »Nehmt, die Portionen sind

       richtig.« Muhammed streckte die Hand aus und empfing

       wieder eine Portion. Wieder blieb einer übrig

       und sprach: »Ich habe meine Portion nicht empfangen.

       « Da sprach der Hauptmann (der den Grund

       davon merkte): »Wir sichern dir Pardon zu, gieb dich

       zu erkennen, der du in unserer Mitte bist, und fürchte

       nichts!« Da sprach er zu ihnen: »Ich bin's; ich bin ein

       junger Bursch (den ihr nicht zu fürchten braucht).«

       Sie fragten ihn, welches sein Gewerbe wäre, da antwortete

       er: »Mein Gewerbe ist der Diebstahl; ich

       habe euch gesehen und bin zu euch gekommen.« Sie

       fragten ihn: »Willst du mit uns nachts oder am Tage

       wachen?« Er antwortete: »Warum? Wozu? Laßt mich

       hier, damit ich euch diene!« Da waren sie's zufrieden.

       Er aber holte heimlich seine Schwester, brachte sie in

       einen Winkel der Höhle und versah seinen Dienst

       acht Tage lang.

       Danach, als sie einmal eingeschlafen waren, nahm

       er einem Räuber den Dolch weg, tötete alle 39 und

       warf sie in ein Gelaß. Darauf rief er seine Schwester

       und sprach zu ihr: »Sieh! ich habe sie alle getötet.

       Diese Schätze gehören nun alle dir, meine Schwester.

       Ich werde ausgehen und Gazellen jagen, du wirst sie

       zubereiten, und wir werden davon essen.« Sie sprach:

       »Es ist gut, mein Bruder.« Er ging also auf die Gazellenjagd,

       und als er zurückkehrte, fand er zwei kleine

       Löwen. Er nahm sie mit, brachte sie seiner Schwester

       und sprach zu ihr: »Diese werden dir Gesellschaft

       leisten, wenn ich nicht da bin.« Sie antwortete:

       »Es ist gut, mein Bruder.« Eines Tages ging er wieder

       auf die Jagd. Das junge Mädchen ging in die

       Höhle, um sich zu zerstreuen. Da hörte sie die Stimme

       eines Menschen, welcher seufzte. Sie öffnete das

       Gelaß und sah, daß es ein verwundeter Neger von

       den Räubern war, der noch Leben hatte. Da sprach

       sie: »Würde doch mein Bruder so getötet, wie er

       diese getötet hat.« Sie verband seine Wunden, wusch

       sie und gab ihm zu essen, bis er wieder gesund war.

       Darauf ließ sie ihn heraus und versteckte ihn in der

       Höhle. Ihr Bruder ging täglich auf die Jagd und kehrte

       zurück, ohne etwas davon zu merken. Sie vermählte

       sich mit dem Neger und schenkte ihm zwei Kinder.

       Eines Tages sprach sie zu ihm: »Wir müssen ein Mittel

       finden, um meinen Bruder zu töten.« Der Neger

       sprach zu ihr: »Stelle dich krank und sag' ihm, du habest

       Appetit auf Trauben des Paradieses. Er wird

       ausziehen, um sie zu holen, und die wilden Tiere

       werden ihn unterwegs fressen.« Sie that wie geheißen,

       und ihr Bruder machte sich auf. Als er sechs

       Monate in der Wüste gewandert war, begegnete ihm

       eine Gule.2 Er sprach: »Essalāmu alêkum3, Mutter

       Gute!« Sie dankte und fragte: »Wohin des Wegs, Muhammed?

       « Er antwortete: »Ich suche die Trauben des

       Paradieses.« Da sprach sie zu ihm: »Wer dich auf

       diese Reise geschickt hat, der ist dein Feind.« Er aber

       erwiderte: »Nein, es ist eine Freundin, meine Schwester,

       meine beste Freundin in der Welt.« Da gab sie

       ihm eine Kugel und sprach: »Wirf sie zur Erde und

       geh ihr nach, bis du zum Paradiese kommst.« Er

       nahm die Kugel, warf sie zur Erde und folgte ihr, bis

       er zum Paradiesgarten kam. Da pflückte er die Trauben

       und kehrte zu seiner Schwester zurück. Die beiden

       Löwen hörten seine Stimme, liefen heraus ihm

       entgegen, umarmten und küßten ihn, und er liebkoste

       sie gleichfalls. Da sprach seine Schwester zu dem

       Neger: »Verbirg dich! Der Unglücksmensch, mein

       Bruder, ist wiedergekommen, niemand hat ihn getötet.

       « Bei diesen Worten trat er ein, gab ihr die Trauben,

       und sie aß. Nun wartete sie eine Woche, dann

       sagte sie wiederum zu dem Neger: »Finde für ihn

       einen Tod, von dem er nicht wiederkehrt!« Er sprach

       zu ihr: »Sag ihm, du würdest nur durch das Wasser

       des Lebens gesund werden.« Sogleich stieg er (der

       Bruder) auf einen Esel und machte sich auf in die

       Wüste zu ziehen. Die beiden Löwen aber liefen ihm

       nach, und so oft er sie auch zurückjagte, sie kamen

       immer wieder. Da sagte seine Schwester: »So nimm

       sie mit dir, sie wollen doch nicht hierbleiben.« Als er

       fort war, sprach sie zu dem Neger: »Wenn er wiederkommen

       sollte, so wollen wir ihn beide ergreifen und

       samt seinen Löwen töten.« So wanderte er denn ein

       Jahr in der Wüste umher, bis er das Meer mit dem

       Wasser des Lebens fand. Er setzte sich ans Ufer unter

       einen Baum. Auf dem Baum saßen zwei Tauben, die

       sprachen miteinander und sagten: »Die Tochter des

       Sultans ist krank, und die Ärzte können sie nicht heilen.

       Jeder Arzt, der sie nicht heilen kann, wird zum

       Tode verurteilt.« Die zweite sprach: »Wodurch wird

       sie denn gesund?« »Durch das Wasser des