Nach fünf verlorenen Spielen - ich hatte einfach keine Chance - fuhr ich Michael zu seinem Auto.
„Ina, das war ein sehr schöner Abend. Ich würde dich gerne wieder sehen.“
Wir saßen in meinem Trabi und er sah mich erwartungsvoll an.
„Hast du wirklich kein Telefon?“, fragte Michael.
„Würdest du denn jedem gleich deine Nummer geben?“, fragte ich zurück.
„Nein, natürlich nicht. Du bist mir eine", belustigt lächelte er vor sich hin.
„Na okay“, sagte ich und durchwühlte meine Handtasche nach einem Stift. Dann schrieb ich ihm mit einem schwarzen Edding meine Telefonnummer auf den Handrücken. Wenn man mal einen Kuli brauchte, war keiner im Handtaschenchaos zu finden. Der Mann hatte sogar schöne Hände. Heute Abend würde er beim Händeschrubben ganz bestimmt an mich denken. Die Vorstellung gefiel mir.
„So, jetzt kannst du mich mal anrufen.“
„Das werde ich machen“, meinte Michael, gab mir ein Küsschen auf die Wange und stieg aus.
Kaum hatte er die Tür zugemacht, gab ich Gas. Sein Abschiedskuss brannte auf meiner Wange und in meinem Bauch kribbelte es. Ich war so in innerlichem Aufruhr, dass ich ganz vergaß, nach seinem Auto zu schauen.
Auf der Heimfahrt blinkte ich in alle möglichen Richtungen, dabei ging es geradeaus.
Was hatte er nur mit mir gemacht? Ich war verwirrt.
Zu Hause ließ ich die Badewanne volllaufen und legte mich mit meinem Telefon ins warme Wasser. Woher wusste Michael, wo ich arbeite? Diese Frage stellte ich mir schon den ganzen Abend. Hatte er eine Freundin? So wie der aussah, bestimmt. Was wollte er von mir? Würde er mich wirklich anrufen? Ich grübelte eine geschlagene Stunde. So kam ich nicht weiter. Ich musste mit jemandem darüber reden. Moni! Ich wählte ihre Nummer und lauschte in den Telefonhörer.
„Scherz?“, meldete sich Steffen, Monis Mann, mein Schwager.
„Hallo Steffen, Ina hier, ist Moni da?“
„Ina! Sag mal, warum hast du denn beim letzten Discobesuch Moni nicht nach Hause fahren lassen?“
„Hä?“ Was erzählte der denn da? Ich hatte doch zur Heimfahrt gedrängelt, damit meine Schwester auch ja rechtzeitig zu Hause war.
„Nicht hä! Sie kam gegen drei Uhr hier an und meinte, du hättest dich mit irgendwelchen Typen unterhalten und wolltest nicht nach Hause fahren. Ich habe ihr gesagt, dass sie dich das nächste Mal eben da lassen soll.“ Ich hörte, wie Steffen nach Moni rief. Wenig später hatte ich sie an der Strippe.
„Ina, Süße …“
„Sag mal Moni, Steffen hat mich gerade rundgemacht. Warum? Ich verstehe nur Bahnhof. Du warst doch pünktlich zu Hause!“
„Später, okay?“
Ah, sie konnte gerade nicht reden. Wahrscheinlich stand Steffen die ganze Zeit neben ihr, um uns zu belauschen.
„Ja, na klar, ich komme nachher zu dir“, hörte ich sie antworten. Ich hatte gar nichts gesagt oder gefragt. Als ob ich heute nicht schon verwirrt genug war. Was sollte das alles?
„Bis dann Süße“, sagte Moni gerade und legte auf.
8
Eine Stunde später, ich hatte gerade das Nachdenken aufgegeben und stieg aus der Badewanne, stand meine Schwester, ziemlich abgehetzt vor der Tür.
„Komm rein Moni“, begrüßte ich sie und hielt ihr die Wohnungstür auf.
„Bist du bis zu mir gerannt oder warum wirkst du so abgehetzt?“
Sie ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf mein Sofa fallen.
„Ich kann dir sagen, ich hab jetzt wieder eine Diskussion mit Steffen hinter mir.“ Moni atmete einmal ganz tief durch, setzte sich auf und sah mich fragend an.
„Weswegen hattest du eigentlich angerufen? Ist was passiert?“
Moment! Sollte sie mir nicht erst mal was erklären und nicht ich ihr?
„Moni, was war das für eine Geschichte, die Steffen mir vorhin aufgetischt hat? Du warst doch rechtzeitig zu Hause?“
Schuldbewusst schüttelte sie ihren hübschen Kopf.
„Wie? Ich verstehe kein Wort. Los raus mit der Sprache“, forderte ich sie zum Geständnis auf.
Moni atmete noch einmal tief durch, verdrehte ihre karamellbraunen Augen und seufzte.
„Also, ich fange am besten ganz von vorne an. Als ich das Geld für den Kaffee holen wollte, habe ich meinen Tennislehrer getroffen. Ich sage dir, so ein süßer Typ. Wir flirten schon länger und dann stand er plötzlich vor mir.“
Sie machte eine Pause, aber ich wollte die ganze Geschichte hören.
„Ja, und was dann?“, hakte ich ungeduldig nach.
„Dann sind wir zu seinem Auto raus gegangen auf den Parkplatz.“
„Und habt euch unterhalten, das sagtest du schon. Und weiter?“
Moni wirkte irgendwie verlegen, aber sie erzählte weiter.
„Naja, da haben wir geredet, aber nicht nur.“
„Wie jetzt? Ach komm, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen“, forderte ich sie auf weiter zu sprechen.
„Na wir haben, du weißt schon …“
„Was? Echt? Ihr habt?“
Ich konnte es nicht glauben.
„Ja! Und es war toll!“ schob sie schnell noch hinterher.
Aha, ihr Tennislehrer war also der Typ, mit dem sie im Auto „geredet“ hatte. Na jetzt wurde mir einiges klar. Die zerknitterte Bluse, die zerzausten Haare. Da hatte ich ja vollkommen Recht mit meinem Spruch, der mir in der Disco so spontan in den Sinn gekommen war. Ach so war das.
„Du hast mich also wegen eines Kerls da stehen lassen?“
Ich konnte es nicht glauben. Meine brave Schwester, wobei sich das BRAV gerade erledigt hatte, trieb es mit ihrem Tennislehrer im AUTO!
„Du hast dich doch gut unterhalten“, versuchte sie zu scherzen.
„Wie man’s nimmt. Darüber wollte ich auch noch mit dir reden. Und warum warst du dann nicht rechtzeitig zu Hause?“
Ich hielt es vor Neugier kaum aus und ich spürte, da kam noch mehr.
„Naja … als ich dich abgesetzt hatte, haben wir uns noch mal getroffen“, erzählte sie und sah schuldbewusst auf den Boden.
„Oh Mann, Moni, du hast ja Nerven! Und ich darf mich von Steffen anmotzen lassen? War’s wenigstens schön? Hat es sich gelohnt? Das nächste Mal sagst du mir aber Bescheid. Ich wusste überhaupt nicht, was Steffen von mir wollte. Fast wärst du aufgeflogen!“
In gewisser Weise verstand ich meine Schwester ja sogar. Sie war unglücklich mit Steffen, trennte sich aber wegen Lukas, ihren achtjährigen Sohn nicht von ihm. Jetzt wusste ich auch, wie Moni sich beim Tennis auspowerte. Mann oh Mann.
Ich streichelte meiner Schwester über den Arm.
„Ist schon gut. Ich bin nicht mehr sauer. Aber ich wollte dir was ganz anderes erzählen. Rate mal, wer heute vor der Fleischerei auf mich gewartet hat?“
Ich sah sie mit diesen Das – errätst – du- nie Blick an.
„Na komm schon, rate!“
„Michael“, kam es total überzeugend aus ihrem Mund. Für einen Moment war ich sprachlos.
Woher wusste